Polizeikessel Köln: Pressekonferenz

Polizeikessel Köln: Pressekonferenz

Gemeinsam gegen Unterdrückung des antimilitaristischen Kampfs

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hatte für heute um 10 Uhr zu einer Pressekonferenz direkt vor dem Haupteingang des Polizeipräsidiums Köln nach Köln-Kalk eingeladen.

Korrespondenz
Gemeinsam gegen Unterdrückung des antimilitaristischen Kampfs
Das Podium der Pressekonferenz (rf-foto)

Anlass waren die Unterdrückungsmaßnahmen und Einkesselung eines Teils der großen antimilitaristischen Demonstration am 30. August, die vom Kölner Friedensforum gemeinsam mit dem Aktionsbündnis „Rheinmetall entwaffnen“ organisiert war¹.

 

Britta Rabe vom Komitee für Grundrechte und Demokratie eröffnete die Pressekonferenz. Sie fasste zusammen, dass „das grundgesetzlich garantierte Recht auf Versammlungsfreiheit durch das Vorgehen der Polizei ‚zur Unkenntlichkeit verstümmelt‘ worden sei“. Der Einsatz der Polizei gegen einzelne Verstöße gegen Auflagen, die in keinem Fall die öffentliche Sicherheit gefährdeten, kennzeichnete sie als völlig unverhältnismäßig. Der letzte Vorwand für den für das brutale Eingreifen der Polizei in die Demonstration mit Schlagstöcken und Pfefferspray erwies sich als völlig haltlos: Die Kontaktbeamtinnen, insbesondere die angegriffene und angeblich verletzte Polizistin, wurden anschließend von einer Journalistin bei völliger Gesundheit angetroffen.


„Der ganze Polizeieinsatz fand wie eine selbst verwirklichende Prophezeiung statt und könnte eine Blaupause für künftige Veranstaltung werden. Deshalb wird auf jeden Fall Einsicht in die Einsatzprotokolle eingefordert, um das Ganze lückenlos aufzuklären.

 

Eberhard Reinecke, Rechtsanwalt in Köln, trug Ausschnitte der Erklärung des Republikanischen Anwaltsvereins (RAV e. V.) vor. „Dieser Polizeieinsatz war schlicht und ergreifend demokratiefeindlich. Die Auflösung der Demonstration war in keinem Fall verhältnismäßig und es bestanden nicht ansatzweise zureichende tatsächliche Gründe“, erklärt Anna Busl, Rechtsanwältin und Mitglied des RAV-Vorstands. Zu keinem Zeitpunkt sei es darum gegangen, die Versammlungsfreiheit zu gewährleisten, kritisiert Busl. „Nach dem Verbot des Protest-Camps durch die Polizei, das vom Oberverwaltungsgericht aufgehoben wurde, drängt sich der Eindruck auf, dass hier politisch unerwünschter Protest im Zweifel mit drastischen Mitteln verhindert werden sollte“, so die Rechtsanwältin.


… Statt durch Kommunikation wurde schlicht mit Gewalt agiert. … Noch bevor hierüber jedoch eine Kommunikation stattfinden konnte, rannten bereits weitere Einheiten der Bereitschaftspolizei in die Versammlung, setzten Schlagstöcke und Pfefferspray ein, traten und schlugen auf Versammlungsteilnehmer*innen ein. Die beiden Verbindungsbeamten befanden sich zu diesem Zeitpunkt im Gespräch mit der anwaltlichen Begleitung der Versammlungsleitung, was auch das Videomaterial zeigt. Dass der Grund für das Eingreifen der Bereitschaftspolizei ein Angriff auf die Verbindungsbeamten gewesen ist, wie die Polizei behauptet, ist schlicht falsch. (Hier die ganze Erklärung.)


Der Grund für dieses Vorgehen der Polizei ist seiner Einschätzung nach, dass politisch unerwünschter Protest gegen die Militarisierung mit drastischen Mitteln eingeschüchtert werden soll. Strafanzeige gegen die Polizei sei deshalb das eine, aber das reiche nicht. Das Ganze müsse politisch aufgearbeitet werden mit Konsequenzen. Die Auseinandersetzung sei aber auch ein Vorgeschmack darauf, was zu befürchten ist, wenn „Wehrfähigkeit und Kriegstüchtigkeit“ durchgesetzt werden sollen.

