Widerspiegelt Konkurrenzkampf zwischen alten und neuen Imperialisten
Jindal Steel & Power will Thyssenkrupp Steel kaufen
Der indische Stahlkonzern „Jindal Steel & Power“ hat dem Thyssenkrupp-Vorstand ein „unverbindliches Kaufangebot“ für Thyssenkrupp Steel (TKSE) vorgelegt. Das gab der Vorstandsvorsitzende von TK, Miguel Lopez, bekannt.
Bei Jindal Steel & Power arbeiten weltweit 20 000 Beschäftigte, die 2024 8,06 Mio. Tonnen Stahl produziert haben. Jindal Steel ist das viertgrößte Stahlunternehmen in Indien. (1) Der Konzern gehört zur familiengeführten Naveen Jindal Group, mit Stahl-, Energie- und Bergbaugeschäften in Europa, Asien, Afrika und dem Nahen Osten. Jindal Steel kennt TKSE bereits von vor Jahren geführten Verkaufsgesprächen, die 2023 an Differenzen über Preis, Einflussrechte und Standortgarantien abgebrochen wurden. An der Frage, wer für die Pensionsverpflichtungen von TKSE mit 2,6 Mrd. Euro aufkommt, sind in der Vergangenheit einige Verkaufsgespräche gescheitert. Das wird auch dieses Mal ein Knackpunkt sein! Deshalb muss gelten: Finger weg von unseren Pensionsgeldern!
Teil der Expansion des neuimperialistischen Indien
Ein entscheidender Unterschied zu den Gesprächen vor Jahren ist, dass Lopez mit der Vernichtung von 11 000 Arbeitsplätzen, der Stilllegung von Anlagen, dem Lohnklau von 120 Mio. Euro, die „Braut“ TKSE zum Abstoßen „aufhübschen“ will. „Wir glauben an die Zukunft einer grünen Stahlproduktion in Deutschland und Europa“, sagte Narendra Misra, Europadirektor bei Jindal. Man plane, das Unternehmen zum größten klimafreundlichen Stahlhersteller Europas auszubauen.
In dem Kaufangebot erklärt sich Jindal bereit, das laufende Projekt zum Bau einer Direktreduktionsanlage in Duisburg fertigzustellen und dort zusätzlich für mehr als zwei Milliarden Euro eine elektrische Infrastruktur mit Lichtbogenöfen zu errichten. Außerdem besitzt Jindal in Kamerun eigene Erzminen, die eine sichere Versorgung von Eisenerz, unabhängig von den Preisschwankungen auf dem Weltmarkt garantieren können.
Das Kaufangebot für TKSE ist Teil einer Strategie von Jindal, international zu expandieren und deshalb in Europa Fuß zu fassen. Darin spiegeln sich die Expansionspläne Indiens als neuimperialistisches Land wider. Der geplante Kauf von TKSE ist deshalb Teil des wirtschaftlichen Konkurrenzkampfes zwischen den alten und neuen imperialistischen Ländern. Man darf sich nicht über den „friedlichen“ Charakter des Kaufs täuschen lassen. Der Imperialismus ist heute an einer historischen Grenze und die Neuorganisation der internationalen Produktion in der Krise, so dass sich die Imperialisten vorbereiten diesen Konkurrenzkampf auch mit militärischen Mitteln auszutragen.
Noch ist nicht klar, wie sich die führenden Monopole und die Bundesregierung zu dem möglichen Verkauf stellen. Haben sie doch entschieden, aus strategischen Gründen eine nationale Stahlbasis zu erhalten. Um für die Rüstungsindustrie und strategisch wichtige Branchen wie Auto- und Maschinenbau nicht von anderen Ländern abhängig zu sein. TKSE hat zwar kein Zertifikat zur Herstellung von Panzerstahl wie Saarstahl und seit Neuestem die Salzgitter Stahl AG. TKSE konzentriert sich auf die Produktion für die Autoindustrie, einer für die Stärke des deutschen Imperialismus wesentliche Branche. Außerdem wird Stahl in viel größerem Umfang für Rüstungszwecke gebraucht als Panzerstahl.
Wachsamkeit gefordert
Der Vorstand der Thyssenkrupp AG erklärte, man werde das Angebot intensiv prüfen. Völlig offen ist dabei, was dies für das mit dem tschechischen Finanzoligarchen Kretinskis geplante 50:50 Joint venture bedeutet. Viele Kollegen sind verunsichert. „Mal wieder was Neues, man weiß langsam nicht mehr, wo einem der Kopf steht. Erst heißt es 50:50 mit Kretinski, jetzt auf einmal wieder ein Inder.“ Manche befürchten das Schlimmste: „Vielleicht wollen die uns nur kaufen, um uns dann nach und nach zuzumachen.“ Ein älterer Kollege aus Dortmund fasst seine jahrzehntelangen Erfahrungen mit Verkäufen und Fusionen so zusammen: „Eigentlich kann es uns egal sein, welches Namensschild am Werkstor hängt. Die sind alle gleich, wollen immer das Beste für sich und das auf unserm Rücken. Bislang war jede Fusion, jeder Verkauf immer mit Verschlechterungen für uns verbunden. Deshalb bin ich sehr skeptisch.“
Nachdem die Gespräche mit Kretinski zuletzt ins Stocken geraten sind, spricht alles dafür, dass dem Kaufangebot von Jindal schon längere Gespräche mit dem TK-Vorstand vorausgegangen sind. Dafür spricht auch, dass Jindal einen extra Brief an die IG-Metall-Vertreter im Aufsichtsrat geschickt hat, in dem sich Jindal positiv zur Politik der Klassenzusammenarbeit in Form der Mitbestimmung geäußert hat. „Dass ein wachstumsorientierter Stahlkonzern wie Jindal Steel International als strategischer Investor bei Thyssenkrupp Steel einsteigen will, ist grundsätzlich eine gute Nachricht für unsere Beschäftigten«, sagte der stellvertretende Aufsichtsratschef der Thyssenkrupp AG, Jürgen Kerner. Und er fordert, „zügig in substanzielle Gespräche einzusteigen, um möglichst schnell Klarheit über die wichtigsten offenen Fragen zu erlangen.“
Die Kolleginnen und Kollegen interessiert vor allem, welche Folgen das für die 27 000 Beschäftigten hat. Einige fragen sich: „Wir haben jetzt doch eine neue Geschäftsgrundlage. Heißt das nicht, dass wir uns mit dem möglichen Käufer über Arbeits- und Ausbildungsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen einigen müssen?“ Es ist zu befürchten, dass der Vorstand und die Vorgesetzten das Kaufinteresse Jindals als Druckmittel nutzen, die im Sanierungstarifvertrag festgelegten Schweinereien schnellstmöglich umzusetzen, „um den Verkauf nicht zu gefährden!“
Darauf dürfen sich die Kolleginnen und Kollegen nicht einlassen. Viele Kollegen, die kürzlich für den sogenannten "Sanierungsvertrag" bei TKSE gestimmt haben, taten dies mit der Faust in der Tasche und nicht im eigentlich Sinn einer Zustimmung. Statt sich durch immer neue Botschaften verunsichern oder erpressen zu lassen, gilt es jetzt, selber den Takt vorzugeben. Das heißt den Kampf aufzunehmen - um jeden Arbeitsplatz genauso wie gegen Krieg, Faschismus und Umweltkatastrophe.