„Wer seine Lage erkannt hat …"

„Wer seine Lage erkannt hat …"

45. Jahrestag der Gründung der polnischen Gewerkschaft Solidarność

Ausgehend von Streiks der Danziger Werftarbeiter musste die polnische Regierung am 31. August 1980 die Zulassung einer von ihr unabhängigen Gewerkschaft zugestehen. Sie nannte sich Solidarność (Solidarität) und umfasste in kürzester Zeit 10 Millionen Mitglieder.

Von dk
45. Jahrestag der Gründung der polnischen Gewerkschaft Solidarność
Solidarność-Aktivistinnen und -Aktivisten demonstrieren 1989 durch die Innenstadt von Wrocław (foto: Scylla54 (CC BY-SA 4.0)

Offiziell nannte sich Polen damals sozialistisch – in Wahrheit war es jedoch ein vom sowjetischen Sozialimperialismus beherrschtes, bürokratisch-kapitalistisches Land. Wie in der Sowjetunion 1956 hatten revisionistisch entartete ehemalige Kommunisten die Macht ergriffen und den Sozialismus von innen zerstört. In der Folge entstanden in Polen Lebensverhältnisse, die für die Massen zunehmend unerträglich wurden.


Das Besondere war, dass die Arbeiterklasse sich aktiv dagegen zur Wehr setzte und durch Streiks und die Schaffung einer eigenen Gewerkschaftsorganisation die Staatsmacht ins Wanken brachte. Zwar wurde die Solidarność zunächst verboten, das Kriegsrecht in Polen verhängt und 1981 eine sozialfaschistische Diktatur unter General Jaruzelski errichtet, doch konnte die faschistische Herrschaftsform nicht lange aufrechterhalten werden und in Zusammenhang mit dem Niedergang der von Gorbatschow geführten Sowjetunion brach auch das bürokratisch-kapitalistische Polen zusammen. Heute ist das kapitalistische Polen Mitglied der EU, regiert von rechten und faschistischen Kräften, die die Massen nationalistisch verhetzen.


Jan Tombiński, Leiter der polnischen Botschaft in Berlin, behauptete zum 45. Jahrestag der Solidarność-Gründung: „Die Ukrainer wollen nicht mehr Opfer eines imperialen Systems sein. Sie wollen Subjekt ihrer Geschichte sein. „Solidarność hat genau das vorgemacht … Mit dem Wahlzettel haben wir später den Kommunismus abgeschafft.“¹ Doch genau das passierte nicht!


„Wer seine Lage erkannt hat – wie soll der aufzuhalten sein?“, fragte einst der Dichter Bert Brecht. Die polnischen Arbeiter wurden eben nicht Subjekt ihrer Geschichte, weil sie 1980 ihre tatsächliche Lage nicht erkannt hatten! 1972 hob Willi Dickhut in seiner Analyse der Wiederherstellung des Kapitalismus in der Sowjetunion hervor: „Das erste und wichtigste im Erkenntnisprozess des sowjetischen Proletariats ist darum, zu analysieren, dass es wieder zur ausgebeuteten Klasse gemacht worden ist, deren neue Lage jener der ausgebeuteten und unterdrückten Arbeiterschaft der westlichen kapitalistischen Länder entspricht, dass die neue Klassenlage einen neuen Klassengegensatz und einen entsprechenden Klassenkampf gegen die neue Bourgeoisie bedingt.“² Das traf auch auf Polen zu. Weil die Solidarność sich jedoch in den Händen kleinbürgerlicher Führer befand, wurde der Erkenntnisprozess abgewürgt. So konnte eine neue Arbeiterrevolution verhindert werden. Heute läuft die polnische Arbeiterklasse Gefahr, sich vor den Karren der polnischen Kriegstreiber spannen zu lassen und die etablierten Solidarnoćś-Führer unterstützen im Ukrainekrieg die westliche Kriegsführung. 

Zur bewussten Verarbeitung der Ereignisse in Polen legten die MLPD und ihre Vorläuferorganisation 1981 bis 1982 drei grundlegende Analysen in Broschürenform vor:

  • Polen Aktuell 1: „Vom Sozialismus zum bürokratischen Kapitalismus.“
  • Polen Aktuell 2: „Für die soziale und nationale Befreiung der Werktätigen in Polen.“
  • Polen Aktuell 3: „Die sozialfaschistische Diktatur in Polen. Die terroristische Herrschaftsform des bürokratischen Kapitalismus.“

 

Erhältlich beim Verlag Neuer Weg, Essen. Preis jeweils 1,50 Euro.