ARD-Sommerinterview mit AfD-Weidel

ARD-Sommerinterview mit AfD-Weidel

Verharmlosung trifft auf Protest

Im ARD-Sommerinterview am 20. Juli wurde der Chefin der AfD, Alice Weidel, erneut eine breite Bühne gegeben, um ihre faschistischen und rassistischen Positionen darzulegen. Diese verpackte sie in berechtigte Kritik an der aktuellen Merz-Regierung.

Von Ulrich Achenbach, Bochum / ffz
Verharmlosung trifft auf Protest
Die Kulisse des Sommerinterviews sollte zur Bühne für Weidels faschistische Demagogie werden - aber dagegen gab es lautstarken Protest. (Bild: "Berlinschneid"; Lizenz: CC BY-SA 4.0)

Im Gespräch mit Hauptstadtstudio-Leiter Markus Preiß bezeichnete sie Bundeskanzler Merz unter anderem als „Lügenkanzler“. Wörtlich zitierte sie: „Ich habe Friedrich Merz als Lügenkanzler bezeichnet – zu Recht, weil er alle Wahlversprechen gebrochen hat, die er von sich gegeben hat.“ Besonders monierte sie die nicht durchgeführte Abschaffung der Stromsteuer und – wie nicht anders zu erwarten – die Senkung beziehungsweise Abschaffung des Bürgergelds.


Zum einen zeigt das wieder den grundsätzlich massenfeindlichen Charakter der AfD, zum anderen aber auch, wie sie zwischen deutsche und ausländische Menschen, ob Leistungsbezieher oder Arbeiter, einen Keil treiben will. Weidel erklärte, dass für alles Geld da sei, aber nicht für die „eigenen Leute“.¹ Die berechtigte Kritik, dass die Merz-Regierung den einfachen Menschen keine Hilfe leisten will, greift sie auf und verdreht sie rassistisch. Demagogisch tönt Weidel: Das Bürgergeld koste im Jahr rund 50 Milliarden Euro, die Hälfte der Bezieher seien Ausländer. „Und die andere Hälfte hat zu drei Vierteln einen Doppelpass.“ Man alimentiere Menschen, die nie in die Sozialsysteme eingezahlt hätten, so Weidel.

 

Das aber ist eine perfide Lüge: Die meisten "Ausländer" die sich in Deutschland aufhalten kamen immernoch als so genannte "Gastarbeiter" nach Deutschland oder sind deren Nachfahren, und die haben sehr wohl in das Sozialsystem eingezahlt, und zwar oft ihr Leben lang durch harte Arbeit, ohne politische Gleichstellung zu haben. Tatsächlich hat die Techniker Krankenkasse (TK) für Tagesspiegel Background 2020 ermittelt, dass die Migration eine reale Entlastung für die Sozialkassen ist. „Die Zuwanderung seit 2012 bedeutet für die Gesetzliche Krankenversicherung eine Entlastung in Höhe von etwa acht Milliarden Euro im Jahr oder umgerechnet 0,6 Beitragssatzpunkte“, fasste damals TK-Finanzchef Thomas Thierhoff zusammen.

 

Die Wahrheit ist: Auch Weidel und die AfD wollen "den eigenen Leuten" keine Hilfe leisten. Tatsächlich übernimmt die Merz-Bundesregierung die Positionen der AfD, indem sie das Bürgergeld durch eine „Grundsicherung für Erwerbslose“ ersetzen wird. Damit strebt sie unter anderem Kürzungen der Leistung an (zum Beispiel durch Pauschalierung der Kosten der Unterkunft).

Was kosten die AfD-Positionen eigentlich?

Die AfD hatte im Wahlkampf viele Versprechen gemacht und Forderungen gestellt – unter anderem die nach einer massiven Senkung der Einkommenssteuer, nach der kompletten Abschaffung von Grund- und Erbschaftssteuer und die nach niedrigeren Energiepreisen. Das Institut der Deutschen Wirtschaft schätzt die Kosten dieser Maßnahmen auf 149 Milliarden Euro pro Jahr.

