Selbständiger Streik nötig!
„Sozialtarifvertrag“ bei Ford: Einzelne Zugeständnisse - Vernichtung jedes vierten Jobs - betriebsbedingte Kündigungen möglich
Auf drei Betriebsversammlungen am 11. Juli 2025 in allen Schichten wurde nach wochenlangem Hinhalten die Belegschaft über die Entscheidung des US-„Direction Board“ informiert: Aktionäre und US-Manager entschieden positiv über einen in 24 Geheimverhandlungen entwickelten „Sozialtarifvertrag mit Insolvenzschutz“.
Mit 45 Folien gab der Betriebsratsvorsitzende Benjamin Gruschka einen Überblick über die komplizierten Verbarungen. Klar ist: Ford musste Zugeständnisse an die kämpferische Belegschaft machen! So wurden keine Lohnbestandteile angegriffen wie zuletzt bei Thyssen oder ZF und Ford sieht zunächst von einer Werkschließung ab. Ford hat aber sein Ziel erreicht, jeden vierten Arbeitsplatz zu vernichten. Weitere Arbeitsplatzvernichtung ist möglich. Das ist besonders krass an der Vereinbarung: Dass ausdrücklich betriebsbedingte Kündigungen ermöglicht werden.
Monatelang wurden die Kolleginnen und Kollegen hingehalten
Die Verhandlungskommission verschwieg über Monate den Kolleginnen und Kollegen die Eckpunkte. Doch der Weg war klar: Ein Sozialtarifvertrag kann nur die Konditionen für die Arbeitsplatzvernichtung regeln. Dafür hatten sich die Kollegen aber in der Urabstimmung nicht ausgesprochen, sondern für den Kampf um die Arbeitsplätze. Der 24-Stunden-Streik war für viele der erste „richtige“ Streik und zeigte ihre Kraft. Die Mehrheit forderte im Mai: Jetzt muss weiter gestreikt werden! Die Tarifkommission wollte angeblich die Verhandlungen nicht durch weitere Streiks „gefährden“, woran es viel Kritik gab, auch auf der Betriebsversammlung. Ein Abschluss, ohne die volle Kampfkraft genutzt zu haben, ohne zukunftsgerichtete Forderungen kann nicht akzeptiert werden!
Möglich wäre eine Betriebsvereinbarung mit der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich zur Rettung der Arbeits- und Ausbildungsplätze. Gefordert wurde auch statt 1% wie im Vertrag, eine 10-Prozent-Ausbildungsquote. Viele fanden „das Ergebnis enttäuschend“, „gar keine Zukunftsvereinbarungen“ oder „meine Stimme bekommt dieser Vertrag nicht“. Zugleich ging ein Großteil nach dem eineinhalbstündigen Vortrag des Betriebsrats raus: „Weniger schlimm, als befürchtet.“ Manche sind erleichtert, dass es jetzt wieder Abfindungsprogramme gibt und die Möglichkeit der Altersteilzeit. Gezielt erhöhter Arbeitsdruck und monatelange Unsicherheit stresst die Kollegen, weshalb einige auch gerne raus aus dieser Mühle wollen. Viele sind aber auch sauer.
Was wurde nun konkret vereinbart?
Der Vertrag regelt die Abfindungssummen zur Vernichtung von 2900 Arbeitsplätzen zuzüglich 660 in der Entwicklung, die aus der vorherigen Vernichtungswelle noch nicht „freiwillig“ gegangen sind. Dabei werden die Kollegen erpresst mit einem Drei-Stufenplan.
- Gehen die Kollegen „freiwillig“, dann bekommen sie die volle Abfindungssumme.
- Ansonsten folgt Stufe 2: Der Druck wird erhöht, aber nur noch 75% der Abfindung sind möglich.
- Nochmal drei Monate später wird in der 3. Stufe betriebsbedingt gekündigt. Das gilt dann nicht mehr nur auf den Bereich (gesetzlicher Sozialplan) und die Kollegen und Kolleginnen bekommen nur noch einen ganz kleinen Teil der Abfindung. Dies gilt für alle ca. 40 Bereiche, die Ford verkleinern, outsourcen oder verkaufen will, wie der Werkzeugbau, Druckguss, Werkschutz und die Gastronomie.
Die Geschäftsleitung in Person von Herrn Wassenberg stellte Senkung von Kosten und Personal als unvermeidlich dar. Die Verhandlungen waren „sehr hart“ gewesen und er bedankte sich ausdrücklich beim Verhandlungsteam. Eine „Gesamtlösung“ soll im Vertrag ein „Insolvenzschutz“ darstellen. Dieser wird aber bezogen auf das Kölner Werk abgeschafft. Denn die frühere „Patronatserklärung“ gilt nicht mehr, was mit dem Vertrag akzeptiert wird. Als Zugeständnis wurde vereinbart, dass die Kollegen im Falle einer Insolvenz trotzdem eine Abfindung zugesichert bekommen.
Zu Recht kritisierte aber eine Kollegin in der Aussprache das angebliche „Sicherheitsnetz“: „Das ist eher wie ein Spinnennetz, woran wir kleben bleiben!“ Im Falle einer Insolvenz muss jeder Kollege seine Abfindung individuell einklagen! Das kann Jahre dauern und individualisiert den Kampf völlig. Und die Arbeitsplätze sind weg.
Selbständiger Streik notwendig!
Ein Kollege griff die politische Rechtsentwicklung auch im Unternehmen an, dass Ford dem Weg von Donald Trump folgt, Diverstität und Minderheiten unterdrückt: „Wer vor einer Drohkulisse einknickt, gibt gewonnene Freiheiten auf – das ist keine Option!“ Das muss auch im Kampf für die Arbeitsplätze und Löhne gelten. Ein Kollegin deckte die psychologische Kriegsführung von Ford auf, dass angeblich nur Verluste gefahren würden: Warum sollte Ford einen solchen Vertrag abschließen, wenn sie hier keine Gewinne machen? Natürlich macht Ford auch im Kölner Werk Profite und will diese steigern, indem sie die Ausbeutung steigern. Kollegen aus dem Ersatzteillager forderten dagegen in einem gemeinsam vorbereiteten Redebeitrag selbstbewusst die Einstellung von mehr Kolleginnen und Kollegen.
Weitere Redner gingen auf den Sozialtarifvertrag ein. Es wurde kritisiert, dass er überhaupt nur die Abwicklung der Arbeitsplätze organisiert. Mehrere forderten, ihn abzulehnen. Die Urabstimmung dazu soll im August stattfinden. Bei Ablehnung besteht die Möglichkeit, gewerkschaftlich weiter für einen besseren Sozialtarifvertrag zu streiken. Es ist richtig, das Ergebnis abzulehnen und zu kritisieren, dass die reformistische Verhandlungskommission dem zugestimmt hat.
Da die Gewerkschaftsführung und die Tarifkommission zu Streiks gegen Werkschließung oder Arbeitsplatzvernichtung rechtlich nicht aufrufen kann, müssen die Kollegen selbständig streiken um ihre Arbeits- und Ausbildungsplätze und sich das Recht darauf nehmen. Die Solidarität ist ihnen sicher. Das hat der 24-Stunden-Streik bereits bewiesen. Der Stolz auf den bisherigen Kampf und Streik ist da! Die Arbeitsplatzvernichtungspläne müssen vollständig vom Tisch!