Bürgergeld-Debatte

Bürgergeld-Debatte

Hetze gegen Arme und Migranten

Seit zwei Jahren gibt es das Bürgergeld. Der Bezug für die Betroffenen soll jetzt gekürzt werden, was die CDU sich auf die Fahnen geschrieben hat. Die CDU hetzt in der Hauptseite gegen die vermeintlich faulen Armen – und arme Ausländer sind halt auch nicht reich. Der Arbeiter, der (noch) Arbeit hat, soll gegen erwerbslose Arbeiter bzw. Arbeiter, die sehr wenig verdienen, ausgespielt werden. Wenig aufgeregt wird sich dabei um eine ganz andere Clique, die ohne harte Arbeit im Reichtum schwelgt, wie u. a. einige der Töchterchen und Söhnchen der wachsenden Zahl von Millionären und Milliardären, gekümmert. Die AfD dagegen bedient ganz bewusst rassistische Klischees, will vor allen Dingen die deutschen Arbeiter gegen ihre ausländischen Kollegen aufbringen, weil die sie ausnehmen würden. Zeit, sich alle Zahlen genauer anzusehen.

Von fu / hodo
Hetze gegen Arme und Migranten
Die zynische Fragestellung von AfD, BSW, CSU, CDU und SPD: Wie viel ärmer darf's sein? (Bild: Nick Fewings; Lizenz: Unsplash)

Schuld sollen alle Armen sein...

Die Hetze gegen Bürgergeldbezieher zieht sich durch die Medienlandschaft. Im letzten Jahr veröffentlichte das Magazin „Focus“ online in Kooperation mit dem Youngster-Medienpartner Kukksi: „Bürgergeld-Empfängerin verprasst ihr letztes Geld für Bier auf EM-Fanmeile“. Berichtet wird über eine Jugendliche, die in Leipzig ein Spiel verfolgte, und sich drei Bier und eine Bratwurst kaufte. Wahrlich, ein Leben im Luxus! Statt Empörung über die zu geringe Grundsicherung werden die absurdesten Vorwürfe gegen Leistungsempfänger konstruiert.

 

Tatsache ist: 5,5 Millionen Menschen beziehen derzeit Bürgergeld und machen etwa 8 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Infolge auch der zunehmenden Versorgung geflüchteter Menschen, insbesondere auch aus der Ukraine, waren die Ausgaben für das Bürgergeld zuletzt um 6,5 Prozent auf (prognostiziert) 42,6 Milliarden Euro (zwischenzeitlich heißt es 46,5 – 47 Milliarden) gestiegen. Das nehmen sowohl die Union aus CDU und CSU – und, wenn auch im geringsten Maße, deren Koalitionspartner SPD – als auch die AfD zum Anlass, zum Angriff zu blasen.

 

Wenig beachtet dabei wird: 800.000 Menschen sind sogenannte „Aufstocker“. Das sind 14,54 Prozent aller Leistungsbezieher. Sie bekommen nicht zu viel Bürgergeld, sondern zu wenig Lohn: Sie verdienen weniger als das mit dem Bürgergeld definierte Existenzminimum. Hier dient das Bürgergeld faktisch als Lohnsubventionierung für die Betriebe, die sich das Gehalt ihrer Mitarbeiter nicht leisten wollen. Viele davon werden auch Kinder und Lebenspartner haben, die statistisch dann nicht beziehungsweise nur in der Gesamtsumme aller Bürgergeldbezieher auftauchen. Insgesamt sind 1,5 Millionen Leistungsberechtigte (also weitere 27,27 Prozent) Kinder und Jugendliche (laut Wirtschaftswoche online), und die können – und sollen – gar nicht arbeiten. 41,81 Prozent aller Leistungsempfänger kann man also als gesichert „unfaul" bezeichnen.

… und besonders die „Ausländer“.

