Briefwechsel
„Der Begriff ‚Sozialstaat‘ ist grundsätzlich nicht richtig“
Zur Korrespondenz „Bundesregierung – Friede nach dem Koalitionsausschuss?“, die am 4. September auf Rote Fahne News erschienen ist, kritisiert ein Leser die Verwendung des Begriffs "Sozialstaat". Er schreibt:
Lebenslüge Sozialstaat
Mit Interesse las ich … auf Rote Fahne News die Korrespondenz „Bundesregierung – Friede nach dem Koalitionsausschuss?“ und möchte auf einen grundsätzlichen Fehler darin hinweisen. Es heißt darin: „Merz hatte den Sozialstaat als 'nicht mehr finanzierbar' zum Abschuss freigegeben“. Der Begriff Sozialstaat ist grundsätzlich nicht richtig. Er ist gerade eine der Lebenslügen, mit denen Monopole und Massenmedien im Denken der Massen die Illusion verankern wollen und sollen, der bürgerliche Staat sei ihr Staat.
Im 1995 erschienenen Buch von Stefan Engel „Der Kampf um die Denkweise in der Arbeiterbewegung“ wird dazu treffend ausgeführt: „Die Lebenslüge Nr. 2 ist die vom `Sozialstaat`, der angeblich die Aufgabe hat, einen 'Interessenausgleich' und einen 'sozialfriedlichen' Umgang miteinander zu gewährleisten. In Wahrheit greift Existenzunsicherheit um sich. Längst muß man um seine Gesundheitsversorgung bangen, wird offen die Rentenzahlung infrage gestellt. Heute muss ein Arbeiter im Durchschnitt schon fast zwei Drittel von jeder brutto verdienten Mark durch direkte und indirekte Steuern und Abgaben an den Staat abführen. Unter dem Deckmantel der Schaffung von Arbeitsplätzen wird die Monopolproduktion mit dreistelligen Milliardensummen subventioniert, finanziert durch eine gigantische Umverteilung des Nationaleinkommens zu Lasten der Werktätigen. Einen über den Klassen stehenden 'Sozialstaat' gibt es nicht. Der Staat ist vielmehr das Herrschaftsinstrument der Monopole.“ (S. 51–52).
Mit der Hochrüstung zur Weltkriegsvorbereitung wird diese Entwicklung noch drastischer. Freilich hat das Märchen vom angeblichen Sozialstaat erheblich an Wirkung verloren. Neben dem Abbau sozialer Errungenschaften ist dies maßgeblich auf bewusstseinsbildende Kleinarbeit der MLPD über diese Lebenslüge zurückzuführen. Diese muss noch weiter intensiviert und – für die Arbeiteroffensive – muss die revolutionäre Arbeiterpartei MLPD mitgliedermäßig erheblich gestärkt werden.
Wie heißt es doch so schön in Goethes Faust: „Ich halt es wenigstens für reichlichen Gewinn, Daß ich nicht Kaiser oder Kanzler bin.“ Denn schließlich ist sonnenklar, dass auch Merz den heutigen Staat nicht „zum Abschuss freigeben“ wird. Die revolutionäre Überwindung dieses kapitalistischen Staats obliegt dereinst der revolutionären Arbeiterbewegung, die nach der siegreichen Revolution ihren Staat, die Diktatur des Proletariats, errichten wird, einen Sozialstaat, der diesen Namen verdient. Solidarische Grüße
Antwort des Autoren
Lieber J., vielen Dank für deine Kritik am Artikel. Du weist völlig zu Recht darauf hin, dass der Sozialstaat eine der kapitalistischen Lebenslügen ist. Nun ging es in dem Artikel ja aber um den Streit zwischen Merz und Bas, die beide diesen Begriff verwenden. Es war auch ersichtlich, dass sich die Aussage auf ein Zitat von Merz bezog. Es wäre aber richtig gewesen, darauf zu verweisen, dass schon der Begriff Sozialstaat Teil der Meinungsmanipulation ist. Du hast also einen berechtigten Punkt mit deiner Kritik. In ihrer Schärfe finde ich sie allerdings etwas überzogen, weil es wie gesagt ein Zitat von Merz war und nicht Rote Fahne News den Begriff Sozialstaat propagiert hat.
Ich nehme vor allem den Hinweis mit, dass wir bei dem Richtungsstreit unter den Herrschenden nie darauf verfallen dürfen, die bürgerliche liberale Seite, die noch stärker auf Dämpfung setzt, auch nur in ihren Begrifflichkeiten zu unterstützen angesichts der zunehmend harten Angriffe von noch weiter rechts. Herzliche Grüße