Betriebsversammlung bei VW Wolfsburg
VW Wolfsburg: Vorstands-Show versus Unzufriedenheit der Belegschaft
Gestern, am 2. September, war Betriebsversammlung bei VW Wolfsburg, wie immer in Halle 11. Der Vorstand sprach mit vielen Phrasen zum neuen „Strategie-Zielbild“ genannt „Boost2023“ – damit wolle VW der technologisch führende Volumenhersteller werden. Genaues erfuhr man nicht.
Heute finden dazu in der gleichen Halle auf jeder Schicht Infoveranstaltungen des Vorstands statt – die Kollegen mussten sich persönlich anmelden und eine Geheimhaltungsvereinbarung unterschreiben! Das gab es noch nie. Im Einladungsschreiben des Vorstands dazu heißt es: „Volkswagen steht vor dem aufregendsten Kapitel seiner Geschichte. Die kommenden Jahre werden nicht nur darüber entscheiden, wer wir – also das Werk Wolfsburg – sind, sondern wer wir werden wollen: ein starkes, innovatives und zukunftsfähiges Werk“.
Für diese Show-Veranstaltungen steht auf jeder Schicht die Produktion ca. 2 – 3 Stunden . „Dafür dürfen wir dann wieder Sonderschichten am Wochenende fahren“, meinte ein Kollege.
Auf der Betriebsversammlung wurde mit großem Tamtam das neue Modell ID.2all vorgestellt, das als Einstiegsmodell in die eMobilität unter 25.000 Euro kosten soll. Dass es in Wolfsburg als erstes vorgestellt wurde, beurteilte die BR-Vorsitzende Cavallo als „große Wertschätzung in Richtung Belegschaft.“ Ein Kollege lapidar dazu: „Jetzt machen die hier so eine Show, aber produziert werden wird es in einem Niedriglohnstandort.“
Im Gegensatz zum Versuch des Vorstands, gute Stimmung zu machen und die Kollegen wieder auf ein „WIR“ einzuschwören, standen die meisten der 15 Redebeiträge in der Aussprache. Es gab viel Kritik am Vorstand und eine enorme Unzufriedenheit kam zum Ausdruck. Mehrere Arbeiter und auch Ingenieure bemängelten, dass an Wartung und Instandhaltung gespart wird, sich Anlagenprobleme häufen. Ein Kollege sinngemäß: Da wird man zu Sonderschichten und Mehrarbeit verdonnert, kommt am Wochenende rein, kann nicht arbeiten, steht dumm rum. Und dann wird auf uns Druck gemacht, dass die Stückzahlen nicht stimmen.
Kritisiert wurde, dass der Vorstand der Belegschaft hohe Fehlzeiten und Krankenstände vorwirft, aber die Ursache liegt in den immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen. Kritik gab es, dass für Vorstands-Events ein Haufen Geld ausgegeben wird, aber auf die Belegschaft Druck gemacht wird. Ein Montagearbeiter sprach dazu, dass es Klassenunterschiede gibt und man die Dinge „nicht neutral betrachten“ kann. Einer aus der technischen Entwicklung machte in seinem Redebeitrag ein Ranking zu allen Vorstandsmitgliedern – dabei kam nur einer relativ gut weg. Das zeigt den abnehmenden Respekt vor diesen Herren.
Auch die Betriebsrats-Wahl spielte eine Rolle. Ein Kollege sprach gegen die Bestrebungen des faschistischen Zentrums Automobil, bei VW Fuß zu fassen. Er habe auch Kritik am Tarifabschluss und dass im Januar nicht weitergekämpft wurde, aber das Zentrum steht nicht für eine kämpferische Richtung, sondern im Gegenteil für die faschistische Volksgemeinschafts-Ideologie – nicht für die internationale Arbeitereinheit, sondern für die Einheit der Arbeiter mit „ihren“ Kapitalisten.
Gesprochen wurde zur Umstellung auf Kriegswirtschaft und der Propaganda „Rüstung sichert Arbeitsplätze.“ Wir wollen nicht Dinge produzieren, mit denen in anderen Ländern Kollegen getötet werden und wir dürfen uns nicht für die Kriegsvorbereitung einspannen lassen. Ein anderer kritisierte die Ausgabenpolitik der Bundesregierung – Milliarden für Rüstung und Krieg und auf der anderen Seite Abbau der sozialen Errungenschaften.
So weit erste Eindrücke. Demnächst mehr, auch zu den „Boost2030“-Veranstaltungen. Mit der Betriebsversammlung ist es nicht gelungen, den Unmut der Belegschaft zu besänftigen. Deutlich wurde ein Misstrauen in den Vorstand und die Erwartung neuer Angriffe spätestens im Dezember.
Das vor uns stehende „aufregendste Kapitel“ der VW-Geschichte könnte anders ausfallen, als der Vorstand es sich wünscht.