 

Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen und wird, verkürzt gesagt, auf bebaute und unbebaute Grundstücke (Grundsteuer B) sowie landwirtschaftliche Flächen (Grundsteuer A) erhoben. Wir sind durchaus dafür, die Besitzenden über diese Steuer an den Kosten des Gemeinwohls zu beteiligen, allerdings muss man verhindert, dass die Kosten am Ende bei den Vermietern landen oder Klein- und Mittelbauern in den Ruin getrieben werden.

 

Wenn Weidel und Co. pauschal deren Abschaffung fordern, bevorzugt das wieder die Unternehmen. Aber nicht nur das, die ohnehin schon überschuldeten Gemeinden und Städte würden völlig handlungsunfähig. Das bedeutet schlimmstenfalls, dass wesentliche Leistungen der Kommune wegfallen - zum Beispiel, dass kein ÖPNV mehr verkehren kann, weil die Gemeinden hierfür hohe Zuschüsse zahlen. Aber selbst die Pflichtausgaben wie beispielsweise die Sozialhilfe sind dann in Gefahr.

 

Wenn die AfD eine massive Senkung der Einkommenssteuer fordert, meint sie die Einkommenssteuer für Gutsituierte beziehungsweise die drastische Senkung des Spitzensteuersatzes. Eindeutig bezieht Weidel für die Vermögenden Partei, indem sie die Abschaffung der Erbschaftssteuer fordert.

Überall wo sie sich zeigen: Der Protest ist stärker

Die ARD nahm mit diesem Interview leider die bisher weitestgehende Verharmlosung der AfD in der Öffentlichkeit vor – bezahlt mit den Steuergeldern der Massen! Das Interview wurde entsprechend berechtigt von lautstarken antifaschistischen Protesten gestört. Die Demonstranten hatten einen Bus mit extrem starken Lautsprechern ausgerüstet. Teilweise konnte Weidel die Fragen ihres Interviewpartners nicht mehr verstehen.

 

Gegen diese Protestaktion ging bald die Polizei vor, mit der Begründung, die Demo sei nicht angemeldet worden. Das war ein Vorwand, denn nach dem Versammlungsgesetz sind auch spontane Demos nicht rechtswidrig. Auch der Polizeieinsatz ist Ausdruck der Rechtsentwicklung in Deutschland. Nach dem Interview kündigte die ARD Konsequenzen an. „Ein ungestörter Ablauf der Interviews ist in unserem Interesse und vor allem im Interesse des Publikums, daher werden wir aus der Sendung Schlüsse ziehen und in Zukunft Vorkehrungen treffen“, sagte eine Sprecherin der Nachrichtenagentur dpa. Die Hauptsorge der ARD ist also nicht, dass sie der AfD eine solche Plattform gab, um ihre Lügen zu verbreiten - sondern der Protest dagegen.

 

Aber gegen die Faschisten entsteht der Protest mittlerweile überall, wo sie sich zeigen, und in manigfaltiger Form. In Regensburg weigerte die Schlagersängerin Vicky Leandros sich, zu singen, wenn die Faschistin Weidel im Publikum säße. „Alice Weidel ist bei meinem Konzert nicht willkommen“, sagte sie laut Bild-Zeitung der Schirmherrin der Festspiele, Gloria von Thurn und Taxis, am Telefon. „Ich stehe für Vielfalt, Toleranz, Menschenwürde, Menschenrechte und Internationalität“. Gloria von Thurn und Taxis hatte Weidel selbst eingeladen, aber am Ende blieben beide den Festspielen fern - sehr gut! 900 Demonstranten hatten sich bereits versammelt, um gegen das Erscheinen der Faschistin zu protestieren.

 

Wir sagen: Solche Proteste sind richtig, denn Faschismus ist keine Meinung, er bleibt ein Verbrechen - also keine "freie Meinungsäußerung" für Faschisten. Stattdessen das sofortige Verbot der AfD und ihrer Propaganda!