Neue Chefin
Neues Bahn-Konzept?
Heute Vormittag befasste sich der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn mit dem Personaleinsatz an der Spitze des Konzerns. Er folgte dem Vorschlag von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) und wählte die bislang für den Regionalverkehr zuständige Managerin Evelyn Palla als neue Bahn-Chefin.
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sprach sich im Aufsichtsrat gegen das Personalpaket aus. Stein des Anstoßes war für die EVG nicht Palla, sondern ein anderer Vorschlag von Schnieder: Künftiger Vorsitzender der Infrastrukturgesellschaft DB InfraGo soll der Manager Dirk Rompf werden. Dieser war als früherer Vorstand der DB Netz mitverantwortlich für die heutige Misere im Schienennetz.
Deutschland investiert so wenig wie kaum ein anderes Land in den Schienenverkehr: 2022 ganze 114 Euro pro Kopf gegenüber der Schweiz mit 413 Euro pro Kopf. Ein Vielfaches wandert unter der Diktatur der Monopole in die Subventionierung der Automobilindustrie und den Straßenverkehr. Seit der Privatisierung der Bahn wurden 300.000 Arbeitsplätze vernichtet, das Schienennetz wurde um 12 % verringert und es wurden 13.000 km Schiene und 7.500 Gleisanschlüsse der Industrie ganz abgebaut. Die Deutsche Bahn AG wurde zum internationalen Übermonopol in der Logistikbranche. Die DB investiert international in Transporte auf Straßen und Schienen und in die See- und Luftfracht. Kein Geld hat sie für eine anständige Bezahlung der Belegschaften und die Instandhaltung des Schienennetzes für den Personen-Nah- und Fernverkehr. "Die Infrastruktur wurde dank der 'Fachkompetenz Kapital und Börse' der Manager heruntergewirtschaftet", heißt es im Rote-Fahne-News-Artikel anlässlich der Entlassung von Bahn-Chef Richard Lutz vor einigen Wochen.
Das Strategiepapier, das Verkehrsminister Schnieder gestern in einer Pressekonferenz vorstellte, korrigiert erstmal ein Ziel: Pünktlicher soll die Bahn nicht etwa ab sofort werden, sondern in vier Jahren, 2029. Bis vor Kurzem sollte die Pünktlichkeit im Fernverkehr im Jahr 2027 75 bis 80 Prozent betragen. Schnieders neue Messlatte: 70 Prozent bis 2029. Und dann wird's ganz schwammig: Erhöhung der Pünktlichkeit „mittelfristig“ auf 80 Prozent, „langfristig“ auf 90 Prozent. Ein Industriearbeiter könnte bei einer Genauigkeit von "mittelfristig" 80 Prozent auf der Stelle seine Papiere abholen. In den letzten Tagen wurde ja eine besonders absurde Methode bekannt, mit der die DB für mehr Pünktlichkeit sorgt: Züge mit einer gewissen Verspätung werden aus dem Verkehr gezogen, dann gelten sie nämlich nicht als unpünktlich. Diese Enthüllung erlaubt einen ganz neuen Blick auf die immer wiederkehrenden Zugevakuierungen.
Ferner enthält das Papier einige angepeilte Verbesserungen, die so selbstverständlich sind, dass man nur schallend lachen kann. Echt, die Bahn strebt an, dass es in den Zügen mehr funktionierende und saubere Toiletten und im Bistro was zu essen und zu trinken geben soll. Arbeitsplätze für Reinigung und Instandhaltung wurden vernichtet, scheinselbständige Arbeitskräfte mit Putzkarrren und Abfallsäcken wandern durch die pfeilschnellen ICEs und sorgen im Rahmen ihrer Möglichkeiten für Sauberkeit. Ihre Ausrüstung bringen sie selber mit und bezahlen sie teilweise selbst. In den Bahnhöfen will Schnieder mit mehr Video-Überwachung für mehr "Sicherheit" sorgen. Und tatsächlich will die Bahn dem gestressten Reisenden künftig früher verraten, worauf er sich während der Fahrt einstellen muss. Bisher rechnete man vorsichtshalber mit allem, künftig werden "Änderungen im Reiseverlauf bereits in dem Augenblick weitergegeben werden, in dem sie innerhalb der DB vorliegen."
Durch weitere "Verschlankung" sollen die DB-Sparten Fernverkehr und Regionalverkehr profitabler werden, der Güterverkehr bereits ab 2026. Details über die diesbezüglichen Pläne erfährt man aus dem Papier noch nicht, außer dass es zwei Vorstandposten weniger geben soll. Dabei soll es aller Erfahrung nach nicht bleiben. Belegschaften und Bahnkunden müssen wachsam sein und gemeinsam fordern: Keine weitere Abwälzung von Krisenlasten auf Bahnbeschäftigte und Bahnkunden!
Sanierung der Infrastruktur und Bahnbetrieb sollen künftig besser getrennt werden. Aus dem profitablen Betrieb Kapital schlagen, die Kosten für die maroden Schienen auf die Gesellschaft abwälzen. Das marode Schienennetz sorgt nicht nur für die Verspätungen und Ausfälle, sondern bereits jetzt für viel Schlimmeres. Vor drei Jahren entgleiste bei Garmisch-Partenkirchen ein Regionalzug. Fünf Menschen verloren ihr Leben, Dutzende wurden schwer verletzt. Vor einigen Wochen wurden die Ermittlungen eingestellt, ein Abschlussbericht veröffentlicht. Demnach war der Unfall »die unmittelbare Folge des regel- und pflichtwidrigen Verhaltens des vor Ort tätigen betrieblichen Personals«, heißt es dort. Tatsächlich hatte ein zuständiger Bahnbeschäftigter kurz vor dem Unglück eine wichtige Meldung eines Lokführers nicht weitergegeben.
Aber die wirklich zuständige Bahn-Tochter DB Netz wusste Monate und Jahre von den schadhaften Betonschwellen im gesamten Schienennetz! Millionen dieser Betonschwellen sind noch da und bilden eine ständige Gefahr. Die damals "ressortverantwortlichen Vorstandsmitglieder" wurden nicht zur Rechenschaft gezogen. Die DB Netz gibt es nicht mehr. Verantwortlich für die Infrastruktur ist inzwischen ein neues Unternehmen, die DB InfraGo.