Imperialismus

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Sudan: Der verschwiegene Krieg

Täglich sehen wir Berichte mit Schreckensbildern aus der Ukraine und aus Gaza. Der Bürgerkrieg im Sudan ist dagegen kaum eine Meldung wert. Doch der Krieg rivalisierender Armeen hat immense Auswirkungen auf die Bevölkerung, das Land versinkt im Chaos.

Von einem Korrespondenten aus Aalen
Sudan: Der verschwiegene Krieg
Sudanesische Flüchtlinge in einem Flüchtlingscamp im Tschad (foto: gemeinfrei)

Das UN-Flüchtlingswerk schätzt die Zahl der Binnenflüchtlinge auf inzwischen 14 Millionen Menschen. Dazu haben bereits rund 2 Millionen das Land in Richtung Tschad und Ägypten verlassen. Die ägyptische Regierung schiebt sudanesische Flüchtlinge skrupellos wieder ins Elend ab, wozu sie kurzerhand das Asylrecht entsprechend verändert hat.


In den Flüchtlingslagern sterben die Menschen wie die Fliegen. Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF schlägt Alarm: Mangelernährung, Hunger und Masernepidemien raffen die Kinder hinweg. In über der Hälfte des Landes herrscht bereits eine große Hungersnot, die sich auf das gesamte Land mit seinen 51,6 Millionen Menschen auf einem Gebiet fünfmal so groß wie Deutschland in rasender Geschwindigkeit ausweitet. Angesichts dieser Lage ist die Kündigung der US-Entwicklungshilfe über das Programm USAID durch US-Präsident Donald Trump an Zynismus nicht mehr zu überbieten. Die Aufkündigung dieser medizinischen Hilfe kann nur noch als ein aktives Zutun zur Massenvernichtung gewertet werden.


Sauberes Wasser und Strom fehlen, Cholera und andere auf mangelnde Hygiene zurückzuführende Krankheiten wüten. Hygienegerechte Sanitäranlagen gibt es nicht. Dringend benötigte Hilfsgüter kommen kaum an, denn die Infrastruktur ist weitgehend zerstört. Anhaltende Dürren, die sich mit Starkregen und Überflutungen ablösen, tun ein Übriges. Ackerbau und das Halten von Tieren sind nahezu unmöglich geworden, die Nahrungsmittelpreise sind ins Astronomische gestiegen. Das an Rohstoffen wie Erdöl und Erdgas, Gold, Diamanten, Edelhölzer und verschiedene Erze reiche Land ist am Boden.

Mehr Todesopfer als im Ukrainekrieg

Ein Land voller Kulturschätze und einer reichen Geschichte steht zum Ausverkauf. Sudan hat mehr Pyramiden als Ägypten. Kulturhistorische Schätze sind aus den Museen geraubt und werden auf dem internationalen Kunstmarkt gehandelt. „Es ist der schlimmste Krieg von allen, mit den meisten Toten, mit den meisten Geflüchteten“, sagte Stefan Engel in seiner Rede am Antikriegstag in Gelsenkirchen. Die Zahl der durch militärische Handlungen umgekommenen Zivilbevölkerung ist nicht genau zu ermitteln. In einem Artikel der KfW-Bank wird von 150.000 Getöteten gesprochen.¹ Das Portal Statista spricht im Vergleich dazu von etwa 46.000 Toten und 380.000 Verletzten in der Ukraine.²


Um keine Zweifel aufkommen zu lassen: Jede/r Tote und jede/r Verletzte ist eine Schande in diesen ungerechten Kriegen. Da gibt es kein Aufwiegen der für imperialistische Interessen Getöteten, Verletzten und körperlich oder psychisch Versehrten. Denn um Macht- und imperialistische Interessen geht es auch im Sudan. Die RSF-Miliz (Rapid Sudan Forces) kontrolliert den Süden des Landes und die Region Darfur im Westen. Sie sind ein Ableger von Al-Qaida, die nach faschistischer Manier einen islamistischen Staat installieren wollen.

Zahlreiche imperialistische Ländern mischen mit

Diese RSF-Milizen werden von den Vereinigten Arabischen Emiraten und weiteren Milizen unterstützt. Trotz der von der EU verhängten Sanktionen und eines EU-weiten Verbots von finanzieller Unterstützung für die RSF gelangte diese an Waffen mit französischer Technologie. Ursprünglich unterstützte auch Saudi-Arabien den Aufbau der RSF-Miliz, die sie im Jemen als Söldner gegen die Huthi-Rebellen einsetzten, die wiederum vom islamisch-faschistischen Regime des Iran unterstützt werden.


