Bodenangriff
Was ist der israelische „Fünf-Finger-Plan“ in Gaza?
Aufgrund der aktuellen Medienberichte, nach denen sich der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu entschlossen haben soll, den ganzen Gazastreifen durch seine Armee einnehmen zu lassen, dokumentiert die Redaktion den folgenden vor kurzem erschienenen Bericht des Online-Portals Occupied News:
Zum ersten Mal seit Beginn des genozidalen Krieges hat die israelische Armee einen Bodenangriff in der Stadt Deir al-Balah im Zentrum des Gazastreifens durchgeführt. In diesem Teil des Gazastreifens haben die meisten Vertriebenen Zuflucht gefunden, und zugleich ist er Sitz zahlreicher internationaler Organisationen. (…)
Deir al-Balah galt lange als vergleichsweise ruhige Stadt im Gazastreifen. Historisch spielte sie keine Rolle als Ausgangspunkt für bewaffneten Widerstand – auch im aktuellen Krieg blieb sie über Monate hinweg weitgehend von Kämpfen verschont. Der Grund dafür: Die Stadt wird als eine der wichtigsten humanitären Zonen der Enklave angesehen. (…)
„Fünf-Finger-Strategie“
Im Zuge der Bodenoffensive wurden nun erstmals Stadtteile im Südwesten der Stadt angegriffen; zugleich forderte die israelische Armee Hunderttausende Einwohner auf, ihre Häuser zu verlassen. Der Angriff schürt erhebliche Befürchtungen, dass damit die sogenannte „Fünf-Finger-Strategie“ umgesetzt wird – ein Plan zur Aufteilung des Gazastreifens in fünf Zonen.
- Morag: trennt Rafah vom übrigen Gazastreifen.
- Magen Oz: isoliert den Osten von Khan Yunis von der Stadt selbst.
- Kissufim: fungiert als Trennungslinie zwischen Deir al-Balah und Khan Yunis.
- Netzarim: teilt den Gazastreifen in einen nördlichen und einen südlichen Abschnitt.
- Mefalsim: markiert die Grenze zwischen dem nördlichen Gazastreifen sowie Gaza-Stadt und den angrenzenden Gebieten im Norden.
Humanitäre Konsequenzen für den ganzen Streifen
Der gesamte Gazastreifen umfasst rund 360 Quadratkilometer – doch Israel kontrolliert mittlerweile direkt etwa drei Viertel davon. Die Umsetzung dieser Achsen würde zu einer Aufteilung in sechs kleinere Zonen führen, was die Bewegungsfreiheit erheblich einschränkt und Rettungsmaßnahmen, medizinische Hilfe sowie humanitäre Versorgung nahezu unmöglich macht.
Angesichts dieser Befürchtungen flohen Tausende Menschen in die westlichen Stadtteile. Neben den dramatischen Fluchtszenen führte die Bodenoffensive zur Stilllegung zahlreicher internationaler Organisationen, darunter die Weltgesundheitsorganisation (WHO), das Welternährungsprogramm (WFP), das Rote Kreuz sowie staatliche und private Krankenhäuser – allesamt zentrale Akteure der humanitären Hilfe im Gazastreifen. Die israelische Armee setzte zudem Lager der WHO in Brand; binnen zwei Tagen vernichteten die Flammen mehrere Hundert Tonnen Medikamente.
Militärische Entwicklungen
Auf israelischer Seite rief der 48-stündige Bodenangriff innenpolitische Reaktionen hervor. Vertreter der Familien israelischer Gefangener äußerten ihren Unmut über den Angriff auf eine Stadt, in der – ihrer Meinung nach – ihre Angehörigen festgehalten werden, und forderten ein sofortiges Ende der Operation. (…)
Sowohl bewaffnete Einheiten des Islamischen Dschihad als auch der Hamas meldeten Angriffe auf israelische Militärfahrzeuge in der Region. Seit Mitte Juni haben die Angriffe der bewaffneten palästinensischen Gruppen wieder deutlich zugenommen. Der Juni war einer der verlustreichsten Monate für die israelische Armee seit Beginn des genozidalen Krieges im Gazastreifen.