Fuball-EM der Frauen
Missbrauch für die Bundeswehr
Aktuell kursiert in den sozialen Medien ein Video mit der deutschen Nationalspielerin Cora Zicai. Die große Begeisterung für das deutsche Team wird hier perfide zur Bundeswehr-Werbung, sprich Militarisierung missbraucht.
Cora Zicai erscheint bei Tictoc und Co im Nationaldress und erklärt: »Unsere Verteidigung wird immer besser, aber irgendetwas fehlt noch?« In Bundeswehruniform antwortet eine Soldatin: »Cora, ist doch klar, unser Kader ist zu klein«. Dann folgt die Werbung, sich bei der Bundeswehr als Zeitsoldat(in) zu melden.
Das Ganze ist kein Zufall, nur weil Cora Zicai eine sogenannte Sportsoldatin ist. Der lesenswerte Abschnitt über die proletarische und imperialistische Sportkultur im Buch "Die Krise der bürgerlichen Gesellschaftswissenschaften, der Religion und der Kultur" deckt die Systematik dahinter auf: »Im Rahmen des Profisports fand eine schleichende Militarisierung mit Sportarten wie Schießen, Biathlon oder modernem Fünfkampf statt. Die Anstellung von Spitzensportlern bei Bundeswehr und Bundespolizei soll deren Image aufpolieren. 2021 waren 34 Prozent der deutschen Olympioniken bei der Bundeswehr verpflichtet.«¹
Zwischen dem DFB und der Bundeswehr besteht eine offizielle Partnerschaft und betrifft damit alle Nationalspielerinnen, nicht nur die Sportsoldatinnen. Gezielt wird Sport eingesetzt, um die Militarisierung der Gesellschaft voranzutreiben. Ganz offen schreibt das Bundesverteidigungsministerium, »mit der Ertüchtigungsinitiative übernimmt die Bundesregierung international mehr Verantwortung in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik.« Millionen Euro fließen in die Werbeindustrie - im Falle Cora Zicai ist es die Castenow Agentur, die das TicToc-Video produziert hat.
Politik, Konzerne und Massenmedien lenken die Sportbegeisterung in eine imperialistische Richtung. Unrühmlicher Tiefpunkt war der Sponsoring-Deal zwischen Borussia Dortmund (BVB) und dem berüchtigten Rüstungskonzern Rheinmetall im Mai 2024. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke begründete diese neue „Champion-Partnerschaft“ ausdrücklich politisch, um dazu beizutragen, den Diskurs über Waffenlieferungen zu führen.
Zuvor hatte Borussia Mönchengladbach einen 10 Millionen Euro schweren Deal mit Rheinmetall abgelehnt. Obwohl die Mitgliederversammlung diese Partnerschaft mehrheitlich ablehnte, hielten Watzke und Co an dem Drei-Jahres-Vertrag fest. Er steckte allerdings mit 20 Millionen Euro das Doppelte ein. Entgegen vieler Fan-Proteste.
Begeisterung für den Spitzensport und Empörung über seinen Missbrauch für Profit- und Kriegsinteressen - für viele Fans ein Dilemma. Der oben zitierte Text von Stefan Engel hilft mit einer differenzierten Betrachtung und bietet Lösungsvorschläge.
Ob Cora Zicai heute Abend gegen Frankreich ins Halbfinale einziehen kann, ist zur Stunde noch offen. Dass die Bundeswehr mit ihrem Spot ein Eigentor geschossen hat, ist in jedem Fall zu hoffen.
Die Krise der bürgerlichen Gesellschaftswissenschaften, der Religion und der Kultur
202 Seiten
19 €