Halbzeitwahlen in den Philippinen am 12. Mai

Halbzeitwahlen in den Philippinen am 12. Mai

Ziemlich vergraulte Feinde

Zumindest in der gesamten asiatisch-pazifischen Region gibt es kein Land, dessen oberste Staatsführung sich so sehr bis aufs Messer bekämpft. Und das in einem Tempo und mit solch hingebungsvoller Inbrunst, als wetteifere man darum, wer das internationale Image des am 4. Juli 1946 von den USA in die Unabhängigkeit entlassenen Inselstaates, die Republik der Philippinen, am schnellsten und nachhaltigsten ramponiert.

Ein Gastbeitrag von Rainer Werning
Ziemlich vergraulte Feinde

Die Staatsführung, von der hier die Rede ist, meint Präsident Ferdinand „Bongbong“ Marcos Jr. Er ist der Sohn des von 1965 bis 1986 amtierenden Ex-Präsidenten und von Vizepräsidentin Sara Duterte. Sie ist die Tochter von Ex-Präsident Rodrigo R. Duterte (2016-22), der seit Mitte März in Den Haag hinter Gittern sitzt. Dort hat er sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit im Zuge seines desaströsen „Antidrogenkrieges“ zu verantworten.

 

Dieses Marcos-Duterte-Tandem, einst inniglich in einem sogenannten UniTeam politisch vereint, hatte mit sattem Vorsprung die Präsidentenwahl im Frühjahr 2022 gewonnen, um sich spätestens um den Jahreswechsel 2023/24 in derbem Clinch zu befinden. Sara Duterte führt seit Monaten einen Feldzug gegen ihren Vorgesetzten, dem sie öffentlich bereits mehrmals den Tod wünschte. Die Dame, die bis zum Sommer 2024 in Personalunion auch Erziehungsministerin war, sieht sich wegen Korruption und Veruntreuung staatlicher Gelder mit vier Amtsenthebungsverfahren konfrontiert, worüber der Senat in seiner neuen Zusammensetzung mit einer Zweidrittelmehrheit zu befinden hat.

 

Und just in diesem Kontext waren die am 12. Mai abgehaltenen Halbzeitwahlen in dem Inselstaat von herausragender Bedeutung. Wenngleich es dabei um die Neubesetzung Tausender lokaler und regionaler politischer Ämter sowie des Repräsentantenhauses in Manila ging, so stand die Neuwahl der Hälfte des insgesamt 24-köpfigen Senats im Hauptfokus öffentlichen Interesses. Doch im neuen Senat herrscht eine Pattsituation zwischen Marcos-Befürwortern und Duterte-Anhängern. Was letztlich ein Amtsenthebungsverfahren gegen die Duterte-Tochter unwahrscheinlich macht.

 

Kommt Frau Duterte ungeschoren davon, böte sich für sie und den gesamten Duterte-Clan die reale Chance, aus den nächsten Präsidentschaftswahlen im Mai 2028 als strahlende Siegerin in den Präsidentenpalast Malacañang zu Manila einzuziehen. So bleibt der landesweit noch größten und am längsten herrschenden Familiendynastie der Marcoses nichts anderes übrig, als die nächsten Monate und Jahre in erbitterter Rivalität mit den Dutertes damit zu verbringen, staatliche Ressourcen in großem Stil für das eigene Überleben einzusetzen. Das Land bleibt derweil tief gespalten und die politischen Lager sind polarisiert wie nie zuvor.

 

Für die (radikale) Linke glich die Wahlkampfzeit einem noch harscheren Spießrutenlauf. Seit 2018 ist nämlich mit der Nationalen Task Force zur Beendigung lokaler kommunistischer bewaffneter Konflikte (NTF-ELCAC) eine staatliche Behörde damit betraut, mit Hilfe eines sogenannten allseitig-nationalen Ansatzes die Kommunistische Partei (CPP) und ihre Guerillaformation in Gestalt der Neuen Volksarmee (NPA) „aufzureiben“. Die NTF-ELCAC liefert die Infrastruktur und Logistik staatlichen Terrors, die von Duterte ins Leben gerufen wurde und in Marcos Jr. einen strammen Gewährsmann findet.

 

Wenngleich internationale Menschenrechtsorganisationen wiederholt deren Auflösung forderten und selbst der Oberste Gerichtshof der Philippinen im Sommer 2024 entschied, dass „red-tagging“, die öffentliche Brandmarkung missliebiger Dissidenten als „kommunistisch“ oder „terroristisch“, als ernst zu nehmende Gefahr für Leib und Leben der Betroffenen gilt und eingestellt gehört, besteht diese perfide Praxis fort.

 

Dr. Rainer Werning ist u.a. Ko-Herausgeber des im Herbst im Wiener Promedia Verlag erscheinenden Buches „Von Marcos zu Marcos: Die Philippinen seit 1965“.