Gelsenkirchen
Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf bekommt weiteren Auftrieb
Videos aus Gaza zeigten, wie das Krankenhaus unter Beschuss der israelischen Armee zwangsevakuiert wurde. Sie vermittelten aber auch die klare Botschaft: "Wir geben nicht auf, wir bleiben und arbeiten und kämpfen weiter."
Gänsehaut kam auf und es war mucksmäuschenstill auf dem Platz vor der Bühne, als alle gemeinsam der mittlerweile über 50.000 getöteten Palästinenserinnen und Palästinensern gedachten. Um dem barbarischen Völkermord ein Gesicht zu geben, wurden getötete Ärzte, Krankenhausbeschäftigte und Arbeiter in Gaza mit Namen, Bild, Beruf und Tätigkeit vorgestellt - viele von ihnen durch Scharfschützen oder Panzerbeschuss getötet.
Im Zentrum stand dabei aber auch der weltweite Protest dagegen. Ein Höhepunkt war die Demonstration von 120.000 Menschen in Den Haag in roten Kleidern. Sie stehen für die rote Linie, die längst überschritten ist. "Das ist mehr als Vertreibung, dass ist Beseitigung eines ganzen Volkes - ein Völkermord", so Monika Gärtner-Engel, Hauptkoordinatorin der ICOR und Co-Präsidentin der United Front. "Wie lange sollen denn noch Schuldsprüche gegen Israel geprüft werden? Soll die palästinensische Bevölkerung solange weiter ausgehungert oder gar abgeknallt werden? Wir haben es in der Hand und müssen es in die Hand nehmen. Ohne Unterstützung auch der deutschen Bundesregierung könnte Israel so nicht agieren. Über 80 Prozent der Menschen in Deutschland sagen: 'Israel, so geht das nicht!'"
Und die ICOR hat es mit vielen weiteren Unterstützern in die Hand genommen. Großer Beifall, als Monika Gärtner-Engel darüber informierte, dass sich für die Brigaden des Solidaritätspakts mit dem Al-Awda-Gesundheitszentrum schon über 50 Personen gemeldet haben und über 220.000 Euro Spenden gesammelt wurden.
Einbezogen wurden alle Festival-Teilnehmer in eine weitgehende Entscheidung. Angeregt von Monika Gärtner-Engel hatten sich MLPD und Solidarität International bereits zuvor entschlossen, Strafanzeige gegen die Verantwortlichen in der Bundesregierung bei der Generalbundesanwaltschaft zu stellen, wegen Beihilfe zu den Kriegsverbrechen in Gaza. Nach der Vorstellung und Begründung dieses Vorhabens erhoben sich Hunderte Hände auf die Frage, wer das ebenfalls unterstützt. Viele Rufe "Ich", "Ich", "Wir" erschallten. Bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen wurde dies überwältigend angenommen. Eine große Verpflichtung, die alle damit eingegangen sind. Sie umfasst auch, Spenden zu sammeln für das dazu neu eingerichtete Konto von Solidarität International.
Mahmoud, ein palästinensischer Teilnehmer, sagte dazu: "Wenn ihr spendet und in der Solidaritätsbewegung arbeitet, macht ihr das nicht nur für die Palästinenser. Ihr macht es auch für euch in Deutschland. Viele Palästinenser kennen aus Deutschland oft nur die Waffen gegen sie, die in Deutschland produziert und finanziert werden, ermöglicht durch Unterstützung der deutschen Regierung. Es gibt aber auch die Solidarität aus Deutschland, die stärker ist!"
Diese bewegenden und mobilisierenden Momente der internationalen Solidarität führte der Musiker Ahmed Eid aus Palästina anschließend musikalisch fort. Er ist es gewohnt, auch vor Zehntausenden aufzutreten. Er kam vor 20 Jahren nach Deutschland und erzählt mit seiner Musik die Erlebnisse und Schicksale der Vertreibung, des Verlusts von Familienangehörigen, Partnern und Freunden, aber auch die Sehnsüchte, den Mut, nicht aufzugeben und die Zukunftsräume der palästinensischen Bevölkerung. Es waren einfühlsame, aber mitunter auch sehr rhythmusbetonte Lieder zum Mittanzen. Dabei spielte er, alleine auf der Bühne, gleichzeitig Gitarre, Basstrommel und Tambourin. Das ging unter die Haut und berührte die Zuhörer.
Das neu gegründete Bündnis "Solidarität NRW" stellte sich vor und informierte über kommende Großdemonstrationen gegen den Krieg Israels in Gaza am 21. Juni in Dortmund und in Berlin. Larissa von Mera 25 betonte, dass die Solidarität mit Palästina keine Option ist, sondern eine Pflicht geworden ist. Eine Kollegin von der IG-Metall-Jugend Duisburg informierte, dass die Hafenarbeiter von Marseille-Fos in Frankreich die Verladung von 14 Tonnen Waffenteilen nach Israel verhinderten. Sie stellte die große Rolle der Arbeiter und kämpferischen Gewerkschaften heraus. Reza vom Jugendverband REBELL rief auf, sich fest und solidarisch zusammenzuschließen, denn "die Herrschenden können uns leichter besiegen, wenn wir uns spalten lassen". Bezo von der Linksjugend Solid Gelsenkirchen fasste zusammen: "Der Völkermord in Gaza muss ein Ende haben!"
Die siebenköpfige Band "Collectivo Carpe Diem" aus den Niederlanden ist selbst international - vor allem lateinamerikanisch - zusammengesetzt und engagiert in der Solidarität im palästinensischen Befreiungskampf. Deswegen war es für sie ein besonderes Anliegen, auf dem Rebellischen Musikfestival zu spielen. Sie spielten einen Mix aus lateinamerikanischen Rythmen, Rock, Gipsy und Reggae. "Lang lebe das Rebellische Musikfestival, keep on rebelling!" riefen sie am Ende ihres Auftritts.
Die Band Anastasis aus Duisburg freute sich, zum dritten Mal beim Rebellischen Musikfestival dabei zu sein. Sie lieferte einen Mix aus Punk, Hardcore und Grunge. Schon seit der 1990er-Jahren sind sie aktiv in der Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf - so hart und fest, wie ihre Musik - und spielten auch das eine oder andere dazu erstellte Lied aus ihrem reichhaltigen Repertoire.
Den Abschluss des Abends machte die Nu-Metal-Band "Born a rebell" aus Berlin. Die fünf Musiker kommen aus Brasilien, Thailand, Lettland und Deutschland. Sie kombinierten Hardrock- und Metal-Riffs mit linkspolitischen, kapitalismuskritischen Texten, angetrieben von deftigen Schlagzeugbeats, fetten Gitarren-Riffs und Basslinien. Ein sehr impulsiver und fetziges Ende eines tollen Festivaltags.