Dublin/Irland
Zunehmend selbstorganisiert: Tausende gegen die Wohnkrise
Die Wohnungsnot in Irland ist kein Zufall – sie ist das Ergebnis bewusster Politik im Interesse von Investoren, Spekulanten und Großgrundbesitzern. Besonders junge Arbeiter:innen, etwa in den Callcentern internationaler Tech-Konzerne wie Google, Amazon oder Telus, sind betroffen.
Ein-Zimmer-Wohnungen kosten nicht selten bis zu 2 000 Euro im Monat – wer in Städten wie Dublin, Cork oder Galway lebt, teilt sich oft ein überfülltes Zimmer mit mehreren Betten für 500 Euro pro Person. Kaum eine andere Regierung in Europa hat öffentliches Eigentum so bereitwillig an private Investoren verschleudert wie die irische.
Und die neue Regierung unter Micheál Martin hat keinerlei Interesse an einem Kurswechsel – im Gegenteil: Sie will Steuervorteile für Konzerne und den Zugriff auf öffentliches Eigentum für internationale Investoren weiter erleichtern und nennt dies sogar “Active Policy against the Housing Crisis” („Aktive Politik gegen die Wohnraumkrise“).
Am Samstag, den 5. Juli, trieb diese Situation Tausende Menschen auf die Straßen von Dublin. Die größte Demonstration gegen die Wohnkrise seit Jahren wurde von der Community Action Tenants Union (CATU) getragen – einer kämpferischen Mieter:innen-Gewerkschaft, die sich landesweit in Arbeiter:innenvierteln organisiert, Zwangsräumungen verhindert, rechtliche Aufklärung betreibt und eine beispielhafte, regelmäßige Kleinarbeit in den Arbeiter Communitys leistet.
Die Demonstration war kämpferisch, laut und klassenbewusst: In Sprechchören riefen hunderte junge Menschen „Too many landlords in the Dáil – Jail, Jail, Jail them all!“ – (dt. "zu viele Vermieter sitzen im Parlament, und sie gehören ins Gefängnis"). Tausende Kehlen sangen – angelehnt an ein bekanntes Bob-Marley-Lied – den Slogan: „Landlord, landlord – what ya gonna do? What ya gonna do when we come for you?“ (dt. "Vermieter, Vermieter - Was wirst Du tun? Was wirst Du tun wenn wir dich holen kommen?") Ein Ausdruck der wachsenden Wut über die Praxis, Menschen ohne Begründung und mit nur wenigen Tagen Frist aus ihren Wohnungen zu werfen – eine Praxis, die in Irland legal ist. Eine wachsende Zahl insbesondere junger Menschen organisiert sich in CATU – auch getragen von antikapitalistischen Organisationen wie der Connolly Youth Movement (CYM), einer Organisation mit revolutionär-marxistisch-leninistischem Anspruch. Sie spielt eine zentrale Rolle in der Radikalisierung der Wohnungsproteste, und bringt revolutionäre Inhalte in die Bewegung ein.
Auch wir selbst waren mit einer ICOR-Fahne auf der Demonstration vertreten, haben uns aktiv an der Vorbereitung in Cork City beteiligt und in enger Zusammenarbeit mit CATU in den Arbeiter:innenvierteln Corks mobilisiert. Wir sind zusammen mit unseren Freunden von CATU an Haustüren gegangen, haben Flugblätter verteilt, zu der Demonstration aufgerufen und auch zum Eintritt in die Gewerkschaft ermutigt.
Dabei haben wir auch unsere Erfahrungen aus der Arbeit in deutschen Stadtteilen eingebracht, um den Aufbau einer organisierten Mieter:innenbewegung in Irland zu unterstützen. Was hier entsteht, ist mehr als eine Protestbewegung gegen hohe Mieten. CATU steht für eine neue Art von Organisation, die sich tief in den Communitys verankert, auf Selbstorganisation und Solidarität setzt und den Kapitalismus als Ursache der Krise offen benennt.