Dokumentiert
Resolution der Zimmerwaldkonferenz 2.0 am 6. September 2025 in Zürich/Schweiz
Am Samstag, dem 6. September, fand in Zürich die "Zimmerwaldkonferenz 2.0" statt. Monika Gärtner-Engel als Co-Präsidentin der veranstaltenden Organisation, der "United Front", stellt die bei der Konferenz verabschiedete Resolution vor.
Liebe Freundinnen und Freunde,
als Co-Präsidentin der United Front freue ich mich, Euch die einstimmig bei vier Enthaltungen verabschiedete Schlussresolution der Zimmerwaldkonferenz 2.0 am 6. September 2025 zur Veröffentlichung überreichen zu können. Die Konferenz war von einer ausgeprägt demokratischen Streitkultur geprägt. Dies trotz oder gerade wegen der Kunst, prinzipielle Differenzen nicht zu übertünchen, sich aber gleichzeitig unter Zurückstellung von Differenzen um größtmögliche Einheit im Kampf gegen Weltkriegsgefahr und Faschismus zu bemühen.
Mit Erfolg! Als Probe aufs Exempel wird sich erweisen, ob und wie den Worten Taten folgen. Die Konferenz war von allen Teilnehmenden von dem großen Willen zur intensivierten Zusammenarbeit und verbesserter länderübergreifender Koordination und Kooperation geprägt. Die United Front als veranstaltende Organisation freut sich auf die künftige Zusammenarbeit.
Monika Gärtner-Engel
Co-Präsidentin der United Front
Resolution der Zimmerwaldkonferenz 2.0 am 6. September 2025
- Mitten im Ersten Weltkrieg erklärte die Zimmerwaldkonferenz 1915 in ihrem Manifest: „Die Kapitalisten aller Länder, die aus dem vergossenen Blut des Volkes das rote Gold der Kriegsprofite münzen, behaupten, der Krieg diene der Verteidigung des Vaterlandes, der Demokratie, der Befreiung unterdrückter Völker. Sie lügen!“
Die Zimmerwaldkonferenz erstrebte die internationale Einheit des Proletariats gegen den Krieg der Kapitalisten und bereitete die Umwandlung des Krieges zwischen den kapitalistischen und imperialistischen Mächten in den Bürgerkrieg und die Revolution vor. Nur die Oktoberrevolution hat den Krieg beendet!
Die Oktoberrevolution hat den Positionen der »Zimmerwalder Linken« in vielen Ländern Auftrieb verschafft. Schließlich gehörte zu einer der ersten Maßnahmen der revolutionären Sowjeträte nach der Oktoberrevolution das Dekret über den Frieden. Das revolutionäre Russland beendete einseitig den Krieg und rief die Soldaten aller Länder auf, sich untereinander zu verbrüdern und die Gewehre gegen die Ausbeuter aller Länder zu richten. - Die Zimmerwaldkonferenz 2.0 fand statt am 6. September 2025 mit insgesamt 280 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 28 Ländern, davon 95 in Präsenz und 185 online. Es war ein breites Spektrum demokratischer, gewerkschaftlicher und revolutionärer Kräfte unterschiedlicher Strömungen vertreten. Uns einte der Gedanke, in einer Zeit neuer (Welt-)Kriegsgefahr und des Vormarschs des Faschismus die Differenzen zurückzustellen. Wir haben solidarisch und streitbar diskutiert. Unübersehbar gibt es noch viele Kontroversen zu klären bis zu einer weltweiten vereinheitlichten Front gegen Krieg, Kapitalismus und Faschismus als brutalster Form von Unterdrückung jeden Widerstandes, Umweltzerstörung und die von allen angestrebte Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung und eine gesellschaftsverändernde Bewegung:
Muss man von einem kapitalistischen oder einem imperialistischen Weltsystem sprechen? Welche Länder sind heute als imperialistisch zu bezeichnen? Was sind die tieferen ökonomischen Ursachen der eskalierenden Kriege weltweit? Müssen wir von einer Weltkriegsgefahr oder von einem existierenden Weltkrieg sprechen? Was ist die gesellschaftliche Alternative? Wie sind die früheren sozialistischen Länder und die des sogenannten »real existierenden Sozialismus« einzuschätzen? Welche Lehren sind daraus zu ziehen? Kann die Hamas ein Verbündeter für den palästinensischen Befreiungskampf sein? Mit welchen Organisationsformen kämpfen wir gegen Krieg, Kapitalismus und Faschismus als brutalster Form von Unterdrückung jeden Widerstands: Einheitsfront? Volksfront? Welche Rolle spielt die Arbeiterklasse und wie ist ihr heutiges Bewusstsein? Kann es nachhaltigen Frieden ohne Revolution geben?
