Zum Tode des Genossen Luis G. Jalandoni (1935 - 2025)
Ein Grandseigneur tritt ab
Der langjährige Chefrepräsentant der NDFP starb 90-jährig im niederländischen Exil. Ein Nachruf von Rainer Werning.
Luis G. Jalandoni lebte seit annähernd 50 Jahren im Exil im niederländischen Utrecht. Er war internationaler Chefrepräsentant des revolutionären Bündnisses der Nationalen Demokratischen Front der Philippinen (NDFP) und bis zum Herbst 2016 langjähriger Delegationsleiter der NDFP bei den Friedensverhandlungen mit Vertretern der Republik der Philippinen.
In den Morgenstunden des 7. Juni 2025 verstarb er im Kreise seiner engsten Familie und langjähriger Wegbegleiter und Genossen. Mit ihm starb ein veritabler Grandseigneur der revolutionären Bewegung auf den Inseln und eine Persönlichkeit, die stets die Contenance mit einem Hang zu herzhaftem Lachen wahrte. Einem anderen Philippinen hätte dieser Mann als hoch respektierter Außenminister zur Zierde gereicht.
Ka Louie (Genosse Luis), wie er liebevoll von engsten Freunden und Genossen angeredet wurde, begann sein erfülltes Leben mit einem Klassenverrat. Aufgewachsen in einem ebenso behüteten wie begütertem Elternhaus mit Großgrundbesitz auf der zentralphilippinischen Insel Negros, erlebte er von Kindesbeinen an den klaffenden Widerspruch zwischen wenigen reichen Zuckerbaronen und der Masse verarmter Tagelöhner, die als Saisonarbeiter (sacadas) ein Leben in Schufterei und unter Schikanen fristen mussten. Negros war jahrelang synonym mit monokulturellem Zuckerrohranbau, der den regionalen Landlords beträchtliche Macht und Pfründe bescherte.
Im Alter von 20 Jahren trat Ka Louie in ein Priesterseminar ein und studierte dort drei Jahre lang Philosophie und vier Jahre Theologie. Auf Empfehlung seiner Professoren absolvierte er noch ein Graduiertenstudium in Rom und München. 1967 kehrte er nach Bacolod, der Hauptstadt der Provinz Negros Occidental, zurück und wurde dort im Dezember desselben Jahres zum Priester geweiht. Auf Weisung von Antonio Fortich, dem Bischof von Bacolod, wurde der junge Priester mit der Leitung der Sozialarbeit in der Diözese beauftragt. Fortich nannte Negros stets „einen sozialen Vulkan" wegen der extremen Ausbeutung der Zuckerrohrarbeiter und omnipräsenter staatlicher Repression.
Der sensible Jungpriester erlebte eine Politisierung in Manier eines Zeitraffers. Alltäglich war er mit den Nöten von Tagelöhnern und verarmten Pächtern und Kleinbauern konfrontiert. Ein Engagement für deren Belange - Kampf um gewerkschaftliche Organisierung und Lohnerhöhungen - führte zwangsläufig zu Auseinandersetzungen mit Hazienderos, notorischen Kriegsherren und deren gedungenen Schergen.
Durch die studentische Jugend lernte Jalandoni die Schrift „Philippinische Gesellschaft und Revolution" von José Maria Sison alias Amado Guerrero kennen, dem Gründungsvorsitzenden der Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP). Dieses Buch war das philippinische Pendant zur „Mao-Bibel" in der Volksrepublik China zur Zeit der Großen Proletarischen Kulturrevolution. Die intensive Lektüre dieser Schrift nährte in dem Theologen die Erkenntnis, dass unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen der bewaffnete Kampf unterstützenswert ist. Fortan schloss er sich dem politischen Untergrund an, übernahm bei Gründung der „Christen für Nationale Befreiung“ im Jahre 1972 Führungspositionen innerhalb dieser Organisation und beteiligte sich aktiv an der Planung und Durchführung politischer Protestmärsche und Streiks.
Kein Wunder, dass Ka Louie und seine Weggefährtin und spätere Frau Coni Ledesma zur Zielscheibe staatlicher Repression wurden. Beide verbrachten 1974 mehrere Monate in Haft, bis starke Unterstützung seitens progressiver Kirchenleute ihre Freilassung erwirkte. Bis Ende des Jahres 1976 war es beiden geglückt, sich in die Niederlande abzusetzen und dort politisches Asyl zu erhalten. Ka Louie avancierte zum leitenden internationalen Vertreter der NDFP in Utrecht und war von 1994 bis 2016 Vorsitzender und Delegationsleiter des NDFP-Verhandlungsteams bei den Friedensgesprächen mit der philippinischen Regierung. Er war in dieser Funktion u. a. Mitunterzeichner der wegweisenden Gemeinsamen Erklärung von Den Haag am 1. September 1992, welche die Gleichbehandlung beider Seiten anerkannte und eine Kapitulation kategorisch ausschloss.
Dass Ka Louie in der Endphase des blutrünstigen Duterte-Regimes (2016-22) als „Terrorist" gebrandmarkt wurde, sagt mehr über die Verfasstheit der politischen Staatsführung in Manila mitsamt ihren kläffenden Pinschern aus denn über eine Persönlichkeit, die sich stets mit ungekrümmtem Rückgrat für die Belange der Massen einsetzte. Ka Louies Vermächtnis wird noch lange kräftig nachhallen, wenn die „traditionellen Politiker" (trapos) und ihre Claqueure auf den Inseln längst dem Vergessen anheimgefallen sind. Und: unvergesslich bleiben sein stets freundlich-lächelndes Auftreten und die heute seltene Gabe, seinen Gegenübern aufmerksam zuzuhören und ihnen respektvoll zu begegnen.
Dr. Rainer Werning kannte Ka Louie seit reichlich vier Jahrzehnten und war mit ihm freundschaftlich verbunden. Er ist u.a. Ko-Herausgeber des im Herbst im Wiener Promedia Verlag erscheinenden Buches „Von Marcos zu Marcos: Die Philippinen seit 1965“.