Während die CDU eine verstärkte Hetze gegen Bürgergeldbezieher im Allgemeinen betreibt, betreibt die AfD im Besonderen eine rassistische Hetze gegen Migranten und Flüchtlinge. Aber auch die Union ist sich nicht zu fein, ihre Hetze rassistisch zu garnieren: So bezeichnete Jens Spahn den wachsenden Anteil von Migranten unter den Leistungsbeziehern als Risiko für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. „Das ist sozialer Sprengstoff“, erklärte er gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Spahn ist auch einer derjenigen, der die faschistische AfD „normal“ behandeln will und der sie damit in Parlamentsfunktionen einbringen will (www.tagesschau.de, 15.4.2025). 

 

Die Anfragen der AfD gehen in dieselbe Richtung. Erst Anfang Juni hatte die AfD mit einer Anfrage versucht, nachzuweisen, dass die „Ausländer“ hinter dem Anstieg der Ausgaben für das Bürgergeld stecken (und nicht etwa die Arbeitsplatzvernichtung und der wachsende Billiglohnsektor). Damals hatte sie gefragt, was denn die häufigsten Vornamen von Bürgergeldbeziehern seien – aber das waren, Stand Juni, Michael (19.200), Andreas (16.200) und Thomas (15.700), wie dann die „Rheinische Post“ berichtete. Ziemlich deutsch und männlich, das Treppchen für den ersten bis dritten Platz … erst an fünfter Stelle kam dann ein tendenziell ausländischer Name: Olena. Ein auch in der Ukraine durchaus gängiger Frauenname.

 

Davon ungerührt erklärte AfD-Chefin Alice Weidel am 3. Juli: "Es hilft nur eins, die Zahl der Bürgergeldempfänger muss drastisch reduziert werden: Fast 50 Prozent verfügen über keinen deutschen Pass, viele haben noch nie unser Sozialsystem eingezahlt – das ist der hart arbeitenden Bevölkerung nicht mehr vermittelbar. Unser Sozialstaat muss sich wieder auf wirklich Bedürftige konzentrieren und darf kein Magnet für weltweite Armutsmigration sein.“

 

Und wer stimmt dem zu? BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht schießt aus dem Abseits hervor und überholt Weidel rechts: "Die Kostensteigerungen beim Bürgergeld zeigen vor allem das Scheitern der Migrationspolitik der letzten zehn Jahre. Ein starker Sozialstaat funktioniert nur, wenn nicht jeder in ihn einwandern kann“, so die BSW-Gründerin gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ). Daran stimmt nur eines: 47,4 Prozent der Leistungsempfänger haben keinen deutschen Pass. Die Mehrheit kommt nach wie vor aus Deutschland (52 Prozent).

 

Es wäre durchaus wünschenswert, die Zahl der Bürgergeldempfänger zu reduzieren – dafür müsste man aber den Mindestlohn anheben, die Arbeitsplatzvernichtung bekämpfen und das Sozialsystem auf Kosten der Monopolprofite sanieren. Tatsächlich arbeitet ein überproportionaler Anteil von Migranten in den härtesten und schlechtestbezahlten Jobs. Es gibt daher bei ihnen einen besonders großen Anteil, und viele dürfen nicht arbeiten. (www.stern.de, 24.06.2025) Und was die Flüchtlinge betrifft: Diese bekommen (wenn sie nicht aus der Ukraine sind) erst mal gar kein Bürgergeld. Und als Erstes müsste doch das Arbeitsverbot für Flüchtlinge aufgehoben werden. Dann würde der Staat viel Geld sparen, wobei natürlich auch die Zahl der Aufstocker steigen könnte, weil sie oft schlechte Jobs bekommen.

 

Beide argumentieren jedenfalls an der Sache vorbei, denn Migranten, die keine Gelegenheit hatten, in die Sozialkassen einzuzahlen, erhalten keine Leistungen aus ihnen: "Zuwanderung ist definitiv kein Grund für die gestiegenen Beiträge (der Krankenkassen). Asylsuchende sind grundsätzlich nicht gesetzlich versichert, sondern haben im Leistungsfall Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).“ (dpa-Factchecking) Typisch ist auch, dass die rassistischen Hetzer nur über Ausgaben reden und die Einnahmen durch Migranten bequem vergessen. Migranten bezahlen mehr in die Sozialkassen ein, als sie bekommen. Und um bei Geflüchteten zu bleiben: „Schutzberechtigte Männer, die bereits acht Jahre in Deutschland leben, arbeiten übrigens zu 86 %. 90 % der 2022 in Deutschland lebenden Flüchtlinge, die arbeiten, arbeiten in sozialversicherungspflichtigen Jobs und zahlen somit sogar in die Sozialkassen ein“ (Volksverpetzer (Stand Oktober 2024)). Wer nach Deutschland flüchtet, der kommt also in der Regel nicht hierher, um sich auf die faule Haut zu legen.

