Antikommunismus mit Insiderwissen aufgebrüht
Christoph Hein: Das Narrenschiff
Voll des Lobes sind die bürgerlichen Medien über den jüngst veröffentlichten „fulminanten Gesellschaftsroman“ des mittlerweile 81jährigen Christoph Hein mit dem Anspruch, die gesamte Geschichte der DDR als eine Geschichte ihres Scheiterns darzustellen. Eine abgeschmackte Brühe ist herausgekommen.
Verfolgt wird die Geschichte von Freunden, die kaum unterschiedlicher sein könnten: Johannes Goretzka, wendet sich in sowjetischer Kriegsgefangenschaft vom Hitlerfaschismus ab und verspricht sich als Ingenieur eine Karriere in der jungen DDR. Seine Frau Yvonne hat den jüdischen Vater ihrer Tochter Katinka durch die Naziverfolgung verloren und heiratet Johannes Goetzka, um versorgt zu sein. Zum Freundeskreis gehört das Mitglied des ZK der SED, der Ökonomie-Professor Karsten Emser. Benaja Kukuck war Antifaschist, angesehener Anglist und Germanist im britischen Exil und erhofft sich vergeblich eine Professur, bevor er ohne Interesse einen Job in der Kinder- und Jugendfilmproduktion der DDR annimmt, in der auch Yvonne Goretzka arbeitet, die ihn bespitzeln soll, nachdem sie widerwillig Mitglied der SED geworden ist. Dieser Freundeskreis mokiert sich hinter verschlossenen Türen über die unzulängliche Politik von Ulbricht und Honecker, ohne jemals offen zu widersprechen.
Mit umfangreichem Insiderwissen über Auf- und Niedergang von führenden Funktionären wird Schritt für Schritt die Geschichte der DDR und ihres Niedergangs verfolgt. Die heimliche Kritik an der SED-Führung beschränkt sich auf wirtschaftspolitische Vorstellungen. Keine Rede von prinzipiellen weltanschaulichen Positionen. In der Führung gebe es halt nur kulturlose, ungebildete Banausen – die demütig allen Anweisungen aus Moskau, ob unter Stalin, Chruschtschows bis hin zu Gorbatschow Folge leisten. Selbst der zunächst als Kommunist und kritischer Geist dargestellte Karsten Emser gibt schließlich zu, dass er sein Leben und seine politische Karriere nur seinem Opportunismus verdankt.
Je länger das Buch sich bis zur Seite 751 hinzieht, um so langweiliger und langatmiger wird es bei der Verfolgung auch der Werdegänge der kaum weniger anpassungsgeübten Kinder der Hauptdarsteller. Geradezu peinlich werden zu Auflockerung gemeinte Sex-Szenen, wie sie nur dem Hirn eines alten Mannes entspringen können, so wenn eine junge Frau es ihrem Liebhaber „erlaubt, sie zu entjungfern“.
Die Massen spielen im Roman entweder gar keine Rolle oder höchstens als Bedrohung, deren Widerständigkeit nach dem Beispiel des 17. Juni 1953 zu fürchten ist und die mit Repression und Konsumanreizen ruhiggestellt werden sollen. Christoph Hein weiß, wovon spricht, wenn er sich über Anpassung und Anbiederung auslässt. Anders als wirklich mehr oder weniger offen kritische DDR-Autoren wie Werner Breunig, Christa Wolf, Brigitte Reimann oder Stephan Heym kannte Christoph Hein in seiner ganzen Schriftstellerkarriere keine Probleme bei seinen Veröffentlichungen, ließ sich mit Auszeichnungen krönen und setzte das in Westdeutschland nach der Wiedervereinigung fort.
Antikommunismus und Anpassung an die Herrschenden, das passt eben bestens zusammen – bis heute.