Absurde Blüte des modernen Antikommunismus

Absurde Blüte des modernen Antikommunismus

Wer fühlt sich "verletzt" von einem Lenin-Denkmal?

Schon mal was von Evelyn Zupke gehört? Wahrscheinlich nicht. Ihre Tätigkeit spielt sich in der Regel wohl eher abseits der Öffentlichkeit in einer Amtsstube ab.

Von gis
Wer fühlt sich "verletzt" von einem Lenin-Denkmal?
Marx als Statue neben der Lenin-Statue vor der Horster Mitte / dem Willi-Dickhut-Haus in Gelsenkirchen. Hier ein Bild von der Statuen-Enthüllung mit Stefan Engel, Gabi Fechtner und dem Künstler Rainer Günther (rf-foto)

Evelyn Zupke ist seit Juni 2021 "Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur". Bundesbeauftragte sind Hilfsorgane des Deutschen Bundestags und ihm direkt unterstellt. Sie beraten den Bundestag und seine Ausschüsse und legen dem Bundestagspräsidium jährlich einen Bericht vor.

 

Zu Zupkes Aufgaben gehört es laut Arbeitsplatzbeschreibung, "Opferrenten" zu berechnen und Zahlungen aus dem Härtefallfonds für SED-Opfer zu bewilligen. Dass Menschen, die aufgrund von Repressionen durch das bürokratisch-kapitalistische DDR-Regime physische und psychische Schäden erlitten haben, Schmerzensgeld bekommen können, ist nicht abzulehnen. Frau Zupke war in der DDR selbst in die Fänge von Staatssicherheit und Staatsanwaltschaft geraten, als sie zusammen mit anderen gegen Wahlbetrug bei Kommunalwahlen protestierte. 

Antikommunistische Öffentlichkeitsarbeit

Die Arbeitsplatzbeschreibung umfasst aber auch Öffentlichkeitsarbeit - und zwar antikommunistische: "Die SED-Opferbeauftragte hat die Aufgabe, als Ombudsperson für die Anliegen der Opfer der SED-Diktatur zu wirken und zur Würdigung der Opfer des Kommunismus in Deutschland beizutragen." Als solche hat sie in den letzten Tagen von sich reden gemacht. Und zwar in einem Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur KNA. Darin sagte sie: "Wir brauchen weniger Marx- und Lenin-Statuen in unserem Land, sondern mehr Orte der Würdigung für die Opfer". In vielen Gesprächen mit Betroffenen erlebe sie, dass die Menschen sich durch diese Stätten verletzt sähen. Mehrere größere Medien, darunter der Deutschlandfunk und die ZEIT berichteten über diesen Satz von Zupke.

Wo stehen denn all die Marx- und Lenin-Denkmäler?

Aus den "vielen Gesprächen" wird leider rein gar nichts zitiert. Da wäre als erstes die Frage: Wo stehen denn all die Marx- und Lenin-Statuen, die so viele sind, dass man sie dringend reduzieren muss? Ehrlich gesagt, ist uns nur ein Platz bekannt, wo Statuen beider Revolutionäre, von Marx und von Lenin, stehen - das ist der Platz vor dem Willi-Dickhut-Haus in Gelsenkirchen, vor der Parteizentrale der MLPD. Deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führen viele Gespräche mit Passanten, mit Gelsenkirchenern und mit Leuten, die extra hierher reisen, um die beiden Statuen und die sozialistische Gedenkstätte zu besuchen, sich zu informieren und Selfies zu machen. Da ist viel Neugierde dabei, Freude, großes Interesse an Marx, Lenin, Willi Dickhut, am Sozialismus und welche Arbeit die MLPD macht. Von verletzter Betroffenheit haben wir da mit Verlaub gesagt noch nichts gehört. Und die MLPD selbst ist nicht nur stolz auf ihre beiden Statuen, sondern darauf, dass sie beide, Marx und Lenin, in ihrem Namen trägt. Auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus zu arbeiten gibt Orientierung und Perspektive. So können wir dem wachsenden Interesse am Sozialismus, gerade unter der Jugend, hervorragend begegnen. Zwei junge Künstler würdigten die beiden Statuen mit den Worten: "Wir sind Fans der MLPD geworden, weil sie mit diesen Statuen die Freiheit der Kunst verteidigen."

Und wer sind die, die eine Lenin-Statue verletzt?

Was für Leute sind es denn, die sich durch Lenin-Statuen verletzt fühlen? Einer ist Burkhard Bley, Landesbeauftragter für die Aufarbeitung der SED-Diktatur in Mecklenburg-Vorpommern. Er beteiligte sich in Schwerin an einer antikommunistischen Aktion, bei der das dortige (riesige) Lenin-Denkmal vorübergehend verhüllt wurde. Dauerhaft wurde nichts daraus, die Verhüllung oder gar der Abbau scheiterten am Protest der Bevölkerung. Die Statue bleibt, sie ist laut einer Sprecherin der Stadt Bestandteil der Geschichte der Stadt. Ein Rohrkrepierer auch der "Gedenktag für die Opfer totalitärer Regime", zu dem der 23. August erklärt werden sollte. 

 

"Verletzt" von einer Lenin-Statue kann sich ein heutiger Kriegstreiber fühlen. Wenn er das widerliche Geschacher um einen Diktatfrieden im Ukrainekrieg vergleicht mit Lenins vorbildlicher Haltung, als er mit der siegreichen Oktoberrevolution zuerst den Ersten Weltkrieg beendete. Die Menschen bekamen, wonach sie sich am meisten sehnten, Brot und Frieden. "Verletzt" fühlen kann sich ein Antikommunist, der 2020 in Gelsenkirchen den sofortigen Baustopp forderte, als die MLPD die Lenin-Statue plante. Allerdings hauptsächlich ob der Blamage, die sie als Hetzer gegen die Lenin-Statue erlitten. Ganz Gelsenkirchen war begeistert vom weltweiten Presseecho, das die Stadt damals erlebte. "Verletzt" ist sicher, wer sich mit den 14 imperialistischen Ländern identifiziert, die die junge Sowjetunion überfielen, um sie zu zerstören (was ja nicht gelang).

Von der Lenin-Statue ermutigt fühlen sich Menschen, die den Sozialismus wollen

Lenin hasste Bürokratismus. Er war aufs Engste mit den Arbeitern und den Massen verbunden. Bürokratismus entwickelte sich im sozialistischen Aufbau zu einem Problem, dem nach Lenins Tod zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde. So kam es zur Entartung der Bürokratie, zum Verrat am Sozialismus und zur Wiederherstellung des Kapitalismus. Die MLPD hat tiefgehende Schlussfolgerungen aus dieser tragischen Entwicklung gezogen. Sie verpflichtet sich: Bei einem neuen Anlauf zum Sozialismus muss er auf der Grundlage der proletarischen Denkweise aufgebaut werden. Ein Ort, an dem darüber immer wieder lebendig und lebhaft diskutiert wird, ist vor dem Willi-Dickhut-Haus in Gelsenkirchen, in Gesellschaft von Marx und Lenin.