Vorstand und IG Metall einigen sich auf Verhandlungsergebnis
TKSE: Einige Zugeständnisse - aber krasser Angriff auf die Stahlarbeiter
Der Vorstand von Thyssenkrupp Stahl und die Verhandlungsführer der IG Metall haben nach fast vier Tagen Verhandlungen ein Verhandlungsergebnis über einen „Sanierungstarifvertrag“ erzielt.
Eigentlich wollte der Vorstand bereits am Mittwoch ein Ergebnis vorlegen. Dass es so lange gedauert hat, lag einerseits sicherlich an Widersprüchen im Konzernlager selbst. Aber besonders an einem Verhandlungspartner, der zwar nicht anwesend, aber unübersehbar mit am Tisch saß: die kampfbereiten Kolleginnen und Kollegen an den verschiedenen Standorten. Ein Kollege aus Dortmund berichtet von der Straßenblockade am Dienstag: „Gut ein Drittel der Kolleginnen und Kollegen stimmte der Aufforderung der Kollegenzeitung „Stahlkocher“ für einen selbständigen Streik zu. Doch es gab viele Fragen dazu, vor allem über das Wie und "Wer soll’s in die Hand nehmen.“ Dass sich der Gedanke eines selbständigen Streiks durchsetzt, das war und ist die größte Angst des Vorstandes. Das war ein hauptsächlicher Grund für die lange Verhandlungsdauer und hat ihn wohl auch bewogen, gewisse Zugeständnisse an die Belegschaften zu machen.
Was sind die Ergebnisse?
- Bei TKSE sollen 11.000 Arbeitsplätze verschwinden. 5.000 werden direkt vernichtet, 6.000 Beschäftigte sollen zunächst ausgegliedert werden.
- Die Produktionsmenge soll von 11,5 auf 8,7-9 Millionen Versand reduziert werden. Ein Werk in Bochum (BNO) wird zwei Jahre früher, als bisher geplant, geschlossen.
- Die Arbeitszeit wird künftig für alle auf 32,5 Stunden/Woche gekürzt, was entsprechend weniger Lohn bedeutet. Auch bei den AT-Angestellten werden Arbeitszeit und Entgelt gekürzt.
- Bezüge für die Rufbereitschaft werden halbiert.
- Das Weihnachtsgeld wird nicht wie geplant gestrichen, sondern 2025 von 110 auf 100 Prozent gekürzt und für IG-Metall-Mitglieder ab 2026 wieder auf 110 Prozent erhöht. Für alle übrigen gilt das erst ab 2030.
- Die Sonderzahlungen im Februar und Juli (zusammen ca. 2.000 Euro) werden für vier Jahre gestrichen.
- Die Jubiläumszahlung wird für 25 Jahre auf 1000 Euro, für 35 Jahre auf 2000 Euro und für 45 Jahre auf 3000 Euro dauerhaft gekürzt.
Teil-Rückzieher des Vorstandes
Entgegen den ursprünglichen Vorstandsdrohungen gibt es - zunächst - keine Nullrunden bei den Tarifverhandlungen, Streichungen bei den vermögenswirksamen Leistungen und Kürzungen der Wintertage. Außerdem bleiben die tariflichen Regelungen für Auszubildende unverändert bestehen. Das ändert aber nichts daran, dass in dem Maße, wie Arbeitsplätze vernichtet werden, auch die Zahl der Ausbildungsplätze gesenkt wird. Außerdem nahm der Vorstand seine Drohung von offenen Massenentlassungen zurück und wird angeblich auf betriebsbedingte Kündigungen bis 2030 verzichtet. Insgesamt führt das Ergebnis der Verhandlungen zu einer Senkung der Löhne und Gehälter einschließlich Lohn- und Gehaltsanteilen von insgesamt 120 Mio. Euro. Das sind jährlich (!) durchschnittlich knapp 4500 Euro Kaufkraftverlust für jedes der 27 000 Belegschaftsmitglieder! Dazu meint eine Kollegin aus Dortmund: „Was soll das für eine Perspektive sein? Der Vorstand hält am Stellenabbau fest und wir müssen das auch noch finanzieren? Das geht gar nicht!“
Arbeitsplatzvernichtung wie geplant
Das Verhandlungsergebnis sieht eine sogenannte „Altersbrücke“ von maximal 36 Monaten vor. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als die Vernichtung von bis zu 4500 Arbeitsplätzen in den Jahren 2026 bis 2028. Und zwar durch ein „freiwilliges“ vorzeitiges Ausscheiden in die Rente. Das wird „versüßt“ durch 7000 Euro „Antrittsprämie“ plus 5000 Euro „Mitgliederbonus“, eine Aufstockung des ALG 1 auf 110 Prozent netto für 24 Monate und auf 85 Prozent netto für 12 Monate Transfergesellschaft. Außerdem soll ein nicht genannter Brutto-Betrag den Verlust von Rentenbeiträgen dämpfen.