Kontrovers diskutierten wir auch die theoretische Grundlage unserer gesellschaftsverändernden Bewegung. Chinesische Revolutionäre forderten: Lasst uns „Lenins Idee Imperialismus ist Krieg" propagieren. Auch Lenins Schrift »Sozialismus und Krieg« von 1915 wurde uns vorgestellt als Orientierung für den proletarischen Internationalismus, dass Kriege nur abzuschaffen sind durch den proletarischen Defaitismus in Kriegszeiten und den Weg der sozialistischen Revolution.
Kurz gesagt es gab eine lebhafte kontroverse Strategiediskussion um die Frage: was bedeuten die Lehren von Zimmerwald 1915 für heute?
Umso bedeutender war zugleich der breit gefächerte Konsens: - Wir leben in einer Zeit, die den Jahren vor der ersten Zimmerwaldkonferenz ähnelt. Auch heute verschärfen die sich verändernden Kräfteverhältnisse in der imperialistischen Welt die Widersprüche zwischen den imperialistischen Staaten um eine Neuaufteilung der Welt. Die militärische Hochrüstung hat einen neuen Rekordwert von 2,718 Billionen US-Dollar erreicht. Wir leben in einer Zeit gefährlich zunehmender Turbulenzen als Ausdruck zwischenimperialistischer Konkurrenzen, die durch Ausbrüche bewaffneter Zusammenstöße an wichtigen Punkten der Erde gekennzeichnet ist. Die Imperialisten lösen ihre großen Konflikte mit der massiven Zerstörung der Produktivkräfte und dem Mord an der Arbeiterklasse und der breiten Masse der Bevölkerung. Faschismus und Krieg sind zwei Seiten einer Medaille.
Die Staaten sind Dienstleister internationaler Monopole und führen die erkämpften sozialen Errungenschaften für die Kriegsfinanzierung auf die Schlachtbank. Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln: Heute spitzen sich die Widersprüche zwischen den Imperialisten immer weiter zu. Mithilfe von imperialistischen Kriegen wollen sie ihre unlösbaren ökonomischen Krisen überwinden. Für die Steigerung der Profite des Monopolkapitals verschärfen sie weltweit Ausbeutung und Unterdrückung. - Das Auftreten des Faschismus in einer »demokratischen Form« durch das bürgerliche Mehrparteiensystem ist ein Phänomen der Nachkriegszeit, das keinen historischen Vorläufer hat. Aufgrund seines scheinbar demokratischen Erscheinungsbildes ist es gleichzeitig das trügerischste. So wenn es z.B. »Wehrhaftigkeit«, »nationale Einheit«, »Kriegstüchtigkeit« fordert. Und tatsächlich hat es viele getäuscht, die versuchen, den Faschismus an seiner Form und nicht an seinem Inhalt oder seinen charakteristischen Merkmalen zu erkennen. An diesem Prozess wirken bürgerliche und liberale selbsternannte »Demokraten« mit extremen Rechten zusammen. Die Faschisierung der Gesellschaft nach innen wird mit der Seite des imperialistischen Kriegs nach außen quasi »schleichend« und scheinbar im Rahmen der bürgerlichen Demokratie durchgesetzt. Diese Entwicklung wurde auch unter der Charakterisierung »moderner Faschismus« diskutiert.
- Die heutigen Zeiten drängen nach einer Konferenz der Kräfte, die in aller Konsequenz gegen die aktuellen Raubkriege und gegen einen Dritten Weltkrieg kämpfen. Kräfte, die jede Art der Verteidigung eines imperialistischen Krieges oder Friedens, der Vaterlandsverteidigung und Burgfriedenspolitik, der Rechtfertigung imperialistischer Politik konsequent ablehnen.
- Wie die Geschichte dieses Mal ausgeht, wird davon abhängen, ob sich die Lohnabhängigen die Anliegen der Nation erneut um den Preis eines Weltkriegs zu eigen machen und die dafür verlangten Opfer – materiell wie geistig – erbringen. Oder ob sie sich anders besinnen. Auch wenn es stimmt, dass Faschismus und Konservatismus weltweit an Boden gewinnen, so ist auch wahr, dass es ein Erwachen des demokratischen und revolutionären Gefühls mit immer klareren fortschrittlichen Nuancen gibt. Die Unzufriedenheit wächst in den Tentakeln des Monsters selbst. Der Silberstreif am Horizont ist die Herausbildung des Widerstands der Bevölkerung.
