Sein Werk ist ein unsterbliches Geschenk an die Völker der Welt

Sein Werk ist ein unsterbliches Geschenk an die Völker der Welt

Mikis Theodorakis wäre heute 100 Jahre alt geworden

Heute vor 100 Jahren, am 29. Juli 1925, wurde auf der griechischen Insel Chios Mikis Theodorakis geboren. Als er am 2. September 2021 starb, trauerte die Welt um einen großen griechischen Kommunisten und Musiker. Seine zahllosen Lieder und sonstigen Kompositionen stärkten Jahrzehnte den Befreiungskampf der Arbeiterklasse und der Völker gegen Ausbeutung und Unterdrückung - und tun dies bis heute.

Von gis
Mikis Theodorakis wäre heute 100 Jahre alt geworden
Mikis Theodorakis (Foto: shutterstock)

Viele seiner Landsleute sahen und sehen in ihm die Seele Griechenlands. Kaum ein Grieche, eine Griechin, die am Tag seines Todes nicht mit dem Zweig von einem Orangenbaum seiner gedachte. Chios liegt nur wenige Kilometer von der türkischen Küste entfernt. Und so war es Mikis Theodorakis sozusagen in die Wiege gelegt, dass er sich zeitlebens für das friedliche Zusammenleben der Menschen in Griechenland und der Türkei einsetzte. Auch zahlreiche Begegnungen und Konzerte mit dem Sänger Zülfü Livanelli legen davon Zeugnis ab, so zum Beispiel hier in Berlin im Mai 1997: https://www.youtube.com/watch?v=j5gOCB87YTU

 

Über seine Herkunft - der Vater stammte aus Kreta, die Mutter aus dem heute türkischen Çeşme - sagte Theodorakis, er verdanke ihr seine beiden Grundleidenschaften, "die eine für das Revolutionäre und die Politik, die andere für die Musik.“ Mit diesen Grundleidenschaften schuf Mikis Theodorakis sein einzigartiges Werk.

Der Weg zum weltberühmten Komponisten war beschwerlich

In seiner 1987 erschienenen Autobiographie "Die Wege des Erzengels" schreibt Theodorakis. dass es in Griechenland vor (damals) fünfzig Jahren keinerlei Voraussetzungen für die Entwicklung einer Musikkultur gab: "Sinfonieorchester, Chöre, Konzerte, Konsevatorien, Musikverlage - unbekannte Dinge in der griechischen Provinz." Er verglich seinen musikalischen Werdegang mit dem von Schostakowitsch: Während dieser mit zwölf Jahren den Unterricht eines berühmten Komponisten genoss, sah Theodorakis als Zwölfjähriger zum ersten Mal gedruckte Noten. Aber schon kurz später gründete er als Schüler einen Chor, begann erste Lieder zu komponieren und benutzte seine Violine wie eine Mandoline. Und so begann das damals Einzigartige in seinem Schaffen: Er schöpfte aus der griechischen Volksmusik, setzte die Bouzouki in Symphonien ein und schuf selbst Volksmusik in ihrem besten Sinn. Sein erster Liederzyklus „Epitaphios“ ist die Totenklage einer Mutter, die um ihren beim Tabakarbeiterstreik 1936 von der Polizei ermordeten Sohn trauert: Verse des großen griechischen Dichters Ioannis Ritsos, vertont von Mikis Theodorakis, in den charakteristischen Tanzrhythmen der Rembetika geschrieben. Und so ertönten „An einem Maientag“ und „Wohin ist mein Junge geflogen“ aus jeder Musik-Box in Athen, Thessaloniki, Igoumenitsa und auf den Inseln. Kongenial auch seine Zusammenarbeit mit der wunderbaren Sängerin Maria Farantouri, die 1965 in Athen den „Zyklus von Mauthausen“ sang und unzählige Konzerte mit Theodorakis bestritt, und mit dem chilenischen Dichter Pablo Neruda, dessen von Theodorakis vertonter „Canto General“ Menschen weltweit begeistert.

Vorkämpfer gegen den Antikommunismus

2006 wandte sich Mikis Theodorakis entschieden gegen die antikommunistische Entschließung des Europarats, wonach die ganze neuere Geschichte verfälscht und antikommunistisch umgeschrieben werden sollte. Diese Entschließung markierte eine Zäsur: Nicht nur in Deutschland, in ganz Europa sollte der Antikommunismus Staatsdoktrin werden. Auch der mutige Kampf der griechischen Arbeiter- und kommunistischen Bewegung, der sich nach dem Sieg über die Besatzung durch die Hitlerfaschisten gegen die eigene Bourgeosie richtete, wurde in diesem Europaratsbeschluss verunglimpft. Das ließ Theodorakis, der an diesem Kampf unbeugsam beteiligt war, nicht auf sich und dem griechischen Volk sitzen. So wurde er quasi ein Mitbegründer der Bewegung "Gib Antikommunismus keine Chance!" 

