15 Euro eine SPD-Hauptforderung im Wahlkampf
Beschluss der Mindestlohnkommission: Koalitionstreit vorprogrammiert
Am 27. Juni hat die Mindestlohnkommission die Erhöhung des Mindestlohns von heute 12,90 Euro auf 13,90 Euro im nächsten Jahr und 2027 auf 14,60 Euro beschlossen.
Damit steigt der Mindestlohn um insgesamt fast 14 Prozent. Rund sechs Millionen Beschäftigte erhalten dadurch mehr Geld. Nach Aussagen des DGB macht dies für Vollzeitbeschäftigte mit einer 40-Stunden-Woche ein Plus von brutto 310 Euro monatlich aus. Die Erhöhung ist ein Zugeständnis an der wachsenden Kritik, dass sechs Millionen Beschäftigte im Niedriglohnbereich arbeiten, meist auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, darunter 830 000 „Aufstocker“. Im Koalitionsvertrag hatten CDU/CSU- und SPD-Führung eine Anhebung des Mindestlohnes auf 15 Euro für 2026 festgeschrieben. Für die SPD war dies eine Hauptforderung im Wahlkampf, um ihr ramponiertes soziales Image aufzupolieren. Vor allem aber war es ein Hauptargument von Parteichef Lars Klingbeil, um interne Kritiker gegen eine Koalition mit der CDU/CSU zu beschwichtigen.
Zustimmung von Bundesregierung und Experten
Bärbel Bas, die neue Arbeitsministerin und SPD-Co-Vorsitzende, begrüßte den Beschluss der Mindestlohnkommission ebenso wie Kanzler Friedrich Merz. Die Kommission habe ihren Vorschlag gemacht, die Bundesregierung setze das gesetzlich um - "und dann ist es entschieden," sagte Merz. (1) Die Vorsitzende des Sachverständigenrats der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Monika Schnitzer, sprach von einer "klugen Entscheidung". Aber noch viel klürger wäre die Entscheidung ausgefallen, wenn der Mindestlohn tatsächlich auf 15 Euro erhöht würde und das in einem Schritt. Das ist die Auffassung der MLPD, diese Forderung unterstützen wir voll.
Nieder mit dem kapitalistischen Lohnsystem!
Die Einführung des Mindestlohn hat zwar die schlimmsten Auswüchse des Niedriglohnsektors beseitigt. Er hat jedoch nicht verhindert, dass Menschen im Niedriglohnsektor auf zusätzliche staatliche Sozialleistungen angewiesen sind, trotzdem viele Einschränkungen hinnehmen müssen und von vielen Seiten des gesellschaftlichen Lebens ausgeschlossen sind. Und er hat erst Rechts nicht am System der kapitalistischen Lohnarbeit geändert. Deshalb sollten wir uns im Kampf um höhere Löhne und Gehälter immer an der Losung von Karl Marx orientieren: Nieder mit dem Lohnsystem!
Kritik von verschiedenen Seiten
Kritik kommt von verschiedenen Unternehmerverbänden und dem Institut der Deutschen Wirtschaft. IW-Experte Hagen Lesch warnt angesichts der Entwicklung der Lohnuntergrenze vor "einem schleichenden Verlust von einfachen Jobs". (2) Ins selbe Horn stößt auch der Handelsverband Deutschland (HDE). Bauernpräsident Joachim Rukwied bekräftigte seine Forderung nach einer Ausnahme für Saisonarbeitskräfte vom Mindestlohn.
Die ehemalige Parteichefin der Grünen Ricarda Lang sagte, die Erhöhung sei "viel zu wenig und eine herbe Enttäuschung für Millionen von hart arbeitenden Menschen". Der Linken-Vorsitzende Jan van Aken bezeichnete alles unter 15 Euro pro Stunde als „Hungerlohn". VdK-Präsidentin Verena Bentele erklärte: "Eine Anhebung auf 15 Euro wäre angesichts der hohen Inflation der letzten Jahre angebracht gewesen." Und Michaela Engelmeier, Vorsitzender des Sozialverbands Deutschland (SoVD) hält die Entscheidung für „absolut nicht nachvollziehbar. Denn die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander". (3)
Mindestlohnkommission – ein Instrument der Klassenzusammenarbeit
Die Mindestlohnkommission besteht aus je drei stimmberechtigten Vertretern der Unternehmer und der Gewerkschaften. Außerdem einer Vorsitzenden und zwei Wissenschaftlern als Berater. Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer des Monopolverbandes BDI und Mitglied der Kommission, pries den einstimmigen Beschluss der Kommission als Verteidigung der „Unabhängigkeit“ und „Schutz der Sozialpartnerschaft“. Laut der Vorsitzenden der Kommission, Christiane Schönefeld, habe sich die Kommission an der „stagnierenden Konjunktur und den unsicheren Prognosen über die weitere Entwicklung“ (4) orientiert. Das Mitglied der Kommission und des DGB-Bundesvorstandes, Stefan Körzell: „Wir stehen zu dem Kompromiss“ und „die Sozialpartner hätten ihre Handlungsfähigkeit bewiesen“! (5) Und die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi sprach auf dem SPD-Parteitag vom „Einstieg in einen echten, armutsfesten Mindestlohn“. (6)
Die “Unabhängigkeit“ der Kommission besteht in der Festlegung eines Mindestlohns, der für die Betroffenen während ihrer Arbeit und erst Recht in Rente Armut bedeutet. So viel zur „Sozialpartnerschaft“, die es im Kapitalismus nicht gibt!
Erhöhung des Mindestlohns beseitigt Armut nicht
Nach einer Richtlinie der EU muss der Mindestlohn 60 Prozent des Medianlohns (mittleres Einkommen) aller Vollzeitbeschäftigen eines Landes betragen. Wer darunter liegt, gilt als „armutsgefährdet“. Nach Berechnungen des DGB müsste zur kompletten Umsetzung der EU-Richtlinie ein Mindestlohn von 15 Euro gezahlt werden. (7) Während ein Mindestlohn von 15 Euro einen Arbeiter nicht vor der Armut schützt, sieht dies noch viel schlimmer aus, wenn der gleiche Arbeiter in die Rente kommt. Selbst mit 45 Beitragsjahren bei einem Mindestlohnniveau von 15 Euro käme der Arbeiter auf eine Rente von rund 1170 Euro brutto, was etwa 1043 netto entspräche. Die Schwelle für Armutsgefährdung liegt allerdings bei 1380 Euro netto. Um so viel Rente zu bekommen, müsste der Mindestlohn bei 20,59 Euro liegen. (8)
Positive Auswirkungen des Mindestlohns auf die Tariflöhne
Eine wissenschaftliche Untersuchung der Hans Böckler Stiftung von 2023 kommt nach der Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro zu folgendem Ergebnis: „Die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro hat dazu beigetragen, dass auch die Tariflöhne in einigen klassischen Niedriglohnbranchen deutlich angehoben wurden. Hiervon profitierten nicht nur die untersten Lohngruppen, sondern alle Beschäftigten.“ (9) Die Probleme vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen haben ihre Ursache nicht in erster Linie bei den hohen Lohnkosten, sondern an den steuerlichen Belastungen und bürokratischen Auflagen. Sie müssen zu Lasten der Großunternehmen und Monopole entlastet werden, so dass sie auch ihren Beschäftigten Löhne zahlen können, die zu einem würdigen Leben notwendig sind.