Ukrainische Geflüchtete im Visier

Dass ukrainische Staatsbürger an der Spitze der ausländischen Bürgergeld-Bezieher stehen, ist wiederum nicht weiter überraschend, bedenkt man zum einen den Krieg am Rande der Europakarte und dann den Umstand, dass ukrainische Staatsbürger automatisch Bürgergeld erhalten, weil sie pauschal als Kriegsflüchtlinge anerkannt werden (was übrigens völlig richtig ist; falsch ist nur, dass das für Syrer und Afghanen [und alle anderen] nie galt und auch weiterhin nicht gilt).

 

Und damit sind sie in den Fokus von CSU-Chef Markus Söder geraten. Der hatte am Sonntag im ZDF-„Sommerinterview“ dafür plädiert, dass es „kein Bürgergeld mehr gibt für all diejenigen, die aus der Ukraine gekommen sind“. Und zwar „nicht nur für die, die in der Zukunft kommen!", „sondern für alle“. Statt Bürgergeld sollen sie nur noch die niedrigeren Asylbewerberleistungen erhalten. Und Wagenknecht findet, Söders Vorschlag gehe "in eine richtige Richtung“.

 

Vorab bemerkt: Damit würde Söder auch die rund 332.100 Ukrainerinnen und Ukrainer, die in Deutschland in einer Beschäftigung sind, aus der Arbeit nehmen. Die meisten von ihnen, 278.900, waren sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Insgesamt waren im Januar 2025 zwar rund 534.000 Ukrainerinnen und Ukrainer als erwerbsfähig gemeldet, 374.000 hatten keinen Job – standen aber auch aktuell nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, etwa, weil sie als alleinerziehendes Elternteil ein Kind betreuen, Integrationskurse besuchen oder zeitweise arbeitsunfähig waren.

Wofür wirklich Geld ausgegeben wird

Bezeichnend ist, dass, während die Reaktionäre lamentieren, dass so ein Bürgergeld-Empfänger den Hals einfach nicht vollkriegt und lieber arbeiten gehen sollte, sie selbst tunlichst vermeiden, die Ausgaben in Relation zu setzen. Was war's noch? Ja, nach 6,5 Prozent Steigerung auf 42,6 Milliarden, damit Menschen essen können.

 

Viel wichtiger ist es unserer Regierung, Geld dafür zu investieren, dass Menschen weiter in die Flucht getrieben werden oder wie Zehntausende Soldaten in der Ukraine (auf beiden Seiten) ihr Leben verlieren. Das Budget der Bundeswehr soll um mehr als 20 Milliarden (über 30 Prozent) auf rund 82,7 Milliarden Euro steigen. Tatsächlich ausgeben werden sollen 128 Milliarden Euro (durch Sonder‑„Vermögen“ und weitere Schulden). Jedenfalls, im Zuge dessen werden die Rüstungsausgaben um das Anderthalbfache des gesamten Jahresbudgets für das Bürgergeld erhöht.

 

Und wer lebt eigentlich sonst noch so auf Kosten des Staats, nur deutlich besser? Die AfD-Bundestagsfraktion und ihre Funktionäre. Am 1. Juli 2025 hat sie die Zulagen für ihre Fraktionsvorsitzenden Weidel und Chrupalla von 6000 auf etwa 12.000 Euro pro Monat verdoppelt. Zusammen mit der Abgeordnetendiät sacken sie 24 000 Euro monatlich ein. Dagegen ist selbst der böswilligste Bürgergeld-Betrüger ein blutiger Amateur.