Frankreich
Wird Bayrou-Regierung mit ihrer "Liste des Grauens" scheitern?
Am 8. September, zwei Tage vor einem riesigen Protesttag gegen die französische Regierungspolitik, wird Premierminister François Bayrou die Vertrauensfrage stellen.
Seit Bayrou im Juli seinen Haushaltsplan für 2026 vorgelegt hat, herrscht keinen Tag mehr Ruhe im Land. Die Bevölkerung ist empört und macht ihrer Empörung mit Protestaktionen, Streiks und heftigen Debatten Luft. Der Haushalt sieht drakonische Kürzungen vor mit der Begründung, dass die massive Staatsverschuldung keine anderen Möglichkeiten biete. Friedrich Merz und Lars Klingbeil spitzen die Ohren und schauen gebannt nach Frankreich: Wird Bayrou über diesen Haushalt und die geplanten Proteste stürzen? Oder kann er bisher nicht gekannte Angriffe auf die Arbeiterklasse die Massen, auf Jugend, Frauen und Migranten durchsetzen? Für den von unserer Bundesregierung geplanten "Herbst der Reformen" hat das natürlich große Bedeutung. Noch mehr aber für die Arbeiter- und Volksbewegung, auch in anderen europäischen Ländern.
Aber halt - drakonische Kürzungen in allen Bereichen? Natürlich nicht in allen: Ausgenommen bleibt alles, was mit Kriegsvorbereitung, Aufrüstung und Kriegsunterstützung zu tun hat. Macron will Frankreich wie Merz Deutschland an die vorderste Front des aggressiven EU-Imperialismus bringen. Die Aufrüstung wird mit allen Mitteln vorangetrieben. Bis 2030 soll das Rüstungsbudget im Staatshaushalt hier jährlich um drei Milliarden Euro gesteigert werden. Zusätzlich kündigte Macron weitere Militärausgaben von 6,5 Milliarden Euro für die Jahre 2026 und 2027 an. Dabei betonte er klar die französischen imperialistischen Ambitionen: „Um frei zu sein, muss man gefürchtet werden, und um gefürchtet zu werden, muss man stark sein“. Damit soll die französische Armee von aktuell 200.000 Soldaten auf 275.000 bis 2030 anwachsen. Als ein Werbemittel gilt die großangelegte jährliche Militärparade am 14. Juli: In diesem Jahr marschierten mehr als 5.600 Soldatinnen und Soldaten, begleitet von 53 militärischen Flugzeugen und 33 Helikoptern. Die Rüstung soll in Frankreich gebaut werden, darunter ein neuer Flugzeugträger für zehn Milliarden Euro.
Der französische Präsident Emmanuel Macron gibt "rote Linien" vor, die seine Regierung mit dem Haushalt nicht infrage stellen darf, sonst entlässt er sie gleich. Er gab auch deutlich zu verstehen, dass er, sollte Bayrou gestürzt werden, nicht mit ihm mit gehe. Und das sind die "roten Linien":
Es darf keine Steuererhöhungen für die Monopole, für die Reichen und Superreichen geben.
Das Renteneintrittsalter "muss" von 62 auf 64 Jahre angehoben werden. Das ist ein zentraler Bestandteil der reaktionären Politik der französischen Regierung,gegen den die Massen schon seit Jahren Sturm laufen. Bereits im Juni stand die Bayrou-Regierung deswegen kurz vor dem Sturz. Die französischen Arbeiter und Angestellten sind da rigoroser als ihre Klassenbrüder und -schwestern in Deutschland. Hände weg von unseren Renten, wir wollen ein Leben nach der Arbeit - so erschallt es landauf landab. Selbst Azubis und Studierende machen bei den Protesten gegen eine regierungsamtliche "Rentenreform" im Interesse der französischen Monopole schon mit.
Kein Wunder, dass ein Angriff auf ganz besondere Empörung stößt: Die Regierung will zwei Feiertage streichen und sie zu Arbeitstagen machen! Und ausgerechnet den 8. Mai, den Jahrestag des Siegs überden Hitlerfaschismus.
Ablehnung auch gegenüber dem Regierungsplan, über die Arbeitslosenversicherung neu zu verhandeln. Sie wurde in den letzten Jahren bereits vier Mal neu verhandelt mit immer neuen Verschlechterungen. So soll jetzt die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes weiter verkürzt werden, damit "Anreize geschaffen werden, dass die Leute sich Arbeit suchen". Bereits in seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2022 ließ Emmanuel Macron die Höhe des Arbeitslosengeldes drastisch senken und den Zugang dazu verschlechtern. Jetzt kündigte er weitere Angriffe auf die "assurances chomages" an. Darunter: Wer Sozialleistungen bezieht, soll 15 Stunden in der Woche arbeiten, sonst werden die Sozialleistungen sukzessive gestrichen. Angedroht wird also Zwangsarbeit!
Unter der "Modernisierung des Arbeitsmarkts" versteht Catherine Vautrin, Ministerin für Arbeit und Gesundheit, unter anderem Ausdehnung der Zeit- und Leiharbeit, umfassende Flexibilisierung der Arbeitszeit und die Auflösung fester vertraglicher tarifgebundener Arbeitsverhältnisse.
Vautrin legt einen besonderen Schwerpunkt auf umfassende Kürzungen im Gesundheitswesen. Dort will sie 5,5 Milliarden Euro "einsparen". So soll die Eigenbeteiligung bei medizinischen Leistungen von 50 Euro auf 100 Euro im Jahr ansteigen. Das hätte zur Folge, dass viele Menschen sich ihre bisherige Gesundheitsversorgung nicht mehr leisten könnten, insbesondere wenn es gleichzeitig Lohnkürzungen und Einschnitte beim Äquivalent des "Bürgergelds" gibt. Die Ministerin bläst zum Angriff auf die Kranken: Mehr als 50 Prozent der Krankschreibungen von 18 Monaten sei nicht gerechtfertigt. Sie muss es ja wissen, wie es einer krebskranken Frau mit Chemo und Schmerzen geht oder einem Arbeiter, der durch Schwerstarbeit seinen Rücken ruiniert hat und schlicht und einfach nicht arbeiten kann! Erst-Krankschreibungen müssten auf 15 Tage beschränkt werden, Karenztage von bis zu sieben Tagen sollen eingeführt werden. Die Hetze gegen Kranke, die Vautrin von sich gibt, ist unglaublich. Man müsse gegen "medizinischen Nomadismus" vorgehen, der sich in Frankreich breit gemacht habe.
Der Generalangriff der französischen Regierung auf Arbeiter und Arbeiterinnen, Angestellte, Arbeitslose und Kranke lässt nichts aus!
Widerstand formiert sich. Gewerkschaften, linke Parteien - darunter auch ICOR-Mitglied Union Prolétarienne Marxiste Leniniste -, Arbeitsloseninitiativen, Studierendenverbände, Umweltorganisationen etc. planen für den 10. September einen Protest- und Streiktag, der das ganze Land lahmlegen soll. Die linksreformistische LFI (La France Insoumise) ruft zum Generalstreik auf. Klare Kante zeigen muss die Protestbewegung gegen Faschisten. Protest ist links!