Berlin / Dortmund
Ein revolutionärer Geist wehte durch die Demonstrationen
Deutlich über 60.000 Menschen waren gestern in Solidarität mit den Menschen in Gaza, mit dem palästinensischen Befreiungskampf und gegen den Völkermord Israels in Gaza in Berlin und Dortmund auf die Straßen gegangen. Spürbar war ein revolutionärer Geist unter teilnehmenden Jugendlichen.
Berlin: Über 60.000 Menschen "United for Gaza"
Überwiegend junge Leute aus ganz Deutschland trafen sich am 21. Juni in Berlin – vor dem Bundestag. "United for Gaza" - unter diesem Motto reihte sich Berlin in die weltweite Protestbewegung gegen den Völkermord in Gaza ein. Ältere fühlen sich – nicht zu Unrecht – an die weltweiten Proteste gegen den Vietnamkrieg erinnert. Der Krieg des israelischen Imperialismus gegen den Iran, der seit Tagen andauert, sorgte sicher für zusätzliche Mobilisierung. Und so wehten heute auch viele Fahnen des Iran auf der Demonstration. Es waren allerdings überwiegend und so weit zu erkennen keine Anhänger des iranischen Regimes oder des alten iranischen Feudalismus. Im Gegenteil: Applaus brandete auf, als am offenen Mikrofon des Internationalistischen Bündnisses und der MLPD die Kriegslüge entlarvt wurde, die Bombardements würden die iranische Opposition unterstützen.
Unter den Demonstranten waren auffällig wenig Parteien. Neben der MLPD vor allem noch ein großer Block der Linkspartei und einige Fahnen von Mera 25. Viele hatten selbstgemalte, fantasievolle Schilder dabei. Auch wenn wenig Gewerkschaftsfahnen zu sehen waren, waren Gewerkschafterin oder Gewerkschafter allgegenwärtig, zu erkennen an ihren Cappy oder Westen. Gewerkschafter für Palästina sprachen auf dem Wagen der Linkspartei, andere am offenen Mikrofon des Internationalistischen Bündnisses. Dort ergriffen auch mehrmals sehr junge Jugendliche oder gar Kinder das Wort. „Ein Volk, das so mutige Kinder hat, ist unbesiegbar“, so der Moderator.
Ein Genosse des Jugendverbandes REBELL warb für eine sozialistische Jugendbewegung. Dieser Gedanke war vielen erst mal neu, aber es gab große Offenheit, darüber zu diskutieren. Denn selbst wenn der Waffenstillstand erkämpft ist, bleibt der Imperialismus und wird immer wieder die Völker mit Krieg überziehen. Erst wenn er weltweit beseitigt ist, kann Völkerfrieden herrschen. Das erfordert internationale sozialistische Staaten der Welt.
Auch ein Vertreter der jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden nutzte das Mikrofon, um für weitere Aktionen zu werben.
Solange der Akku der Lautsprecheranlage mitmachte, wurden auch immer wieder Lieder gespielt. Augen- und ohrenscheinlich ist das italienische Partisanenlied "Bella Ciao" auch im arabischen Raum durchaus bekannt und wurde gerne mitgesungen.
Der ausgesprochen solidarische und hilfsbereite Umgang untereinander steht diametral dem medialen Zerrbild von den fanatischen Israel-Hass-Demos gegenüber. „Hoch die internationale Solidarität“ war neben „Free Palestine“ eine der meistgerufenen Parolen. Aber es gab auch interessante neue.
Wo immer die Förderung der ICOR für das Gesundheitsprojekt Al-Awda in Gaza bekannt gemacht wurde, stieß sie auf große Begeisterung. Schon auf der Anreise wurde in mehreren Zügen dafür einiges an Geld gesammelt. „Schade, dass es zu diesem Projekt noch keine Flyer gibt, davon hätten wir heute Zehntausende verteilen können“, so einer der Aktivisten. Viele aus den palästinensischen Gemeinden hatten davon noch nichts gehört.
Angesichts der vielen Teilnehmenden hielt sich die Polizei – für Berlin unüblich – bis zum Ende relativ zurück. Palästinensische Aktivisten aus der Demo-Vorbereitung berichteten, dass dies die erste Demonstration seit langem in Berlin war, die tatsächlich bis zum Ende laufen konnte und durfte. Erst kurz vor Auflösung der Demo starteten Greiftrupps der Polizei immer wieder völlig unprovozierte Schubsereien und Attacken. Das Gros der Teilnehmenden ließ sich davon nicht provozieren und den Erfolg der Demonstration dadurch einschränken. Insgesamt eine begeisternde Demonstration, die Mut macht, sich mit den imperialistischen Kriegen, Krisen und Katastrophen nicht abzufinden.
