München
Deutsche Automonopole blasen zum Angriff - auf Konkurrenz, Belegschaften und Umwelt
Heute beginnt in München die Internationale Automobilausstellung (IAA). Vornehm heißt sie jetzt "IAA Mobility". Das Medienecho ist gewaltig, auch international. Keine Zeitung von Rang und Namen, die nicht mindestens fünf Artikel dazu bringt, mehrseitige großformatige Beilagen sind keine Ausnahme.
Schließlich geht es um nichts weniger als das "Schicksalsjahr der deutschen Autoindustrie" (Neue Züricher Zeitung). Das finde zwar erst 2026 statt, aber die Weichen dafür würden heuer in München auf der IAA gestellt. Das Ganze ist ein Riesenspektakel. Die ganze Stadt muss dafür als Bühne herhalten. Zahlreiche öffentliche Plätze dienen als publikumswirksames Ausstellungsgelände. Um sich einen umweltfreundlichen Anstrich zu geben, gibt es auch E-Bikes und -Roller zum Ausleihen. Zu Beginn der IAA wurde bekanntgemacht, dass sie die nächsten sechs Jahre weiterhin in München stattfinden werde, der Vertrag ist unterzeichnet.
Deutsche Autohersteller deutlich zurückgefallen
Die diesjährige IAA steht im Zeichen von verschärftem Konkurrenzkampf und weiter krisenhafter Wirtschaftsentwicklung. Die Umstellung auf Elektromobilität und Digitalisierung hat jeweils den Charakter einer Strukturkrise. In einem Jahr wurden 51.500 Arbeitsplätze in der deutschen Automobilindustrie vernichtet. Im ersten Halbjahr 2025 sanken die Gewinne aller deutschen Premiumhersteller. Der Marktanteil der BRD-Automonopole in China, USA und EU ist unter 20 Prozent gesunken. Am Weltmarkt war ihr Anteil 2020 19,7 Prozent und liegt heute bei 17,5 Prozent. Die chinesischen Konzerne liegen bei E-Autos eindeutig vorne. 116 von 748 Ausstellern auf der IAA kommen aus China. Die deutschen Monopole können auf den chinesischen Markt nicht verzichten, wenn sie auf dem Weltmarkt weiter mitspielen wollen.
Umweltauflagen sollen aus dem Weg geräumt werden
Auf diesem Hintergrund wird dazu aufgerufen, alle umweltpolitischen Hindernisse zu fällen, Verbrenner-Aus und Klimaziele zu kippen. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder fordert dies in einem Zehn-Punkte-Plan: "Unrealistische CO2-Ziele zu überarbeiten" und das "geplante Ende des Verbrenner-Motors nach 2035 zu kippen". Die Grünen zeigen sich "flexibel", im Klartext prinzipienlos. Fraktionschefin Katahrina Dröge: "Ob ein Jahr früher oder später, das ist nicht die Frage." Hildegard Müller, Vorsitzende des Verbands der Automobilindustrie (VDA): Die deutschen Hersteller haben ihre Aufgaben gemacht, es brauche nun konkrete Schritte, um die "Standortbedingungen" zu verbessern; wichtigste Forderung auch hier: Kein Verbrenner-Aus! Brav lädt Bundeskanzler Friedrich Merz, der heute die IAA eröffnete, zu einem Autogipfel ein. Sie wollen den Verbrenner auch für ihren Konkurrenzkampf auf dem amerikanischen Markt. Trump hat die Förderung für E-Autos gestrichen - Verbrenner sollen mit 3000 Dollar entlastet werden. Die Öl- und Gas-Konzerne reiben sich die Hände!