- Die Trump-Kapitalisten verwandeln die USA rasch in einen militarisierten faschistischen Polizeistaat. Dies sind Konsequenzen des Imperialismus, egal, ob die Präsidenten z.B. Trump, Biden oder Obama heißen. Angesichts dieser Entwicklungen in der ganzen Welt muss die Gefahr eines Weltkriegs sehr ernst genommen werden. Das mögliche Ergebnis ist ein Atomkrieg, der die Zivilisation zerstören und einen »nuklearen Winter« auslösen wird, der zur Auslöschung des Lebens auf der Erde führt.
- Militarisierung ist untrennbar mit Umweltzerstörung verbunden. Die Ausbeutung von Arbeiterinnen und Arbeitern und die Zerstörung der Umwelt sind zwei Seiten derselben Medaille. Der Schutz der Umwelt ist nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein humanitäres, ein Friedens- und ein Menschenrechtsanliegen. Umwelt- und Friedensbewegung müssen zu einer gemeinsamen internationalen Kampffront zusammenfinden.
- Imperialistische Kriege zerstören die Zukunft, besonders die Zukunft der Jugend. Eine Verpflichtung bei der Armee ist keine Perspektive für die Jugend! Der antimilitaristische Kampf der Jugend entwickelt sich, muss aber noch intensiviert werden. Die älteren Kolleginnen und Kollegen sind verpflichtet, den gemeinsamen Kampf von Jung und Alt für eine Gesellschaft ohne kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung im Sinne der Zukunft der Jugend zu verschärfen.
- Frauen sind doppelt betroffen von der Last des Krieges, sei es durch den Verlust von Angehörigen, die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage oder die Bedrohung, der sie ausgesetzt sind.
- Der imperialistische Krieg ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt: von den Thinktanks der extremen Rechten über alle bürgerlichen Parteien bis in die Werkshallen. Von den Nachrichtensendungen über Social Media bis in die Unis, Berufs-, Grundschulen und Kindergärten. Von der Militärübung über die Kriegsvorbereitung der Krankenhäuser im Rahmen zivil militärischer Zusammenarbeit bis zur Steuer- und Haushaltspolitik. Wir müssen uns gegen die allgemeine Tendenz der Aufrüstungspolitik, die Kriegspsychologie und reaktionäre Ideologien wehren. Alle Friedensbeteuerungen der imperialistischen Mächte sind Lügen. Immer wenn sie von Frieden sprechen, wissen wir: sie bereiten neue ungerechte Kriege vor.
- Heute hat der Sozialchauvinismus Hochkonjunktur. Aber ein Proletariat, das sich auch nur mit dem kleinsten Gewaltakt »seiner« Nation gegen andere Nationen abfindet, kann nicht sozialistisch sein. Deshalb ist die Bedeutung der ideologischen und organisatorischen Abgrenzung von den Sozialchauvinisten besonders hervorzuheben. Das Klassenbewusstsein der Arbeiterinnen und Arbeiter muss gefördert werden, dass sie sich keinesfalls vor den Karren der einen oder anderen Partei des Kapitals spannen lassen. Antikommunismus, Nationalismus und (Sozial-) Chauvinismus sind zwei Seiten einer Medaille. Ihnen keine Chance! Kein Schulterschluss mit scheinbaren oder behaupteten »geopolitischen Alternativen« wie Russland, China oder BRICS oder einer angeblich friedlichen EU. Der Hauptfeind steht im eigenen Land. Arbeiter schießen nicht auf Arbeiter!
- Es gibt in einer Welt von unterschiedlichen kapitalistischen Seiten für die Arbeiterinnen und Arbeiter keine Seite, auf die sie sich stellen können. Nur die Arbeiterinnen und Arbeiter, die die große Mehrheit der Bevölkerung bilden, können den Krieg beenden. Wir fördern die internationale Arbeitereinheit! Wir brauchen internationale Zusammenschlüsse der Arbeiter zur Kooperation und Koordinierung der Kämpfe sowie eine weltweite Einheitsfront der Organisationen der Arbeiterinnen und Arbeiter gegen Krieg, Kapitalismus und Faschismus als brutalster Form von Unterdrückung jeden Widerstands, Umweltzerstörung und jede soziale Unterdrückung.
