Verschlungene Wege

Verschlungene Wege

Israelische Kriegsverbrechen gegen Krankenhäuser - „Haben Sie denn ein Aktenzeichen?“

Jedes Wort in diesem Bericht ist wahr. Von der Art her ist es aber eine Glosse. Eine Glosse mit bitterem Beigeschmack ...

Von einer Mitarbeiterin des Anwaltsbüros Meister & Partner

Diese Geschichte über den Weg der Strafanzeige gegen die Bundesregierung wegen des Völkermords in Gaza beginnt mit einer beA an den Bundesgerichtshof. Seit 1. Januar 2022 ist es für jeden Anwalt in Deutschland verpflichtend, Dokumente an Gerichte und Behörden über das „besondere elektronische Anwaltspostfach (beA)“ zu versenden. Das funktioniert gut – so kann man als Anwalt z.B. problemlos seinen Schriftsatz an die Stadtverwaltung des thüringischen Meuselwitz versenden.

 

Aber nicht an den Generalbundesanwalt. Der hat keine beA-Adresse. Macht ja nichts, immerhin handelt es sich ganz offiziell um den „Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof“ und der Bundesgerichtshof hat eine beA.

 

Nach akribischer Vorbereitung des Schriftsatzes und der Anlagen kontrollieren wir auch die Versendung mehrfach. Nachdem auch nach einer Woche noch keinerlei Reaktion, keine Eingangsbestätigung, kein Aktenzeichen da ist, rufen wir an. Zuerst beim Generalbundesanwalt, an den ist die Strafanzeige schließlich adressiert. Nein, ohne ein Aktenzeichen könne man mir leider nicht weiterhelfen. Nun ja, genau deshalb rufe ich ja an – vielleicht kann mir der Posteingang weiterhelfen? Da müsste ich mich an den Bundesgerichtshof wenden, dort ginge die Post ein.

 

Also Anruf beim Bundesgerichtshof. Das Telefonat dauert geschlagene 28 Minuten und am Ende haben sich ca. acht freundliche Sachbearbeiterinnen meine Frage angehört. Die Poststelle findet nichts, das müsse aber nichts heißen, ggf. sei die Nachricht verschoben worden usw. Am Ende bin ich in der Abteilung für Bürgeranfragen – die Dame erklärt, sie hätte unsere Nachricht jetzt gefunden. Was wir denn wollten, was sie jetzt damit macht? Soll sie es an den Generalbundesanwalt weiterschicken? Ja bitte, der ist ja der Adressat!

 

Wenige Tage später geht – per beA! – eine Nachricht von der Präsidentin des Bundesgerichtshofs ein. Bürokratisch formuliert lautet der Tenor: Man soll doch seinen Kram direkt an den Generalbundesanwalt schicken und den Bundesgerichtshof in Ruhe lassen, er sei keine Postweiterleitungsstelle. Also alles nochmal – jetzt per E-Mail und zusätzlich per Briefpost – an den Generalbundesanwalt. Aufgrund der Verpflichtung, per beA zu versenden, eigentlich unzulässig, aber laut Information auf der Homepage bliebe uns sonst nur noch das Fax.

 

Eine weitere Woche vergeht. Nichts passiert. Wieder Anruf beim Generalbundesanwalt. Ob ich denn ein Aktenzeichen hätte? Ohne ein Aktenzeichen könne man mir leider nicht weiterhelfen. Die Dame stellt mich schließlich doch zur Eingangsstelle durch. Nur findet man dort unsere E-Mail nicht, obwohl wir den exakten Zeitpunkt der Versendung wissen und auch eine automatische Bestätigung erhalten haben, dass sie eingegangen ist. Ich erläutere den Inhalt der Strafanzeige. „Oh, da gehen momentan viele zu ein!“ Die Dame verspricht zu suchen und zurückzurufen. Das tut sie auch – nur gefunden hat sie die E-Mail nicht. Ob ich sie nicht einfach nochmal schicken könnte? Mir fehlen die Worte.

 

Man würde so gerne darüber lachen, wie bürokratisch und schwerfällig diese Behörde arbeitet. Kein Selbständiger oder Kleinunternehmer käme so über die Runden. Aber der Generalbundesanwalt hat im angeblich so demokratischen Deutschland die alleinige Zuständigkeit für die Verfolgung von Verbrechen des Völkerstrafrechts. Indem die Strafanzeige, die gemeinsam mit Palästinensern in Gaza und in Deutschland erarbeitet wurde, zur beliebigen „Bürgeranfrage“ gemacht wird oder gleich ganz verloren geht, wird ver- bzw. behindert, dass die Bundesregierung ihre Unterstützung des Völkermords in Gaza beenden muss. Wie viele palästinensische Kinder in diesen Wochen verhungert sind, mag ich mir nicht vorstellen. Juristische Mittel muss man ausnutzen – aber sie stoßen an die Grenzen des herrschenden Systems und brauchen deshalb den politischen Druck der Massen.