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Auch ein Baby-Boomer?

Jetzt wissen wir endlich, wer an allem schuld ist – an Staatsschulden, Umweltzerstörung, Konsumgier und Geldverschwendung: die „Baby-Boomer“.

Von Anna Bartholomé

Die sollen nun „endlich Verantwortung übernehmen“, per „Abgaben bei ihren Renten, wenn sie über 1000 Euro liegen“, bei einem „sozialen Dienstjahr nach Rentenbeginn …“. Das weiß in tiefer Sorge um die junge Generation der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher.


Und diese Muster an Selbstsucht wagen es jetzt auch noch, ihren 60. oder 65. Geburtstag zu feiern, statt endlich mit dem Sparen für die Jungen anzufangen. Tatsächlich: In den Jahren 1955 bis 1969 wurden in Deutschland so viele Kinder geboren wie nie zuvor – und nie danach.

 

Das hatte nach dem Zweiten Weltkrieg erst einmal gedauert. Die Städte zerbombt, auch in Deutschland eine ganze Generation junger Männer ausgelöscht. Neben den Millionen in den Konzentrationslagern Ermordeten wurden 6,5 Millionen tote Soldaten gezählt, 2 Millionen Kriegsversehrte. Es waren die vom Krieg zigtausendfach traumatisierten Frauen, die das Land wieder aufbauten, sich um Millionen verwaiste Kinder kümmerten.

 

Der Wunsch nach eigenen Kindern kam erst später. Und der blühte in Westdeutschland besonders mit dem sogenannten „Wirtschaftswunder“. Dort sollte auch mithilfe der USA ein Bollwerk gegen den weit verbreiteten Wunsch nach einer sozialistischen Perspektive errichtet werden, wozu es im anderen Teil Deutschlands, in der DDR, hoffnungsvolle Ansätze gab.

 

Um die Menschen an das wieder aufblühende kapitalistische System zu binden, ließen sich die neu erstarkenden Monopole etwas kosten. Löhne und Gehälter stiegen, ein sozialer Wohnungsbau wurde forciert, die Arbeitszeiten wurden verkürzt, es gab längeren Urlaub und Urlaubsgeld, Kranken-, Renten- und Sozialversicherungen wurden ausgebaut. Es begann ab 1957 ein Jahrzehnt der „Reformen von oben“. „Das alles gab der Masse der Werktätigen ein Gefühl nie da gewesener relativer sozialer Sicherheit, wie sie bisher dem Sozialismus vorbehalten schien.“¹

 

Aber der Kapitalismus und der wiedererstarkende deutsche Imperialismus zerstörten bald die reformistischen Blütenträume. Die Pille erlaubte mehr Selbstbestimmung beim Kinderkriegen.2

 

Selbstverständlich haben sich auch „Baby-Boomer“ angepasst oder rücksichtslos für die eigene Karriere geschuftet. Es ist nicht zuletzt die Abstiegsangst, die die faschistische AfD für sich zu nutzen weiß.

 

Aber vom Klassenstandpunkt mit sicherer Orientierung und mit einer selbstlosen Haltung engagieren sich heute viele „Boomer“ im Friedenskampf, ziehen Lehren aus den oft verschwiegenen Erfahrungen ihrer Eltern und werden aktiv im Antifaschismus, beteiligen sich mit Jugendlichen an Umweltaktivitäten, sind die ehrenamtlichen Stützen zahlreicher sozialer Projekte. Oder noch besser: Sie werden Teil und organisieren sich in der revolutionären Bewegung, in der MLPD oder in überparteilichen, internationalistischen Selbstorganisationen. Da werden viele Kräfte gebraucht.