- Imperialismus bedeutet Krieg. Solange der Imperialismus und der Kapitalismus nicht weltweit beseitigt werden wird es Kriege geben. Die Ablehnung von Krieg und Faschismus darf nicht nur ein Slogan sein, den wir auf Konferenzen wiederholen, sondern muss eine moralische Verpflichtung in Wort und Tat gegenüber der Menschheit sein.
- Die unterdrückte Bevölkerung Palästinas leistet Widerstand gegen einen Völkermordkrieg. Auch in Israel gibt es eine wachsende Opposition gegen die ultrarechte Netanjahu-Regierung wegen ihrer Verschärfung des Völkermordkriegs. Wir unterstützen den Widerstand und fordern: Sofortiger und dauerhafter Waffenstillstand und vollständiger Bruch der Regierungen mit Israel; Stopp der Exporte von Waffentechnologie und von Material für doppelte Nutzung (zivil und militärisch); sofortige Freigabe der humanitären Hilfe.
- Im Ukraine-Krieg bekämpfen wir das zwischenimperialistische Gemetzel und stehen auf der Seite der Massen in der Ukraine und in Russland. Wir stellen uns weder auf die Seite der herrschenden Klasse in Russland noch der der in der Ukraine bzw. die Seite der NATO. Wir sind sowohl gegen die herrschenden Mächte in Russland als auch in der NATO. Wir betonen den Kampf gegen den Feind im eigenen Land: Unsere Seite ist die der Ausgebeuteten und Unterdrückten. Wir kämpfen für einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand.
- Wir beenden das Schweigen um die Kriege in Afrika, wie besonders im Sudan, Ostkongo oder der Westsahara und entlarven die Rolle der imperialistischen Länder und Monopole.
- Im Mittleren Osten brodelt es. Auch der Befreiungskampf im Iran braucht unsere internationalistische Unterstützung und Solidarität. Denn besonders die Arbeiter, die Frauen sowie unterdrückte nationale Minderheiten wie Kurden, Aserbaidschaner, Beluschen und arabische Menschen kämpfen unter schwierigsten Bedingungen gegen Faschismus und Kriege.
- Proteste sind eine notwendige, aber nicht ausreichende Maßnahme. Es muss eine positive Alternative ausgearbeitet werden.« Für einen neuen proletarischen Internationalismus! Es braucht ein höheres Niveau der internationalen Koordinierung! Die Grundlage ist eine eigenständige, von der herrschenden Klasse unabhängige Infrastruktur der politischen Organisationen und proletarischen Kräfte. Dabei muss jedoch die ideologische und organisatorische Selbstständigkeit jeder Organisation gewahrt bleiben. Wir brauchen praktische Schritte der internationalen Koordination und Kooperation wie gemeinsame Kampftage oder selbstständige internationale Informationsplattformen, z.B. einen Arbeiterkanal. In allen Ländern müssen breite Plattformen aufgebaut werden, die die Masse der Arbeiterinnen und Arbeiter und der Jugend sowie alle antiimperialistischen und antifaschistischen Kräfte mit den Revolutionären im Zentrum umfassen, um kämpferische Massenbewegungen gegen die Politik der bürgerlichen Regierungen, gegen kapitalistische Ausbeutung, imperialistische Kriegsmanöver, faschistische Kultur und faschistische Angriffe in allen Lebensbereichen zu organisieren. Wir müssen uns um eine globale Koordinierung solcher Bewegungen bemühen. Es ist insbesondere die Aufgabe der Revolutionärinnen und Revolutionäre, in diesen breiten Plattformen die Ausrichtung des Kampfes gegen die eigene Bourgeoisie und ihren imperialistischen Staat voranzutreiben.
- Frieden kann es nicht ohne tiefe gesellschaftliche Veränderung geben, die Schaffung einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Das ist eine schwierige Aufgabe, die mit harter Repression konfrontiert sein wird, aber die einzige, für die es sich zu kämpfen lohnt. Viele von uns teilen die Meinung, die Rosa Luxemburg vor 100 Jahren zum Ausdruck brachte: entweder Sozialismus oder Untergang in der Barbarei!
Wir bekräftigen unser gemeinsames Engagement, dafür zu arbeiten und zu kämpfen, dass das Licht über die Dunkelheit triumphiert und der Wille der Menschheit nach Freiheit und Gerechtigkeit zu einer unbesiegbaren Kraft wird.