Hattingen

Hattingen

"Verbrannte Erde" – auch bei der Thyssen-Henrichshütte

Die Politik der "verbrannten Erde" ist keineswegs auf die Ruhrkohle-AG bzw. RAG-Stiftung beschränkt. Auch der Thyssen-Konzern, heute tkse (thyssen-krupp-steel-europe), fuhr und fährt im Ruhrgebiet den gleichen Kurs.

Von jf
"Verbrannte Erde" – auch bei der Thyssen-Henrichshütte
Die Henrichshütte in den 1930er-Jahren (foto: Wilhelm Walther (CC BY-SA 4.0))

Diese „verbrannte Erde“ beginnt bei uns kurz vor der Haustür. Warum ist das so – auch im Widerspruch zur schönen und gern von nah und fern besuchten Ruhrtal-Landschaft?

 

Die Henrichshütte – 1857 fertiggestellt¹ - wurde binnen 150 Jahren nach dem Über-Monopol Krupp in Essen zu einem der großen Eisen- und Stahlhersteller bzw. -verarbeiter an der Ruhr. Auf ihrem Höhepunkt hatte sie 10.000 Arbeiter und Angestellte. Hier „brummte“ im Ersten und v. a. im Zweiten Weltkrieg die Kriegsproduktion.

 

Noch 1940 wurde ein neuer, der dritte Hochofen der Hütte angeblasen. Bei Antritt der Hitler-Faschisten 1933 umfasste die Belegschaft knapp 1.500 Stahlarbeiter und Angestellte. Bis 1939 wurde dies auf ca. 10.000 gesteigert. Die Produktionspalette umfasste die Eisen- und Stahlproduktion, mehrere Walzstraßen und riesige Bearbeitungswerkstätten, all das zur Herstellung von Panzerblechen, Panzergehäusen, Geschützrohren usw. Auch der Bau von Lokomotiventeilen und riesigen Kurbelwellen für den Schiffsbau lief im Rahmen der Rüstung.


Die Verlegung großer Teile der männlichen Belegschaft an die Fronten des Weltkriegs wurde mit zwei Maßnahmen „beantwortet“: Frauen wurden in die Produktion geschickt, und zusammen mit fast 10.000 ausländischen Arbeitern, besonders Kriegsgefangenen aus halb Europa, v. a. aus den Republiken der UdSSR, in die Produktion gezwungen.²


Völlig entrechtet, durften Letztere bei Bombenalarm nicht einmal die vorhandenen Luftschutzstollen auf der Hütte benutzen. Die faschistische Gestapo errichtete noch 1943 ein „Auffanglager“ auf der Hütte mit brutalster Unterdrückung und schärfster Zwangsarbeit.³ Die Stadt Hattingen war übersät mit provisorischen Zwangsarbeiter-Unterkünften und -Baracken.

 

Die Nachkriegsjahrzehnte in der Bundesrepublik als „Ruhrstahl-AG“, später „Thyssen-Henrichsütte“, brachten insofern keinen grundlegenden Wandel, als die Stahlproduktion für die Rüstungsindustrie weiter eine große Rolle spielte: Bleche für den Leopard-Panzer, Bleche auch für die Kuppeln der ersten Atomkraftwerke usw. 1960 wurde sogar das Ruhrbett auf Kosten der Allgemeinheit verlegt, damit die Ruhrstahl AG ca. 50 ha zusätzliche Industriefläche bekam.⁴

„Rheinstahl an der Ruhr“

So kann durchaus der aktuelle Boom des internationalen Rüstungsmonopols „Rheinstahl“ mit dem der Henrichshütte verglichen werden. Auch der „Abgang“ der Thyssen-Henrichshütte 1987 aus Hattingen spricht Bände. Das über 150 Jahre lang verseuchte Hüttengelände wurde von der landeseigenen LEG (Landesentwicklungsgesellschaft NRW) von Thyssen abgekauft – für geschätzte, aber nicht veröffentlichte 30 Millionen DM. Die jahrelangen Maßnahmen zur „Sanierung“ der bis in drei Stockwerke Tiefe hochgradig vergifteten Böden wurden damit auch der öffentlichen Finanzierung aufgehalst. 106 Millionen DM, ebenfalls öffentliche Gelder, wurden für die Nutzbarmachung der Brache eingesetzt.⁵


So kann nicht nur bei der RAG-Stiftung, sondern auch bei der Thyssen-Krupp AG davon gesprochen werden, dass diese nach 150 Jahren „Nutzung“ in Hattingen eine "verbrannte Erde" hinterlassen hat. Selbst wenn sich seitdem auf den „gereinigten“ Flächen an der Ruhr einige Firmen niederlassen konnten.