Inzwischen unterstützt Saudi-Arabien zusammen mit der Türkei, Ägypten und dem Iran – dieser besonders durch direkte Waffenlieferungen – die SAF (Sudanese Armed Forces, Armee der Militärregierung, mit einer allgemeinen ein- bis zweijährigen Wehrpflicht für alle Männer und Frauen von 18 bis 33 Jahren). Darüber kam es auch zu einem Zerwürfnis zwischen den früher verbündeten Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien.

 

Während Russlands Söldnertruppen zuvor auf Seiten der RSF-Milizen kämpften - mit starken eigenen Interessen, vor allem über den Handel mit Gold -, hat Russland mittlerweile ein Kooperationsabkommen mit der sudanesischen Armee unterzeichnet. Damit entstand eine Situation, in der ukrainische Spezialeinheiten und russische Söldner zumindest zeitweilig in diesem Krieg auf der selben Seite kämpfen. Russland legte im November 2024 im UN-Sicherheitsrat sein Veto gegen eine Resolution ein, die für einen Waffenstillstand eintrat. Offensichtlich gibt es seitens Russland ein großes Interesse, dass der Krieg im Sudan weitergeht und sein strategischer Einfluss im Land und in der Region mitsamt der Erlangung über die Kontrolle der Rohstoffe wachsen kann.

US-Friedensplan - wofür?

China setzt dagegen hauptsächlich auf die Methode der wirtschaftlichen Durchdringung über Projekte und Kreditvergabe im Rahmen seiner neuimperialistischen Politik. Die chinesische Regierung hat stark im Rahmen der neuen Seidenstraßeninitiative „Belt and Road Initiative“ (BRI)⁵ in die sudanesische Infrastruktur investiert. Alle Projekte wurden durch chinesische Dienstleister entwickelt und erstellt und über chinesische Banken finanziert. So wurde als größtes ausländisches Projekt chinesischer Konsortien und Banken der riesige Merowe-Nil-Staudamm im Norden Sudans mit chinesischen Arbeitern gebaut. Damit werden 20 Prozent des jährlichen Durchflusses des Nils reguliert und kontrolliert. Der Kampf ums Wasser ist also vorprogrammiert.⁴

 

Die USA hat nun gemeinsam mit Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten einen mehrstufigen Friedensplan für den Sudan vorgelegt. Vom damit angestrebten Übergang zu einer zivilen Regierung erhoffen sich die USA unter Trump offenbar bessere Bedingungen für ihre eigene imperialistische Einflussnahme.


Sudan ist im Grunde ein reiches Land, doch ist es neokolonial abhängig und verschiedenste imperialistische und neuimperialistische Länder haben ihn zum Objekt der Begierde gemacht. So befindet sich der Sudan in einer tiefen Wirtschaftskrise. Auch der Handel zum Beispiel mit der BRD ist auf die Ausfuhr von Gummi Arabicum und die Einfuhr von Maschinen und chemischen Produkten beschränkt. 60 Prozent der Bevölkerung leben in extremer Armut.

Krieg mit hohem Potenzial zur Ausdehnung

Durch die gefährliche Gemengelage der Interessen einer Vielzahl imperialistischer Länder trägt der Krieg im Sudan das Potenzial in sich, jederzeit zu einem regionalen Krieg oder gar offenen zwischenimperialistischen Krieg zu eskalieren. Die Situation im Sudan ist ein realer Ausdruck imperialistischer Barbarei und ein Vorbote dessen, was auch anderen abhängigen Ländern droht.

 

Im völligen Gegensatz dazu steht die weitgehende Ausblendung dieses Kriegs in den bürgerlichen Medien Deutschlands. Das hängt offenbar vor allem damit zusammen, dass die westlichen Imperialisten sich aus taktischen Gründen aus diesem Krieg zumindest bisher weitgehend heraushalten. Auch die Kriegsberichterstattung folgt erkennbar den Interessen des eigenen imperialistischen Lands.

ICOR Afrika fordert sofortiges Ende

Die beste Unterstützung im Kampf um Selbstbestimmung und Selbstbefreiung ist die Schmiedung der antifaschistischen und antiimperialistischen Einheitsfront und die Überwindung des imperialistischen Weltsystems in der internationalen sozialistischen Revolution. Nur so kann die imperialistische Barbarei besiegt werden. Dazu verabschiedete die ICOR-Afrikakonferenz am 2. Mai 2024 bereits eine weitreichende Resolution⁶, die „ein sofortiges Ende dieses reaktionären Krieges (fordert) und appelliert an alle revolutionären und fortschrittlichen Kräfte in Afrika und auf der ganzen Welt, eine Solidaritätsbewegung mit dem unterdrückten Volk des Sudan zu organisieren“.


Die Arbeit der ICOR kann über eine Spende/Dauerspende unterstützt werden: Spendenkonto Solidarität International (SI) e.V. IBAN DE86 5019 0000 6100 8005 84 bei der Frankfurter Volksbank Rhein/Main BIC: FFVBDEFF.

 

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