Chemnitz
Nachlese zur Industrie-Brachen-Um-Gestaltung
Die IBUG (Industrie-Brachen-Um-Gestaltung), ein bedeutendes Festival für urbane Kunst, verwandelte in ihrer 20. Ausgabe ein seit 1997 verfallendes Krankenhaus in eine Kunstausstellung - diesmal in der Kulturhauptstadt Chemnitz 2025.
Über 70 Künstler und Künstlerinnen aus 25 Ländern stellten ihre Werke in drei Gebäuden und dem grünen Innenhof aus, begleitet von Workshops, Film und Musik. Sie zogen mit vielen kritischen Themen zu Umwelt, Arbeitssituation oder Kriegsgefahr über 38.000 Besucher und Besucherinnen in ihren Bann.
Eine Nachlese ist besonders für die Palästina-Solidaritätsbewegung von Bedeutung. Denn mehrere Kunstwerke setzten sich faktenreich mit der Situation in Gaza und deutlicher Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung sowie deren Unterstützung durch die amerikanische und die deutsche Regierung auseinander. Damit war für Vladimir Shikhman, Professor für Mathematik an der Technischen Universität Chemnitz und 80 Unterzeichner eines Briefes an die IBUG eine Grenze überschritten und es wurde eine Entfernung der Kunstwerke gefordert.
Beanstandet wurden sechs Arbeiten des finnischen Street-Art Kollektivs Plan B sowie des in Leipzig lebenden britischen Malers Luke Carter. Das Kollektiv Plan B gestaltete unter dem Titel "Netanjahu's stickers Gaza set" eine Wand mit Darstellungen verstümmelter Kinder. Besonders attackiert wurde das Wandbild von Luke Carter mit dem Schriftzug "Deutschland mordet mit" unter der Abbildung einer Mutter, die um ihr totes Kind trauert. Es wurden Expertenmeinungen eingeholt und es entbrannte eine heftige Auseinandersetzung.
Luke Carter warnte selber davor, Israelkritik und Antisemitismus gleichzusetzen und Antisemitismus-Vorwürfe zu missbrauchen, damit Leute nicht über Verbrechen reden, die gerade stattfinden. Unterstützung erhält er von Susan Neiman, Philosophin und Direktorin des Einstein-Forums Potsdam, die betont, dass die aktuelle Definition der "Jerusalem Declaration on Antisemitism" unterscheide zwischen Antisemitismus und Israelkritik. Freemuse, eine unabhängige internationale Organisation mit Sitz in Kopenhagen, die seit Jahrzehnten zu künstlerischer Freiheit forscht, sieht als Folge des Umgangs in Deutschland mit Israelkritik einen Rückgang des Dialogs.
Die Kulturhauptstadt Chemnitz plädierte für Offenheit und Dialog. Die Stellungnahme der IBUG fasst zusammen, dass die Gutachten darlegten, warum es sich bei den Darstellungen nicht um antisemitische Bildsprache handelt und alle beanstandeten Kunstwerke durch die Freiheit der Kunst gedeckt sind. So entschied sich der Ibug e.V. dafür, die kritischen Werke am letzten Ausstellungswochenende wieder zu zeigen. Zunächst verhüllte Teile wurden wieder freigegeben, Hinweise aufgehängt und Gesprächsangebote gemacht.
Also ein voller Erfolg der Solidaritätsbewegung mit Gaza. Wir schrieben ins Gästebuch: “Vielen Dank für euren Mut, eure faktenreiche Darstellung und Solidarität mit Gaza!“
Weitere Informationen auf der webseite://ibug-art.de/
alle Kunstwerke: //ibug-art.de/artists2025_qr/
Siehe auch: 200 Holocaust-Forscher wenden sich dagegen, Kritik an Israel als "Antisemitismus" zu diffamieren. Dieser Artikel behandelt gründlich die Jerusalem Declaration on Antisemitism