Vor dem Tor bei TKSE

Vor dem Tor bei TKSE

Dortmund: Eigentlich muss man das Ergebnis ablehnen, aber ...

Die IG-Metall-Mitglieder bei TKSE sind aufgefordert, bis zum 5. September über das Verhandlungsergebnis für einen „Sanierungstarifvertrag“ abzustimmen. Ich verkaufe seit Jahren mit einer Genossin die Rote Fahne vor dem Autotor bei TKSE in Dortmund. Da das Tor gut 200 Meter von unserem Standort entfernt ist, fahren die Autos relativ schnell vorbei. Man braucht viel Geduld. Doch heute geschieht etwas ganz Besonderes. So viele Kollegen halten an und es gibt so viel längere Gespräche wie noch nie. Schnell stellt sich heraus, dass die Kollegen viel Diskussionsbedarf haben, Orientierung suchen. Dazu gehört aktuell sicher die Aufforderung, über das Verhandlungsergebnis zu einem „Sanierungstarifvertrag“ abzustimmen.

Korrespondenz

Das heißt, von den Kolleginnen und Kollegen verlangen, der Vernichtung von 11 000 Arbeitsplätzen, einer Lohnkürzung von acht Prozent und anderen Schweinereien nur wegen ein paar Zugeständnissen zuzustimmen. Und das unter dem Eindruck der Drohung einer Insolvenz und dem Schüren von Angst. Das alles geschieht vor dem Hintergrund sich vertiefender Krisen des Kapitalismus, die die Kolleginnen und Kollegen in unterschiedlichem Maß auch beschäftigen.

 

In den Gesprächen heute am Tor berichten die meisten, dass ihre Kollegen und auch sie selber wohl zustimmen werden. In einer Abteilung ist eine Schicht komplett dagegen. „Meine Kollegen haben die Schnauze voll, ich übrigens auch. Wenn man sieht, was auf der Welt los ist, dürfen wir gerade als Arbeiter nicht schweigen. Ob dies jetzt um den Vertrag oder das Elend in Gaza geht.“

 

Keiner der Kollegen fühlte sich wohl in seiner Haut. Sie lieferten einen ganzen Strauß von Begründungen, als Rechtfertigung für ihre Zustimmung: „Ich bin mit dem Ergebnis nicht einverstanden, aber der Betriebsrat hat gesagt, wenn wir ablehnen, verhandelt die IG-Metall-Bezirksleitung nicht noch mal.“ „Statt zu schmollen, ist es Aufgabe der IG-Metall-Führung, die Meinung der Mitglieder zu respektieren. Selbst wenn die Abstimmung eine mehrheitliche Ablehnung ergibt, sind aber damit die Kahlschlagpläne noch nicht vom Tisch! Dazu ist ein konzernweiter selbständiger Streik notwendig! Dazu darf die IG Metall zwar nicht aufrufen, aber sie ist gefordert und kann sehr wohl die Solidarität und den Kampf gegen Repressionen organisieren!“

 

„Eigentlich bin ich dafür, das Ergebnis abzulehnen. Aber in dem Fall muss ich an mich denken. Ich bin so angeschlagen, dass ich im Fall der Arbeitslosigkeit keine Stelle mehr finde.“ „Das kann durchaus sein, aber wie lang willst Du Dich immer dem angeblich kleineren Übel beugen. Und wer sagt Dir, dass die Bude noch zehn Jahre steht?“

 

„Die IG Metall hat gesagt, mehr war nicht drin, was sollen wir denn dann machen?“ „Wie kann man das behaupten, wenn gar nicht richtig gestreikt wurde?“ Das kann nur jemand sagen, der voll die Argumentation vom Vorstand übernommen hat.“
Man merkte in den Gesprächen, wie sich die proletarische Denkweise sträubte, dem oberfaulen Verhandlungsergebnis zuzustimmen. Die führenden reformistischen Vertreter der IG Metall und im Betriebsrat bombardieren die Kolleginnen und Kollegen mit immer neuen Varianten der kleinbürgerlichen Denkweise. Vor allem Argumente wie „Die Kollegen sind nicht kampfbereit“ und „Mehr war nicht drin“ wirken zersetzend und demoralisierend.


Deshalb haben wir in den Gesprächen mit den Kollegen vor allem das proletarische Klassenbewusstsein und den proletarischen Ehrgeiz angesprochen. „Was glaubt ihr wohl, warum die so lange verhandelt und Euch gewisse Zugeständnisse gemacht haben? Beweist das nicht, dass ihr eigentlich am längeren Hebel sitzt? Die wollen Euch nur so lang kleinreden, bis ihr selbst daran glaubt. Zeigt nicht die Kürzung des Jubiläumsgeldes, dass es für uns Arbeiter im Kapitalismus keine Wertschätzung gibt? Deshalb ist die MLPD für den echten Sozialismus, wo die Ausbeutung und Unterdrückung abgeschafft, Faschismus und Kriegsgefahr der Boden entzogen wird und die Arbeiterklasse mit ihren Verbündeten bestimmt, wo's lang geht.“


Unsere Diskussion führte nicht nur dazu, dass einige Rote Fahnen den Besitzer wechselten. Das eine oder andere Argument von uns hat die Kollegen zum Nachdenken gebracht. Einer erklärte, dass er seine Entscheidung nochmals, sein Rangehen an die Abstimmung kritisch überdenken und mit seinen Kollegen darüber diskutieren will. Ich finde, heute war der Einsatz erfolgreich.