Argument

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„Klimaangst“ - Ein Fall für den Psychologen?

Der Begriff „Klimaangst“ ist seit einigen Jahren fester Bestandteil des medizinischen Vokabulars. Etliche Psychologen haben dazu groß angelegte Studien durchgeführt, ganze Bücher darüber geschrieben. Nach einer Studie im Auftrag der Barmer Ersatzkasse sind besonders junge Menschen von einer „Klimaangst“ betroffen: „36 Prozent der Jugendlichen hierzulande verspüren… große Angst vor dem ‚Klimawandel‘… nur 16 Prozent haben keine Angst.“

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Sicher können die sich häufenden Schreckensmeldungen über Umweltkatastrophen gepaart mit Weltuntergangstheorien zu Fatalismus und depressiver Stimmung führen, ganz zu Schweigen von den zum Teil schweren psychischen Belastungen unmittelbar von Naturkatastrophen betroffener Menschen. Doch mit diesem neu geschaffenem Krankheitsbild einer “Klimaangst“ werden berechtigte Ängste und Sorgen über die Zerstörung der Lebensgrundlagen in die Nähe bekannter Angststörungen, wie Platz- oder Spinnenangst, gerückt.

 

Wer ein gesundes Umweltbewusstsein entwickelt und sich aktiv am Umweltkampf beteiligt gerät demnach in Gefahr, das Stigma einer Angststörung verpasst zu bekommen. Umweltbewegtes Verhalten wird von manchen Psychologen bestenfalls als eine positive Begleiterscheinung zur Therapie eines Krankheitsbildes gewürdigt.

 

Konsequent zu Ende gedacht müssten demnach Anhänger der reaktionären bis faschistischen Klimaleugnerbewegung als vollkommen frei von “Klimaangst“ und psychisch kerngesund gelten. Dabei ist diese bürgerlichen Ideologie hinsichtlich der Existenz der Menschheit brandgefährlich und äußerst angsteinflößend. Doch die Energiemonopole, mit ihrem skrupellosen Festhalten an der Verbrennung fossiler Rohstoffe einschließlich einer massiven finanziellen Unterstützung der Klimaleugnerbewegung, fallen im Gegensatz zu den Opfern ihrer Praktiken innerhalb der bürgerlichen Medizin unter kein Krankheitsbild.

 

Der bekannte Meteorologe Sven Plöger äußerte sich vor kurzem in einem Interview der Stuttgarter Nachrichten zur Klimaangst: „… Die Angst vor dem Klimawandel kann dazu führen, dass die Menschen sagen: Das kriegen wir nicht mehr hin, jetzt ist auch egal, ob wir noch etwas tun. Dann wird die Klimakatastrophe zur selbsterfüllenden Prognose. “ Sven Plöger gehört mit seinen vielen kritischen Beiträgen zur Klimaentwicklung zu einem entschiedenen Gegner der Klimaleugnerbewegung. Er hält allerdings eisern am verharmlosenden Begriff “Klimawandel“ fest und legt mit seiner Aussage nahe, dass der Begriff Klimakatastrophe die Klimaangst, bis hin zum Fatalismus, nur schüren würde.

 

Dabei würde niemand auf die Idee kommen eine drohende Flutkatastrophe als ein „sich im Wandel befindliches Gewässer“ zu bezeichnen. Eine notwendige rechtzeitige Warnung vor einer Flutkatastrophe wird natürlich Ängste auslösen, aber die betroffenen haben die Möglichkeit, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Genauso wie bei einer Flutkatastrophe wäre es grob fahrlässig, die begonnene Klimakatastrophe nicht beim Namen zu nennen und keine wirksamen Gegen- und Schutzmaßnahmen einzufordern, die langfristig nicht nur tausenden, sondern Milliarden Menschen das Überleben sichern.

 

Dass diese Maßnahmen einen gesellschaftsverändernden Charakter annehmen müssen, ahnt wohl auch Sven Plöger, wenn er weiter sagt: „Wenn man unser Wissen über den Klimawandel und unser Verhalten vergleicht, müssen wir aktuell leider zur Schlussfolgerung kommen: Die menschliche Gesellschaft ist für die Lösung dieses Problems nicht reif…“

 

Doch nur mit der These des Menschen als allgemeine Ursache der Umweltzerstörung kommt man in der Tat zu keiner Lösung. Nicht der Mensch an sich ist die Ursache, sondern die zerstörerische Daseinsweise der kapitalistischen Gesellschaftsordnung mit ihrer hemmungslosen Ausbeutung von Mensch und Natur. Umwelt- und Klassenbewusstsein über die gesellschaftlichen Ursachen der begonnenen Umweltkatastrophe gehören unbedingt zusammen, um mit klarer Perspektive Ängste in schöpferische Energie für den Kampf um die Wiederherstellung der Einheit von Mensch und Natur zu verwandeln!