Dortmund: Wir werden nicht aufhören, laut zu sein – Freiheit für Palästina!
Von Paderborn bis Aachen: Fast 1000 meist junge Teilnehmer füllten zum Auftakt die Katharinentreppe. Ein buntes Meer von Fahnen bildete die Vielfalt des Bündnisses ab. In solidarischer Zusammenarbeit und Diskussion hatten sich 23 Organisationen und weitere Einzelpersonen von Mera 25, MLPD, Linksjugend, SDAJ, Widersetzen, Jüdischer Stimme, Palästinensischem Haus, Musiker, revolutionäre und antifaschistische Jugendgruppen und weitere an der Vorbereitung beteiligt.
Larissa von Mera 25 eröffnete die Demo mit voller Überzeugung „Der Widerstand wird nicht aufhören und wir verurteilen die Repression gegen palästinasolidarische Menschen in Deutschland. Stoppt den Völkermord! Stoppt den Krieg!“ Ein kleiner Junge forderte unter Beifall den Stopp der Blockade für die Menschen in Gaza. Mit lauten Parolen und den Trommlern des Jugendverbands REBELL startete die Demo schwungvoll auf dem Wall. Ein ganzer Programmblock wurde von den Jugendorganisationen bestritten: Eine Stahlarbeiterin aus Duisburg vom Ortsjugendausschuss der IG METALL berichtete von der Solidarität der Arbeiter, wenn die Hafenarbeiter Waffenlieferungen blockieren. „Es sind weltweit die Arbeiter und kleinen Leute, die in den Kriegen das Kanonenfutter sind. Die israelischen und palästinensischen Arbeiter haben die gleichen Interessen. Die Arbeiterklasse ist eine Macht und muss gegen die Kapitalisten und Kriegstreiber kämpfen. 'Free Palestine' muss auch heißen 'Free Palestine from Kapitalism'.“ Das schmiedete das weitere Band der Arbeiterklasse mit der Palästinasolidaritätsbewegung. Vorbehalte, die Arbeiter und Gewerkschaften wären mitverantwortlich für Waffenlieferungen, konnten abgebaut werden.
Die Rednerin des revolutionären Jugendbundes attackierte die Demagogie der Bundesregierung: „Sie reden von Frauenrechten und Befreiung, dann folgen Drohnenkriege und Bomben“. Der Redner des REBELL betonte die Bedeutung des Zusammenschlusses vieler Organisationen heute und mit der Bevölkerung in Diskussion zu treten: „Trotz einseitiger Berichterstattung haben wir beigetragen, dass die Mehrheit der Leute in Deutschland gegen Waffenlieferungen und Krieg eintritt“. Der Redner der Linksjugend griff die Doppelmoral der imperialistischen Staaten an. Die SDAJ forderte: „Schluss mit der Kooperation der Bundeswehr mit Schulen und Unis! Kein Lehrauftrag, Bundeswehr raus aus den Schulen!“.
Nach zahlreichen Polizeiprovokationen und Stopps der Demo lief der Zug nach drei Stunden in praller Sonne auf den Abschlussplatz ein. Solidarisch war die Wasser- und Essensversorgung organisiert, verbunden mit der Spendensammlung für die Demokosten. Sarah von der MLPD und Franka, eine antifaschistische Aktivistin aus Gelsenkirchen, moderierten die Abschlusskundgebung. Die Gedenkminute gedachte der Opfer und mutigen Kämpfer in Palästina. Aaron von der Jüdischen Stimme sandte per Audiobotschaft Grüße aus Tel Aviv und rief auf: „Organisiert euch, damit der Widerstand Erfolg hat!“. Eine Vertreterin der Bewegung March to Gaza und ein Repräsentant der Palästinasolidarität machten deutlich, dass es eine weltweite Bewegung ist. Wir werden uns nicht einschüchtern lassen und kriminalisieren lassen. Mit Musik endete die Kundgebung stimmungsvoll mit "Bella Ciao" und "Gaza tonight" sowie der wunderbaren Stimme Palästinas, der Sängerin Sueda. In zahlreichen Gesprächen wurden die Hintergründe des Kriegs in der verschärften imperialistischen Konkurrenz durch neuimperialistische Länder diskutiert und auch über den Sozialismus als gesellschaftliche Lösung. 21 Broschüren zur „Perspektive des palästinensischen Befreiungskampfs“ und Rote Fahne Magazine zum Thema wechselten den Besitzer. Es kamen viele Spenden für diese selbstorganisierte Demo zusammen.
Das Protestcamp in Witten bis zum 29. Juni im Lutherpark ist dazu eine gute Möglichkeit, sich weiter kennenzulernen und die Zusammenarbeit zu vertiefen.