„Wenn meine Angst zur Waffe wird …“
Gegen Trans- und Queer-Hass von Faschisten und religiösen Fanatikern
Nadja Schallenberg ist Trans*-Menschenrechtlerin und öffentliche Ansprechpartnerin für die Rote-Queer-Politik der MLPD. Sie schreibt, wie sie sich mit dem Trans*- und Queer-Hass von Faschisten und religiösen Fanatikern fühlt und auseinandersetzt.
Es ist einer dieser Tage, an dem ich einen Bericht sehe, wie unsere gewohnte Welt von faschistischen und religiösen Fanatikern angegriffen und vergiftet wird. Gefährliches explosives Öl ins Feuer geeimert wird. Überall wo ich hinschaue, Explosionen. Spuren, die sich einbrennen, tief in das Seelenfleisch …
Freunde sagen zu mir, sie haben Angst um mich, dass mir etwas zustoße. Das nach 35 Jahren öffentlicher Trans-Politik, die hinter mir liegt. Ich habe das konfuse Ende der DDR miterlebt. Wo zum Schluss Gerüchte kursierten, es seien Internierungslager geplant. Na und … sollen sie mich einsperren, sollen sich mich foltern. Mich zwingt niemand auf die Knie.
Nach der Wende, da bin ich Anfang 20, da fragte ich mich, ob ich als Kommunistin aufrecht und sichtbar sein soll. Mit dem Hintergedanken, es könne mich ein Berufsverbot ereilen. Lange muss ich nicht darüber nachdenken. Mein Großvater mütterlicherseits sitzt im Nazi-Deutschland als Kommunist im KZ. Mein Vater hat in der DDR als politischer Künstler ein indirektes Ausstellungs- und Berufsverbot. Was soll’s, es gibt immer einen Weg. Meine mutige und aufrichtige Familie zeigt es mir immer wieder. „Kind, lass dir nicht das Rückgrat brechen.“ Das wichtigste ist, dass ich bei mir bleibe, dass ich in den Spiegel schauen kann. Mich zwingt niemand auf die Knie.
Ich kämpfe mich als politisch sichtbare Transe durch die krassen 1990er, die anfänglichen 2000er Jahre. Nichts kann mich aus der Fassung bringen. Denn ich weiß, wir haben im queeren Befreiungskampf viel erreicht. Die Saat der Gerechtigkeit trägt Früchte. Bunte schöne die uns nähren, Zuversicht schenken, uns ermutigen und stärken, weiter für unsere Freiheit zu kämpfen. Wir Queers haben eine Zukunft. Wir gehören dazu …
Ihr Nicht-Queeren könnt wo ihr wollt euren Liebensmenschen knutschen. Müsst euch nicht auf der Arbeit, in der Familie, unter Freunden verstellen. Könnt einfach so sein, wie ihr seid … In mir kocht die Wut!
Ja klar, höre ich, wir müssen uns auch anpassen, unterwerfen. Es ist etwas ganz anderes. Was für euch scheinbare Normalität ist, ist für uns oft Kampf, Selbsterniedrigung, Verleumdung. Ein Selbstschuss ins eigne Herz. Viele von uns verlässt die Kraft, nehmen sich das Leben.
Wie viele Queers habe ich verzweifelt, weinend erlebt, die durch ihr Coming Out alles verlieren. Die Kinder, die Arbeit, die Familie … Einfach alles. Der Preis für ein selbstbestimmtes Leben ist scheiße brutal …
Doch spüre ich, dass wir einen Riesenschritt weiter sind. Wir gehören dazu. Zur Gesellschaft. Zur Normalität. Sind ein Teil des Großen und Ganzen
Ich schaue aus dem Fenster und höre sie schreien, „Schützt unsere Kinder vor solchem Abschaum wie ihr!“ „Es gibt nur zwei Geschlechter, Mann und Frau, wer es besser weiß, wird eines besseren belehrt.“ Früher durften Faschisten Juden durch’s Dorf jagen. Heute sind wir es, die Homos, die Trans*, die „Perversen“, die nicht in eure faschistisch-arisch-völkische Normalität passen.
Wie vor der Schlange sitze ich derweil, wie ein kleines verängstigtes Häschen, zitternd. Mir bleibt die Sprache weg. Ohnmacht macht sich in mir breit, in meinen erfrorenen Adern. Euer Hass uns gegenüber wird immer stärker und brutaler. Eure Wut auf alles, das nicht so ist wie ihr, ist wie eine Zeitbombe. Die Uhr tickt rasend schnell. Drei vor zwölf. Mir stockt meine Seele …
Hunderttausende verbünden sich mit uns. Queers sind Teil der antifaschistischen Bewegung. Heteros sind Teil der queeren Bewegung. Eure Solidarität schenkt mir Mut und Zuversicht. Und doch fühle ich mich allein. Schutzlos … Noch nie hatte ich so ein scheiß Gefühl der Ohnmacht. Doch ich weiß, meine Angst ist meine Kraft, meine Kampfenergie. Ihr zwingt mich nicht auf die Knie …
Auch wenn ihr Faschisten mich tot schlagt, stehen Tausende hinter mir. Nehmen Tausende meine Fackel in die Hand. Wird aus unserer Angst ein Flächenbrand. Der euch Faschisten wütend verschlingt. Aus eurer braunen Asche erwächst unser gemeinsamer bunter Garten, stärker denn je. Wächst aus Hass Regenbogenliebe ...