Von der Quelle bis zur Mündung
Fahrradurlaub: „An der Saale hellem Strande …“
Unsere Radtour führte uns dieses Jahr etwa 500 km entlang der Saale, von ihrer Quelle bei Zell im Fichtelgebirge (Bayern) durch das Thüringer Schiefergebirge bis zur Mündung in die Elbe bei Barby (Sachsen-Anhalt).
Wir erlebten eine reizvolle und abwechslungsreiche Kulturlandschaft voller Überraschungen, wunderbaren Ausblicken und vielen kulturhistorischen Sehenswürdigkeiten, ob in kleineren Orten oder großen Städten wie Jena und Halle.
Im kleinen Städtchen Blankenstein, wo der berühmte Rennsteig beginnt, erfuhren wir im dortigen Grenzmuseum, dass hier mehrere Familien ihre Häuser und Wohnungen verlassen mussten, da sie direkt an der Saale als Grenzfluss martialischen Grenzbefestigungen mit Stacheldraht, Schutzstreifen und Wachturm im Wege standen. Grund war das damals größte und europaweit modernste Zellstoffwerk der DDR direkt am Ufer mit über tausend Beschäftigten. Dieses produziert auch heute noch.
Weiter ging die sehr gebirgige Strecke mit zum Teil starken Steigungen entlang den Ufern des Bleiloch Stausees. Er ist mit 28 km Länge der größte Stausee Deutschlands. Mit einmaligen Panoramaausblicke und herrlichen Abfahrten durch Wälder und Wiesen wurden wir von den Anstrengungen wieder entschädigt. Wer weiß schon, dass es hier am Oberlauf der Saale insgesamt vier Stauseen und ein Pumpspeicherwerk gibt? Sie wurden in den 30-iger Jahren des letzten Jahrhundert gebaut und dienen bis heute der Stromerzeugung.
In Jena begaben wir uns auf die Spuren von Schiller und Goethe, die damals öfter in der Stadt weilten. Im Goethe-Laboratorium erfuhren wir, dass Goethe nicht nur Dichter und Staatsmann, sondern auch ein engagierter Naturforscher und Wissenschaftler war, der neue Erkenntnisse und Gesetzmäßigkeiten auf den Gebieten der Geologie und Mineralogie, der Anatomie und Botanik bis hin zur Theorie der Farben und der Meteorologie machte. Leider konnten wir das Deutsche Optische Museum nicht besuchen, weil es wegen Umbau geschlossen war.
In Naumburg ließen wir uns in der historischen Kulisse des schönen Marktplatzes einen leckeren Eisbecher schmecken. Den Besuch des Naumburger Doms St. Peter und Paul (UNESCO-Weltkulturerbe) verkniffen wir uns. Der Eintritt von fast zehn Euro war uns dann doch zu teuer, zumal wir ihn vor Jahren schon einmal besichtigt hatten. Stattdessen unternahmen wir einen Abstecher in das wunderschöne Unstruttal bis ins Winzerstädtchen Freyburg mit der historischen Rotkäppchen-Sektkellerei, entlang an steilen Weinbergen, dort typischen Weinberghäuschen und kleinen Weinschenken. Natürlich durfte ein kühler und edler Tropfen Unstrutwein nicht fehlen.
Höhepunkt unserer Radwanderung war Halle. Hier gehört es zum Muss, sich die 3600 Jahre alte „Himmelsscheibe von Nebra“ (UNESCO-Dokumentenerbe) anzusehen. Sie ist die älteste konkrete Himmelsdarstellung der Menschheit! Sie ist das Herzstück des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle, das mit über 16 Millionen Funden (!) aus mehr als 500.000 Jahre Menschheitsgeschichte zu den größten Archäologiemuseen Europas gehört. Neben der Rekonstruktion eines lebensgroßen Neandertalers kann man u.a. auch die 370.000 Jahre alten Menschenreste des Homo erectus aus Bilzingsleben (Thüringen) bestaunen. Diese frühen Urmenschen waren bereits denkende und bewusste Menschen, fähig zu geistigen und sprachlichen Äußerungen. Nur in der Gruppe konnten sie sich in der Wildnis und als Großwildjäger zunehmend erfolgreich behaupten. Dazu mussten sie sich organisieren, planen, sich mitteilen, vorbereiten, um dann gemeinsam zu handeln. Ohne Denkvermögen, Sprache und waffentechnisches Geschick ist ein solches Wirken nicht vorstellbar. So bestätigt die aktuelle prähistorische Forschung die materialistisch-dialektische Auffassung vom „sozialen Wesen des menschlichen Lebens“ und ihr bereits entwickeltes Kulturniveau.
Die letzten Etappen gingen weiter durch die einzigartige Flusslandschaft des Naturparks „Unteres Saaletal“ durch artenreiche Auwälder fast immer am Ufer entlang über Bernburg bis Barby, wo die Saale als breiter schiffbarer Fluss in die Elbe mündet. Es waren erlebnisreiche und erholsame zwei Wochen auf dem „Sattel“. Diesen abwechslungsreichen Flussradweg durch eine der schönsten Kulturlandschaften Deutschlands können wir allen Liebhabern des Radwanderns nur empfehlen.