Zum neuen Buch von Sven Plöger
Kenntnisreich - mutig - aber Schlussfolgerungen krass verharmlosend
Ein Leser aus Wilhelmshaven rezensierte für Rote Fahne News das Buch "Zieht euch warm an! Es wird noch heißer" des bekannten Metereologen Sven Plöger.
Das Thermometer zeigte 35 Grad, als ich im Urlaub das Buch von Sven Plöger zur Hand nahm.
Dem bekannten „Wetterfrosch“ gebührt großes Lob für das sehr fachkundige, kenntnisreiche und gleichzeitig gut verständliche bzw. mit Herzblut geschriebene Buch, mit dem Anspruch, dass endlich die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden. Die sehr differenziert dargelegten wissenschaftlichen Erkenntnisse auf den folgenden über 300 Seiten belegen die dramatisch anwachsende Gefahr zweifelsfrei, dass die Erde in absehbarer Zeit (er spricht von 100 Jahren) für Menschen nicht mehr bewohnbar ist, wie er gleich am Anfang betont (Seite 27).
Gleichzeitig gehört ihm das Buch um die Ohren geschlagen, denn in einer unglaublichen Naivität und Weltfremdheit hält er eisern daran fest, dass die weitgehenden und hoch dringenden Maßnahmen verwirklicht werden könnten, ohne grundlegende gesellschaftliche Veränderung. Und das, obwohl er reihenweise Beschlüsse der EU, der Bundesregierung, internationaler Gremien sowie die Machenschaften internationaler Konzerne zerpflückt, entlarvt und anprangert; wie sie entgegen aller – seit Jahrzehnten bekannter – wissenschaftlicher Erkenntnisse der Klimaforschung weiterhin die Klimakatastrophe anfeuern.
Wie ein Mann, der die komplizierten Zusammenhänge der Klimaforschung bis ins Detail kennt und der sich von den bürokratisch verklausulierten, klimafeindlichen Regierungsbeschlüssen nicht ins Bockshorn jagen lässt – wie so ein Mann die gesellschaftlichen Verhältnisse und Gesetzmäßigkeiten dermaßen unwissenschaftlich und naiv beurteilt, ist nur schwer verständlich. Erklären kann ich mir das nur dadurch, dass eine antikommunistische Grundeinstellung ihn dazu bringt, nicht einmal die Frage aufzuwerfen, geschweige denn sich an einer Antwort zu versuchen, ob sein Anliegen ohne Überwindung des Kapitalismus verwirklicht werden kann.
Es ist unmöglich, uns vor dem Untergang in einer Klima- und Umweltkatastrophe zu retten, wenn man nur die Physik der Klimaentwicklung wissenschaftlich betrachtet. Er muss ebenso die gesellschaftliche Entwicklung und deren Gesetzmäßigkeiten wissenschaftlich bearbeiten.
Beides hat das 2014 herausgegebene Buch von Stefan Engel, Redaktionsleiter des theoretischen Organs der MLPD, REVOLUTIONÄRER WEG, „Katastrophenalarm! – Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“ getan - 2023 ergänzt durch das Buch „Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen!“ Darin wird festgestellt, dass die Umweltzerstörung gesetzmäßiger Teil der kapitalistischen Produktionsweise geworden ist und nur eine sozialistische Weltgemeinschaft die bereits begonnene Umweltkatastrophe stoppen kann. So gründlich, wie Sven Plöger sein Buch erarbeitet hat, ist kaum anzunehmen, dass er diese Veröffentlichungen nicht kannte.
Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?
336 Seiten
ab 13,99 €
Plögers Buch gibt eine lehrreiche und gut verständliche Einführung in das hochkomplexe Klimageschehen – man staunt, was man heute alles weiß! Man merkt ihm die Empörung an, wenn er berichtet, dass die wesentlichen Dinge seit 40 Jahren bekannt sind. Der Frage aber, wieso daraus von Konzernen und Regierungen keinerlei wirksame Konsequenzen gezogen wurden, geht er konsequent aus dem Weg. Ebenso verwendet er stur den Begriff „Klimawandel“, der die von ihm selbst beschriebene, auf eine Katastrophe hinsteuernde Entwicklung keinesfalls richtig qualifiziert und in der Öffentlichkeit für das benutzt wird, was er so engagiert bekämpft: eine Verharmlosung der bereits begonnenen Klimakatastrophe.
Wunderbar aber, wie er die Argumente der Klimaleugner zerpflückt und unter anderem klarstellt, dass weder die „mittelalterliche Warmzeit“ noch die „kleine Eiszeit“ (1400–1850) ein Argument gegen die menschengemachte Aufheizung des Klimas ist. Es gab diese Erscheinungen tatsächlich, sie waren aber regional und niemals eine globale Erscheinung. Dasselbe gilt für die Sahara, die vor rund 5500 Jahren innerhalb weniger Jahrhunderte von einer besiedelten Savanne zur Wüste wurde. Auch auf die Entwicklung von Grönland trifft das zu. Aber die heutige, dermaßen schnelle Aufheizung des globalen Klimas gab es seit mindestens 2 Millionen Jahren nicht.
