Gesellschaftlich polarisiert - Artikel aktualisiert am 16.9.
Akute faschistische Gefahr verschärft - aber auch kein Durchmarsch. Kämpferische Kommunalpolitik gestärkt
Die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen fanden in stürmischen Zeiten statt. Wie noch nie im Nachkriegsdeutschland war der Kommunalwahlkampf gesellschaftlich polarisiert und von Widersprüchlichkeiten gekennzeichnet.
Die beste Wahlbeteiligung seit 1994 war Ausdruck einer Politisierung. Ganz Deutschland blickte auf NRW als relativen Stimmungstest auch der Bundespolitik. Sogar Elon Musk, Faschist und Milliardär aus den USA, schaltete sich ein.
CDU (33,26%) und SPD (22,1%) erhielten ihr schlechtestes Ergebnis seit 1946, konnten sich aber im Vergleich zur Bundestagswahl wieder stärken: CDU +3.140 Wähler pro 100.000 Wähler, SPD +2.065 Wähler. Die Grünen haben mit Minus 6,46 Prozentpunkten einen Einbruch erlebt. Damit wurde ihre Politik in der Ampel-Regierung abgestraft. Ein Faktor war aber auch der Einfluss faschistischer Klimaleugner, was abzulehnen ist.
Die AfD hat ihr Ergebnis fast verdreifacht, aber eine "blaue Welle" gab es nicht
Die AfD hat ihr Ergebnis im Vergleich zur letzten Kommunalwahl fast verdreifacht auf 14,5%. Dabei muss man beachten, dass sie bei der letzten Kommunalwahl einen Tiefpunkt hatte. Ein insgesamt deutlich gestiegenes Ergebnis und hohe Ausschläge nach oben u.a. in Gelsenkirchen mit 29,92%, aber auch in Duisburg oder Hagen unterstreichen die sehr ernst zu nehmende akute faschistische Gefahr. Ihr Ergebnis liegt unter dem Ergebnis der letzten Bundestagswahlen. Bei den Bundestagswahlen 2025 lagen die Zweitstimmen der AfD in ganz NRW bei 1.770.379 (16,8%). Die Stimmen der AfD in ganz NRW liegen nun bei der Kommunalwahl NRW 2025 nur noch bei 1.140.055 (14,5%). Das ist ein Minus von 2,3 Prozentpunkten und 630.000 Stimmen. Die Wahlbeteiligung war damals natürlich größer und die AfD hat bei den Kommunalwahlen auch nicht überall kandidiert. Aber das jetzige Ergebnis zeigt auch, dass die AfD nicht ihr ganzes Wählerpotential abrufen konnte. Es gab keine „blaue Welle“ in den Rathäusern und keinen großmäulig angekündigten Durchmarsch, wie sie es sich erhofften und wie ihn manche Medien regelrecht herbeiredeten.
In keiner Stadt bekamen sie die meisten Stimmen, auch nicht mehr in Gelsenkirchen wie bei der Bundestagswahl. Elon Musk forderte die Wahl der AfD, sonst drohe „das Ende von Deutschland“. Die AfD verbreitete, unterstützt von rechten Medien, eine demagogische Meinungsmanipulation gegen Migranten, gegen angeblichen Sozialmissbrauch und für Ordnung und Sicherheit. Die WAZ Gelsenkirchen leistete der AfD-Propaganda mächtig Vorschub, kochte diese Debatte hoch und bot der AfD reichlich Spielraum für ihre Selbstdarstellung. Der Antikommunismus wurde von Faschisten, aber auch von bürgerlichen Parteien und Medien wieder verstärkt eingesetzt. Die Offensive dagegen kam manchmal noch zu kurz.
Intensive Bündnisarbeit im Sinne der antifaschistischen Einheitsfront
Dass die AfD weniger Stimmen bekam als erhofft, ist oft auch dem Kommunalwahlkampf überparteilicher Bündnisse, unterstützt durch die MLPD, zu verdanken, einer intensiven Bündnisarbeit im Sinne einer antifaschistischen Einheitsfront und dem wachsenden Linkstrend besonders unter der Jugend. Die Linke kommt auf 5,6 Prozent und legt damit leicht zu. Rund 18 Prozent der unter 25-Jährigen in NRW haben die Linke gewählt. Die Wahl der SPD ist oft subjektiv auch als Ausdruck des gewachsenen antifaschistischen Bewusstseins gemeint.
Wenn Bundeskanzler Merz nun als Konsequenz ankündigt, er werde mit der AfD „sehr hart in der Sache um die verschiedenen Themen und den Kurs des Landes ringen“ (Quelle Berliner Morgenpost), richtet dies auf eine weitere Rechtsentwicklung, faschistoide Flüchtlingspolitik und Kriegskurs aus. Somit wird auch die Zusammenarbeit mit der AfD vorbereitet, wobei einige CDU-Politiker und -Politikerinnen diese noch ablehnen. Gerade diejenigen CDU-Kandidatinnen und -Kandidaten, die auf einen ausgemacht rechten Kurs setzten, angeblich um der AfD das Wasser abzugraben, wurden wie die CDU-OB-Kandidatin in Gelsenkirchen abgestraft.
Herzlichen Glückwunsch allen antifaschistischen Kräften!
Umso herzlicher gratuliert die MLPD allen antifaschistischen Kräften zu ihren Aktivitäten im Kommunalwahlkampf. Ihre Genossen und Genossinnen haben gemeinsam mit weiteren Kräften aus dem Internationalistischen Bündnis besonders den Wahlkampf der Personenwahlbündnisse AUF Gelsenkirchen, BergAUF, NV AUF geht’s und des Linken Forums Radevormwald unterstützt, sowie den Wahlkampf AUF-Ruhr fürs Ruhrparlament. Auf kommunaler Ebene ist Überparteilichkeit Trumpf! Die massive Pressezensur hat ihre Wirkung. In den Medien existieren diese fortschrittlichen Kräfte weitgehend nicht - aber live!
