Lebenslange Haft
Urteil über faschistischen Attentäter von Solingen: Allseitige Aufklärung ist weiterhin nötig
Am 9. September 2025 hat der Staatsschutzsenat beim Oberlandesgericht Düsseldorf nach nur 18 Verhandlungstagen geurteilt: Issa al Hassan muss für seinen dreifachen Mord und neunfachen Mordversuch lebenslänglich in Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Das Gericht schloss sich den Forderungen von Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger an.
Am 23. August 2024 hatte er beim Solinger Fest „Leben braucht Vielfalt“ mutwillig und bewusst auf unbeteiligte Passanten eingestochen. Nur einen Tag später wurde er verhaftet. Keine 48 Stunden nach dem Anschlag organisierte die MLPD eine Protestkundgebung – vor allem gegen den faschistischen Mißbrauch des Anschlags und gegen eine zu erwartende weitere Rechtsentwicklung.
Am 28. August 2024 veröffentlicht das ZK der MLPD eine Erklärung: „Trauer und Protest angesichts des faschistischen Anschlags in Solingen - Klare Kante gegen alle Arten des Faschismus, rassistische Hetzkampagne und Notstandspläne!“ Die MLPD wies sofort auf den faschistischen Charakter der Tat hin. Ob islamistisch verbrämt oder völkisch-deutschnational: Faschismus ist eine menschenverachtende, zutiefst reaktionäre Weltanschauung, hinter der die reaktionärsten Kreise des Imperialismus stecken.“
Der Attentäter hat sich offen zu seiner Tat bekannt, zeigte keinerlei Reue und nahm das Urteil süffisant lächelnd zur Kenntnis. Nasch Ansicht des Gerichts sei seine IS-Mitgliedschaft erwiesen. In einem Bekennervideo auf TikTok habe er den Treuschwur auf den IS geleistet und herausposaunt: „Ich werde euch bei Gott zerstückeln. Ich werde euch in Stücke reißen.“
Nach typisch faschistischem Muster rechtfertigte er seine Tat zunächst als Rache für die Massaker "der Kreuzzügler" an Muslimen in Bosnien, dem Irak und weiteren Ländern - später als Rache für die toten Kinder im Gazastreifen und die Waffenlieferungen Deutschlands an Israel. Der Solinger Marxist-Leninist Niaz Ghaedi wies schon in einem Interview mit Rote Fahne News am 5. September 2024 auf die faschistische Denkweise solcher Attentäter hin, wie sie Issa al Hassan dann auch später vor Gericht offenbarte: „Für die islamistisch verbrämte faschistische Ideologie dieser Leute gibt es keine Klassen. Zur Verschleierung des Klassengegensatzes gibt es stattdessen angeblich nur Moslems oder Ungläubige. Alle müssen Moslems sein. Wer austritt, gilt als Abtrünniger und verdient die Todesstrafe. Nach dieser islamistisch-faschistischen Logik hat jeder Gläubige das Recht, Ungläubige abzuschlachten. Das entspricht dem faschistischen Prinzip ‚Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.’ Das ist ihre faschistische Rechtfertigung der offen terroristischen Diktatur über alle Andersdenkenden - insbesondere gegenüber Kommunisten.“
Die MLPD lehnt diese Art von faschistischem Terror gegen Unbeteiligte prinzipiell ab. Politische Widersprüche müssen anders gelöst werden. Faschistische Anschläge wurden und werden stattdessen bewusst genutzt zur massiven Verschärfung des Repressionsapparats. Der Anschlag von Solingen kam genau richtig, um seit langem geplante Gesetze zur Einschränkung demokratischer Rechte und Freiheiten durchzudrücken. Aber auch passend für den Wahlkampf der faschistischen AfD in Sachsen und Thüringen, was diese sofort für ihre Hetze nutzte.
Auch jetzt nutzt die AfD das Urteil für ihre rassistische Hetze. So schreibt der AfD-Bundestagsabgeordnete Pierre Lameley auf „X“: „Jede nicht vollzogene Abschiebung ist nicht einfach nur ein bürokratischer Fehler. Sie kann ein Todesurteil für unschuldige Bürger sein. Weil Issa al Hasan nicht abgeschoben wurde, hat er Menschen abgestochen. Dieser Fall zeigt (wie viele andere): Ein funktionierendes Abschiebeprogramm hätte Menschenleben gerettet.“
Richter Winfried van der Grinten bezeichnete die Tat zu Recht als „sittlich verwerflich“. Sie stehe „auf niedrigstem Niveau“. Aber ist das Urteil damit zufriedenstellend – unabhängig von der eingelegten Revision vor dem Bundesgerichtshof? Hat es wie in den Medien behauptet den Rechtsfrieden wieder hergestellt? Hat das „scharfe Schwert des Rechtsstaats“ wirklich wie behauptet wirkungsvoll zugeschlagen? Nein, eine echte Aufklärung der Solinger Ereignisse ist notwendig. Wieso passieren solche faschistischen Attentate regelmäßig vor Wahlen? Welche Rolle spielten Staatsapparat und Geheimdienste wirklich? Diese Fragen muss man stellen, nach den Erfahrungen mit dem Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri. Er wurde schließlich auch an der langen Leine des Verfassungsschutzes geführt.
Eine solche allseitige Aufklärung leistete das Urteil bei weitem nicht. Es ist typisch für die bürgerliche Justiz – wie offenkundig bei den NSU-Prozessen, dass sie sich willkürlich allein auf eine konkrete Tat begrenzt, aber alle Gesamtzusammenhänge mehr oder weniger bewusst ausklammert. Diese nötige allseitige Aufarbeitung müssen die Massen selbst leisten. Dazu gehört der Kampf, um die Ursachen der imperialistischen Krisen zu beseitigen, die den Faschisten den Vorwand für ihre Verbrechen liefern. Und dazu gehört der weltanschauliche Kampf gegen die völkische und religiös-faschistische Ideologie, die einzelne Menschen zu Mördern werden lässt, die die Massen spaltet und die sinnlose Opfer hervorbringt.