Deutsche Autohersteller fahren zweigleisig
Sie setzen weiter auf Verbrenner und gleichzeitig auf E-Autos. Auf dem Massenmarkt will VW ein E-Auto für 27.000 Euro, später soll es sogar nur 20.000 Euro kosten, auf den Markt bringen, um gegen die Chinesen anzukämpfen. Das ist eine Ansage von VW-Chef Oliver Blume. Offensichtlich fällt den deutschen Autoherstellern ihre jahrelange SUV- und Luxus-Strategie auf die Füße. Hier wird pro Fahrzeug der größte Profit gemacht. Das Modell, das Blume als neuen Käfer anpreist, trägt den Arbeitstitel ID. Every1. Chinesische Hersteller, aber auch Renault oder Hyundai bieten bereits E-Autos für unter 25 000 Euro an. Blume spricht auf der IAA dementsprechend viel über „affordable mobility“, bezahlbare Mobilität. Der Markt für vollelektrische Kleinwagen habe ein „riesiges Potenzial“, er werde in Europa nach 2030 etwa viermal so groß sein wie jetzt. Der VW-Konzern ist in Europa nach eigenen Angaben Marktführer bei E-Autos, 28 Prozent Marktanteil.
Die Autoarbeiterinnen und -arbeiter sind herausgefordert, gegen die Abwälzung der Krisenlasten, für Arbeitsplätze UND Umwelt zu kämpfen. Die 3. Internationale Automobilarbeiterkonferenz im November im indischen Pune ist von herausragender Bedeutung, die Kämpfe weltweit zu koordinieren und zu führen und sich nicht mit Standortchauvinismus vor den Karren der Monopole spannen zu lassen.
Proteste schon vor der Eröffnung - am Samstag Großdemo #noiaa
Bereits vor der offiziellen Eröffnung der IAA gab es Proteste: Aktivisten versenkten im Messe-See einen "Autosaurus" und enthüllten Transparente mit der Aufschrift: "Bus und Bahn statt Autowahn.“ In einem Münchner Park findet während der IAA-Woche ein Protestcamp statt, am Samstag gibt es eine große Protestdemonstration. Messeleitung und Staatsapparat geben sich bisher zurückhaltend. Ganz im Unterschied zu 2023: Damals ging die Polizei rabiat gegen Anti-IAA-Proteste vor, 14 junge Leute, die bei Straßenblockaden dabei waren, wurden in Präventionshaft genommen. Bundesweite Protestdemonstrationen erkämpften ihre Freilassung.
Sackgasse Individualverkehr
Bei den zahlreichen Protesten und kritischen Veranstaltungen zur IAA suchen Aktivisten und Aktivistinnen der Umweltgewerkschaft und der MLPD die Auseinandersetzung auch über die Alternativen zum Individualverkehr, der in einer Sackgasse steckt. Alle großsprecherischen "Innovationen" wie zum Beispiel Entwicklungen des Autonomen Fahrens helfen da nicht heraus. Sie führen letztlich nur dazu, dass noch größere Mengen an Fahrzeugen über die Autobahnen und durch die Städte geschleust werden, die Umwelt vergiften, für Chaos sorgen. Das ist die vielgelobte Innovationskraft des Kapitalismus! In Wahrheit doch durch und durch rückwärtsgerichtet.
Wie in einem Brennglas wird hier deutlich, dass unter der Herrschaft des Finanzkapitals die technologischen und Produktivitätsfortschritte sich in Destruktivkräfte verwandeln. Wenn das Verbrenner-Aus durchgesetzt werden kann, reduziert dies unbestritten den Materialbedarf und den CO2-Ausstoß. Aber die Gewinnung von Lithium für die Batterien beruht auf zerstörerischen Verfahren. Arbeiter-, Umwelt- und antiimperialistische Bewegung müssen an einem Strang ziehen: Sich für ein ökologisch verträgliches, massentaugliches und individuell nutzbares Verkehrssystem einsetzen, für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und für Ersatzarbeitsplätze gegen die Arbeitsplatzvernichtung und gegen die Ausplünderung der rohstoffreichen und gleichzeitig armen Länder. Die IAA ist eine Steilvorlage, um sich über die sozialistische Perspektive auseinanderzusetzen und Mitkämpferinnen und Mitkämpfer dafür zu gewinnen.