Sven Plöger hat auch den Mut, verschiedene regierungsamtliche Mythen zu widerlegen. Sehr differenziert behandelt er die CO₂-Abscheidung, Kernenergie, Kernfusion – und kommt zu dem Ergebnis, dass sie alle weder eine Brückentechnologie noch überhaupt eine Lösung sind. Auch dass Erdgas bzw. LNG als Brückentechnologie infrage kommt, kann man nach der Lektüre nicht mehr guten Gewissens behaupten.
Auch wenn Sven Plöger sich recht vorsichtig ausdrückt, kann man als Leser der Dramatik kaum entrinnen. So schreibt er, dass „bei ungebremst fortschreitender Erwärmung die Grenzen der Anpassungsfähigkeit unserer Zivilisation“ weit überschritten werden. (Seite 236) Und im Gastbeitrag spricht Eckart von Hirschhausen von „einem Zug, der auf einen Abgrund zurast“ (Seite 357). Bei jeder Frage, die Plöger behandelt: Permafrost, Schmelzen der Pole, Regenwälder, Meere, Moore, Bitcoins, Holzpellets, E-Autos, Kreuzfahrtschiffe, Ernährung, Urlaubsflüge, usw. usf. – führt er dem Leser die bedrohliche Entwicklung eindrücklich vor Augen, wenn er auch den Begriff „Klimakatastrophe“ oder gar „Umweltkatastrophe“ keinesfalls in den Mund nimmt.
Und doch bleibt man zum Schluss ratlos. Denn ein charakteristischer Widerspruch durchzieht das ganze Buch. Von Beginn an bringt er nicht enden wollende Vorschläge, was man im persönlichen Leben ändern kann und ändern soll, um den CO₂-Ausstoß zu reduzieren. Gleichzeitig beschreibt er, wie internationale Industriekonzerne und Handelskonzerne sowie staatliche Institutionen völlig unbeeindruckt von den wissenschaftlichen Erkenntnissen und der drohenden Gefahr den CO₂-Ausstoß steigern statt ihn zu verringern und das Klima weiter bedrohlich aufheizen – und damit alles gut gemeinte klimaschützendes Verhalten im privaten Leben weitgehend zunichte machen. Er verschweigt nicht, dass der Antrieb dabei die horrenden Gewinne sind.
Eins seiner Beispiele: Wegen der sehr bedeutenden Rolle der Moore für die Entwicklung des Weltklimas ruft Plöger dazu auf, im Supermarkt torffreie Erde zu kaufen. Warum aber überhaupt in Supermärkten noch Torf verkauft werden darf – diese Frage stellt Plöger nicht. Dann aber berichtet er, dass im Kongo die weltgrößten Moore entdeckt wurden, die es unbedingt zu schützen gilt. „Unseligerweise werden bereits Konzessionen für Holzeinschlag, Palmölplantagen und Ölförderung verhandelt.“ Und die Vergabe von illegalen Einschlaglizenzen an chinesische Firmen ist bereits im Gange. (Seite 274)
Ja, verdammt noch mal, warum bleibt Plöger bei Vorschlägen für das – sicher zu begrüßende – persönliche Verhalten stehen und ruft nicht zum Widerstand gegen diese internationalen Konzerne auf? Warum braucht er 192 Seiten, bis er endlich mal von „den Zwängen unseres kapitalistischen Wirtschaftssystems“ spricht, obwohl diese selbst in seinem Buch von Anfang an unübersehbar sind? Und warum analysiert er messerscharf, dass der Emissionshandel wirkungslos und mit einer Reihe von Ausnahmen sogar schädlich ist, benennt ihn aber nicht als das, was er ist: eine Ausgeburt der kapitalistischen Geschäftemacherei, bei der man mit dem Verkauf von Klimavergiftung sogar noch Profit machen kann?
Ein wenig dämmert es Plöger und seinem Freund und Gastautor Hirschhausen, dass es mit den individuellen Änderungen nicht getan ist. „Und wieder führt die Beweisspur zum Geld“, heißt es beim Torfabbau (Seite 278). Und Hirschhausen: „Was ich auch gelernt habe: Nur bei sich selber anzufangen, reicht nicht. Klar kann ich weniger Fleisch essen und mehr Rad fahren … Aber der größte und wirksamste Hebel sind gute Gesetze, die neue Rahmenbedingungen für alle bringen.“ (Seite 356) Warum es diese nicht schon längst gibt, das beantwortet er aber nicht.
In meinen Augen muss man sich alle Erkenntnisse, die Plöger so kenntnisreich darlegt, zu eigen machen. Kritisch gelesen liefert es viele Fakten und Argumente für einen wirkungsvollen Umweltkampf. Aber die Menschheit darf sich keinesfalls von der auch von Plöger so wortreich verbreiteten Illusion ausbremsen lassen, sich auf Änderungen im persönlichen Umfeld zu beschränken. Das kapitalistische, das imperialistische Weltsystem muss zugunsten einer Gesellschaftsordnung überwunden werden, in der die Einheit von Mensch und Natur die Grundlage ist. Das kann nur ein echter Sozialismus, die vereinigten sozialistischen Staaten der Welt sein, wofür wir schon heute eintreten und kämpfen müssen. Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen nicht in einer globalen Umweltkatastrophe untergehen wollen und die notwendigen revolutionären Veränderungen durchkämpfen werden.