 

Er berichtete aus seinen langjährigen Erfahrungen, dass alle Einkesselungsfälle, die seine Kanzlei vertreten habe, die Verwaltungsgerichte im Nachhinein alle für „nicht rechtmäßig“ erklärt hätten. In dem Fall können die vom Kessel Betroffenen gegebenenfalls auch zivilrechtlich Schaden ersetzt durchkämpfen – bei der langen Dauer 200 bis 300 Euro! Sicher ein schwacher Trost.

 

Lizzy Schubert, Bundestagsabgeordnete der Linken, als parlamentarische Beobachterin bei der Demonstration, schildert eindrücklich, mit welcher Brutalität und Rücksichtslosigkeit die Polizei gegen Demonstranten und Demonstranten vorgegangen ist und jede Kommunikation mit der Demoleitung verweigert hat. Die Bedeutung der Beobachtung durch die demokratische Öffentlichkeit stellte sie an der Aussage von Polizisten heraus: „Wir müssen aufpassen, die Presse ist da.“ Außerdem wäre noch nicht mal die Versorgung mit Wasser durch die Solidarität von außerhalb des Kessels möglich gewesen. Dass Toiletten und Wasser zur Verfügung gestellt wurden, wie das in der PM der Polizei hieß, ist völlig abwegig. Wie auch die nachfolgenden Redner stellte sie die kämpferische und kulturvolle Solidarität im Kessel und um die Absperrung heraus, und auch von Anwohnern.


Jonas vom Aktionsbündnis „Rheinmetall entwaffnen“ berichtet von großem Zuspruch aus der Bevölkerung und aus der ganzen Antikriegsbewegung. „Wir kämpfen entschlossen und feiern das Leben“ – so charakterisierte er die kulturvoll geplante Demonstration als Parade – gemeinsam vom Kölner Friedensforum und „Rheinmetall entwaffnen“. Er ordnete das polizeiliche Vorgehen gegen die antimilitaristische Demonstration noch mal ein in die Militarisierung und Rechtsentwicklung der herrschenden Politik. Er berichtete von Aussagen von Polizisten gegenüber Anwohnern in der Nähe der Mechtildisstraße schon Stunden vor der Einkesselung: „Die prügeln wir heute so zusammen, dass sie nie wieder demonstrieren wollen.“

 

Peter Förster vom Kölner Friedensforum bedankte sich im Namen der Organisatoren und Betroffenen für die breite Solidarität. Das begann im und am Kessel mit kämpferischer Musik und gegenseitiger und setzt sich danach in der Öffentlichkeit und inzwischen auch international fort. Er betonte wie andere vorher, dass das Ganze politisch aufgearbeitet werden und Konsequenzen haben muss. Die persönlich Betroffenen müssen sich organisieren und können sich dazu an „Rheinmetall entwaffnen“ oder an das Kölner Friedensforum wenden. „Die Friedensbewegung hat die Zukunft – nur in Frieden kann die Menschheit weiterleben! Wir stehen für die Konsequenz aus Faschismus und Krieg – nie wieder!“

 

Eine politische Provokation ist demgegenüber, dass die CDU heute im Rat der Stadt Köln eine Resolution einbringen will, in der die bei der Demonstration von „vermeintlichen Friedensaktivisten“ ausgehende Gewalt verurteilt wird.


Für ein juristisches Vorgehen wird derzeit Material zusammengestellt. Rechtsanwalt Reinecke schätzte ein, dass angedrohte Anzeigen wegen Landfriedensbruch wahrscheinlich in sich zusammenbrechen werden. Ein wichtiger Hinweis an Betroffene: nicht ohne Not Aussagen machen und sich gegebenenfalls anwaltliche Beratung suchen.


Eine Konsequenz war, zum Ende der Pressekonferenz antimilitaristische und antifaschistische Aktivitäten in den nächsten Wochen bekanntzugeben: unter anderem eine Großdemonstration am 27. September in Hamburg gegen das Bundeswehrmanöver, eine Gaza-Solidaritätsdemo am selben Tag und die große Friedensdemonstration am 3. Oktober in Berlin.