Der Wahlkampf der AUF-Bündnisse war grundsätzlich anders als der von etablierten Parteien. Ein Höhepunkt im Wahlkampf war das Kulturfest und Tribunal „gegen die Politik der verbrannten Erde der Ruhrkohle – das Revier muss leben!“ Dabei wurde auch die üble Demagogie der Faschisten attackiert, die Flüchtlinge oder Arbeitslose als Sündenböcke für die Probleme des Ruhrgebiets abstempelt. AUF-Ruhr wies dagegen die Diktatur der Monopole nach, wie der Ruhrkohle AG als Verantwortliche für Arbeitslosigkeit, Armut, Vergiftung der Umwelt, steigende Mieten und Nebenkosten oder wachsende Ausbeutung.
Und da wurde sich nicht auf gewöhnlichen Wahlkampf beschränkt, sondern voll die antifaschistische Einheit gestärkt, mit von AUF mitinitiierten Demos bzw. Kundgebungen in Gelsenkirchen und Bergkamen, Mitarbeit am Runden Tisch gegen Rechts in Radevormwald und Sprühaktion gegen die AfD in Neukirchen Vluyn. Es wurden allein in GE sechs Kinderfeste organisiert und die Solidarität mit Gaza unter anderem beim Antikriegstag auf die Straße getragen. Unsere wichtigste Erfahrung bei allem war, dass es eine viel größere Offenheit und große Suche nach Bewusstheit und Perspektiven gibt. Das ist der Boden für unsere Arbeit. Immer wieder brachte die MLPD die Perspektive des echten Sozialismus ein.
AUF-Bündnisse und Linkes Forum: Erfolgreicher Wiedereinzug in die Stadträte
Wir gratulieren den AUF-Bündnissen ebenso dem Linken Forum in Radevormwald zum erfolgreichen Wiedereinzug in die Stadträte. Insgesamt wurden die Sitze gehalten, was angesichts der Lage hart erkämpft und eine reife Leistung ist. AUF Gelsenkirchen schreibt in einer ersten Pressemitteilung: „Ausgelassene Stimmung bei der Wahlparty von AUF. Es wurde der begeisterte Wahlkampf gefeiert und die Verteidigung des Ratssitzes von Jan Specht. Damit ist AUF ununterbrochen seit 1999 im Rat. Schade, dass Dr. Willi Mast ganz knapp den Einzug in die Bezirksvertretung Süd verpasst hat, der er ebenfalls seit 1999 angehört hatte. Entsetzen löste das schon befürchtete Ergebnis der faschistischen AfD aus. AUF wird weiter mit voller Energie darum kämpfen, die antifaschistische Aktionseinheit in Gelsenkirchen nach vorne zu bringen.“
Claudia Schewior von BergAUF berichtet Rote Fahne News in einem ersten Interview: „Wir sind stolz auf unseren Wahlkampf und haben tatkräftige neue Leute gewonnen. Zum ersten Mal kandierte die AfD bei uns. Auch ehemalige Wähler von uns haben sich von der Meinungsmanipulation täuschen lassen, dass mit der Stimme für die AfD 'die da oben mal eine auf den Deckel kriegen' und dass damit etwas für 'unsere Bevölkerung' getan würde. Anhand konkreter Fragen haben wir das immer besser entlarvt, so hat z.B. die AfD in Dortmund als einzige gegen die Abschaffung der Kita-Gebühren gestimmt. Manche haben auch DIE LINKE gewählt, die zum zweiten Mal antrat. Wir sind stolz, ein und wahrscheinlich ein zweites Mandate verteidigt und neue Kräfte gewonnen zu haben. Die gewachsene antifaschistische Bündnisarbeit in Bergkamen hat große Bedeutung. Bei unserer Wahlparty haben wir uns besonders bei Unterstützern aus den umliegenden Städten bedankt. Wir haben viel voneinander gelernt. Als AUF-Ruhr haben wir das erste Mal gemeinsam kandidiert, was uns enger zusammengeschweißt hat.“ AUF-Ruhr bekam 2657 Stimmen und damit 0,13%.
Bei der Wahlparty von NV auf geht’s begrüßte Lisa Wannenmacher: „ ... unser organisiertes Netzwerk: Kumpel für AUF, Frauenverband Courage, MLPD und den REBELL, mit einem solchen Netzwerk im Rücken und in der gemeinsamen Arbeit sind wir stark und zukunftsfähig.“ Mit 1015 Stimmen und 7,89 % erreichten sie das beste Ergebnis seit 22 Jahren, wurden viertstärkste Kraft und liegen vor Linkspartei und FDP. Für NV AUF geht’s ziehen in den Rat Lisa Wannenmacher, Cheng wei Luong und Jutta Jell. In Radevormwald wurde nach fünf Jahren Abstinenz das Ratsmandat wieder erobert.
Positives Fazit der Arbeit auf Social-Media-Kanälen
Die Wahlbündnisse ziehen ein positives Fazit ihrer Arbeit auf Social-Media-Kanälen. TOP-Themen waren Antifaschismus, Solidarität mit Gaza, Kampf gegen Arbeitsplatzvernichtung und Sanierung der Zechenbrachen auf Kosten der RAG, eine intensive Diskussion um die Verursacher entfachte sich.
In Gelsenkirchen und Duisburg wird es für die Oberbürgermeisterwahl Stichwahlen zwischen den Kandidaten von SPD und AfD geben. In Hagen gibt es eine Stichwahl zwischen CDU und AfD. Aller Grund, den antifaschistischen Widerstand zu stärken!