 

Im August 2017, vier Jahre vor seinem Tod, schrieb er einen Gastbeitrag für die griechische Tageszeitung Ta Nea unter der Überschrift "Über die antikommunistische Hysterie." Darin betonte er, dass er sowohl während der Zeit des Bürgerkrieges (1946 bis 1949) auf der Seite der Linken stand als auch während des Kampfes gegen die Obristendiktatur (1967 bis 1974). Seine Stellungnahme gegen den Antikommunismus begründete er nicht nur aus der Geschichte, sondern auch mit dem notwendigen Kampf gegen die damalige menschenfeindliche Troika-Politik. Den Siegen der Roten Armee unter Stalin "in Stalingrad, Moskau und Berlin“, so Theodorakis in besagtem Artikel, verdanke die Menschheit, dass die Welt nicht "mit tausenden Auschwitz-Lagern gefüllt“ wurde. Er erinnerte an die Hinrichtung von zehntausenden jungen Menschen in Griechenland und daran, dass 100.000 weitere griechische Kommunisten das Martyrium der Verbannungsinsel Makronissos erleiden mussten - auch er selbst. "Unsere Kämpfe unter dem Roten Banner sind ein heiliger Abschnitt unseres Lebens."

"Die Volksfront ruft zum Widerstand - kein Grieche für die Junta"

Während der Obristen-Diktatur 1967 bis 1974 war die Musik von Theodorakis in Griechenland verboten. Die Generäle der Militärjunta ordneten im Juni 1967 im berüchtigten „Befehl Nr. 13“ an: „ … dass im ganzen Land verboten sind das allgemeine Senden oder Verbreiten der Kompositionen des Kommunisten Mikis Theodorakis, ehemals Führer der bereits aufgelösten kommunistischen Organisation ‚Lambrakis-Jugend‘ … Zuwiderhandelnde werden vor ein Militärgericht gestellt und entsprechend den Notstandsgesetzen bestraft werden. Aber die Freiheitslieder von Theodorakis und anderen waren nicht tot zu kriegen. Für die Solidaritätsbewegung mit dem griechischen Volk, die in vielen Ländern - darunter auch in Deutschland - Hunderttausende umfasste, war diese Kultur ein unerschöpflicher Kraftquell. "Und wir sind zwei" oder "Die Volksfront ruft zum Widerstand" wurden zu Hymnen des antifaschistischen Widerstands.

Die Krise der bürgerlichen Gesellschaftswissenschaften, der Religion und der Kultur

In diesem Buch wird dargelegt, wie unentbehrlich Musik wie die von Theodorakis für antifaschistische und antiimperialistische Massenbewegungen ist

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Mikis Theodorakis wurde im August 1967 verhaftet und verbrachte bis zu seiner Flucht nach Paris Monate und Jahre in Gefängnissen, Konzentrationslagern und in einem abgelegenen Bergdorf unter Hausarrest. Seine Schaffenskraft war ungebrochen. Selbst im Hauptquartier der Sicherheitspolizei Asphalia komponierte er. Auf die Frage, warum er ob der brutalen Folter niemals aufgab und verzweifelte, antwortete er, dass die Musik im Kopf ihn immer davor bewahrte. 1974 gelang es den Massen, die Junta zu stürzen. Mit einem großen Theodorakis-Konzert wurde das gefeiert. 

 

Theodorakis, hätte er die heutige Entwicklung noch erlebt, würde bestimmt ein Lied für die griechischen Hafenarbeiter in Piräus schreiben, die mit Blockaden Waffentransporte nach Israel verhindern. Und einen "Canto General" für die mutige Handala-Besatzung und den palästinensischen Befreiungskampf.

 

Der Karlsruher Künstler und Bildhauer Rainer Günther, Schöpfer der Marx-Statue vor dem Willi-Dickhut-Haus in Gelsenkirchen, plant zu Ehren von Mikis Theodorakis eine Statue auf Kreta. Theodorakis ist dort begraben. Zur Vorbereitung war er im Mai in Kreta und nahm an einem antifaschistischen Gedenken zum 8. Mai mit kretischen Jugendlichen teil. Hier ein Plakat mit Radierungen von Rainer Günther.