Kabinettsbeschluss
Wehrpflicht auf Raten?
Da war schon klar, wo die Reise hingeht: zum ersten Mal seit 19 Jahren tagte das Bundeskabinett im Verteidigungsministerium. Mit dabei war der Oberbefehlshaber der Nato-Truppen in Europa (Supreme Allied Commander Europe, kurz SACEUR), US-General Alexus Grynkewich. Der weitreichendste Beschluss war die Gründung des ersten Nationalen Sicherheitsrats in der Geschichte der Bundesrepublik, der regelmäßig zur Außen und SIcherheitspolitik geheim tagen soll. In diesem Zusammenhang beschloss das Kabinett auch das Gesetz zur Einführung des neuen Wehrdienstes.
In diesem Gesetzesentwurf ist ab 2026 die „Wehrerfassung“ junger Männer enthalten, die aber auf Freiwilligkeit beruhen soll. Zur Wehrerfassung müssen männliche Jugendliche in einem Fragebogen angeben neben diversen weiteren Fragen beantworten, ob sie zum Wehrdienst bereit und fähig sein. Ab 2027 ist dann die Musterung schon wieder verpflichtend – und da kann man sich ausrechnen, wann die „verpflichtende Wehrpflicht“ wieder da ist. Weibliche Jugendliche dürfen an der Wehrerfassung teilnehmen, wenn sie wollen.
Manchen in der Union geht auch das nicht weit genug. „Wir haben einen Fehler gemacht. Im Februar haben wir versäumt, die Grundgesetzänderung auch auf Frauen auszudehnen und eine Wehrpflicht wieder einzuführen.“ erklärte Oberst a.D. („außer Dienst“) Roderich Kiesewetter (CDU) heute morgen im WELT-Interview. Wehrpflicht sei die Regel, keine Ausnahme. Und dann ist sein Verhältnis zu Migranten plötzlich ganz anders, als in der Union dieser Tage üblich. Unumwunden stellt er fest: „Im übrigen Deutschland ist ein Einwanderungsland“, und Einwanderer kann man doch auch in die Armee integrieren. Beim freiwilligen Wehrdienst könne er sich durchaus die deutsche Staatsbürgerschaft als Belohnung vorstellen – das wäre dann, nebenbei bemerkt, ganz wie bei der französischen Fremdenlegion. Über das jetzt im Kabinett beschlossene Gesetz entscheidet der Bundestag. Es bleibt spannend, was Kiesewetter & Co. bis dahin noch einwerfen werden.
Als Anreiz für die Freiwilligkeit soll ein „attraktiverer Dienst“ helfen. Um das potenzielle Sterben für’s Vaterland zu versüßen, soll der Sold von diesen freiwillig Wehrpflichtigen auf das Niveau von Vertragssoldaten angehoben werden: Über 2 000 Euro Netto.
Für die Kriegstauglichkeit kalkuliert die NATO mit einer eine Größenordnung von 260.000 Männern und Frauen in der stehenden Truppe der Bundeswehr. Stand 1. Juli hat die Bundeswehr aber nur 171 650 Soldaten, benötigt also fast 90.000 zusätzliche Soldaten im aktiven Dienst. 15.000 „freiwillige Wehrpflichtige“ sollen im nächsten Jahr gewonnen werden.
Nicht Wehrpflicht, sondern aktiver Widerstand wird den Weltkrieg verhindern!
Der Jugendverband REBELL erklärt zur Wehrpflicht: „Die Bundesregierung, aber auch die Medien und die Bundeswehr missbrauchen die Sorge der Jugend vor einem Krieg, um sich Zustimmung für Aufrüstung und Militarisierung zu erschleichen. In Wahrheit bereiten sie selbst knallhart einen Angriffskrieg vor und gießen Öl ins Feuer der Weltkriegsvorbereitung.
In Gaza sehen wir, was die deutsche Regierung von 'Demokratie und Menschenrechten' hält. Frieden auf der Welt gibt es nicht mit, sondern nur im Kampf gegen alle Imperialisten. Deshalb ist Rebellion gegen alle Kriegstreiber gerechtfertigt! Wir lehnen militärische Ausbildung für Jugendliche nicht allgemein ab. Aber diese neue Wehrpflicht ist Teil der Weltkriegsvorbereitung! Nicht der Gang zur Bundeswehr, sondern der aktive Widerstand im Bündnis mit den Arbeitern und Friedenskämpfern der Welt verhindert einen 3. Weltkrieg.“
Widerstand gegen diese Wehrpflicht wächst
Gegen die Kriegspläne und die Wehrpflicht unter diesen Vorzeichen mehrt sich der Widerstand insbesondere junger Leute. In Dutzenden Städten haben sich schon erste Bündnisse gebildet. Das Bündnis „Rheinmetall entwaffnen“ hat heute in Köln mit einer Sitzblockade einen zentralen Zugang zu einem regionalen Karrierecenter der Bundeswehr blockiert. Zum Start der „Aktionstage“ mit weiteren Protesten in den kommenden Tagen wolle man damit gegen die Wehrpflicht protestieren, teilte das Bündnis mit.
„Wir wollen mit den Kriegen der Herrschenden nichts zu tun haben und sind nicht bereit, für ein Land zu sterben, das uns sämtliche soziale Infrastruktur immer mehr wegkürzt“, hieß es in einer Mitteilung des Aktivisten. Am Samstag soll als Höhepunkt eine Demonstration in der Kölner Innenstadt stattfinden. Zuvor ist für Donnerstagnachmittag ein Protestmarsch in Meerbusch nahe Düsseldorf geplant – dort wohnt Rheinmetall-Chef Armin Papperger.