Arbeitsverdichtung angesagt
Ein Hammer ist die Zustimmung der IG Metall-Verhandlungskommission zu einer Vereinbarung, nach der in den kommenden Monaten die Arbeit mit weniger Kolleginnen und Kollegen gemacht werden und das Ganze durch eine „betriebliche Begleitkommission“ überwacht werden soll. Mit der Zustimmung zu dieser Vereinbarung verstoßen die Verhandlungsführer der IG Metall eindeutig gegen die Satzung der IG Metall. Dort heißt es im § 2 „Aufgaben und Ziele der IG Metall sind insbesondere … 2. Erzielung günstiger Lohn-, Gehalts- und Arbeitsbedingungen durch den Abschluss von Tarifverträgen“. Der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen, das ist Aufgabe der Gewerkschaft, nicht die Zustimmung zur Steigerung der Ausbeutung, auch wenn dies mit mit „Effizienzsteigerung“ beschönigt wird.
Wie ist das Verhandlungsergebnis einzuschätzen?
Das Verhandlungsergebnis muss trotz einiger Zugeständnisse vom Arbeiterstandpunkt aus abgelehnt werden. Die Verhandlungskommission trägt damit den Kern der Vorstandspläne mit und ordnet sich der Erpressung von TKSE unter. Der Bezirksleiter der IG Metall NRW, Knut Giesler, rechtfertigte das damit, dass sonst eine Insolvenz drohe und man daher leider die schmerzhaften Einschnitte hinnehmen müsse.
Damit übernimmt er aber den Mythos vom notleidenden TKSE-Konzern. Tatsächlich hängen die Angriffe auf die Belegschaft aufs Engste mit der Kriegsvorbereitung und Hochrüstungspolitik zusammen. TKSE trennt sich vom Marine-Bereich und konzentriert die Stahlproduktion auf das für den deutschen Imperialismus Entscheidende. Das hat Bundeskanzler Friedrich Merz am Donnerstag bei der Regierungsbefragung im Bundestag indirekt bekräftigt. Ein Abgeordneter fragte Friedrich Merz, ob er sich zur Bedeutung der Stahlindustrie bekenne und die Idee eines Stahlgipfels teile. Darauf Merz: „Deutschland muss eine eigene Stahlindustrie haben“ und: „Ich möchte Deutschland nicht abhängig sehen von Stahlimporten aus anderen Ländern.“ Damit bestätigte Merz die Entscheidung der führenden Monopole auf den Erhalt einer reduzierten Stahlkapazität vor allem für die Rüstung und strategisch wichtige Branchen.
Ergebnis ablehnen! Selbständig streiken!
Natürlich überlegen viele gerade, was das Ergebnis im Einzelnen bedeutet. Aber die allgemeine Stimmung ist mehrheitlich klar gegen jeden Verzicht. Mehrheitlich waren die Kollegen für einen Streik gegen die Vorstandspläne. Ein Kollege aus Duisburg berichtet: „Natürlich gibt es auch Stimmen, die sagen, dass es nicht so schlimm kam, wie befürchtet. Und fragen, ob es denn eine Alternative geben würde. Ja, es gab und gibt eine Alternative: Wenn der Vorstand jetzt schon gewisse Zugeständnisse macht, zeigt das doch, was wir mit einem richtigen Streik erreichen können.“ Viele Kolleginnen und Kollegen sind sauer und kritisieren, dass die IG-Metall-Verhandlungsführer sich auf solch ein „faules Ei“ eingelassen haben, ohne die Kampfkraft voll eingesetzt zu haben. „Dabei kann es nicht bleiben. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen,“ kritisiert ein Walzwerker. Hoffnungen, dass man das Schlimmste verhindern könne mit den bisherigen Aktionen, haben sich als Illusionen erwiesen. Gegen die Vorstandspläne hilft nur ein konzernweiter selbständiger Streik. Das unterstützen die Betriebsgruppen der MLPD mit voller Kraft - organisiert Euch in den Betriebsgruppen der MLPD. Stärkt die Gewerkschaften und dort die kämpferische Richtung.