Abbau von Patientenrechten
Primärarztsystem - Chaos in Hausarztpraxen vorprogrammiert
Bereits heute haben wir einen deutlichen Mangel an Allgemeinmedizinern in Deutschland, besonders in ländlichen Regionen. Viele Hausarztpraxen sind jetzt schon überlastet.
Nach den Plänen von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) soll ein soenanntes Primärarztsystem für Patienten eingeführt werden, bei dem der Hausarzt immer die erste Anlaufstelle für den Patienten ist. Nur bei Bedarf wird der Kranke dann an einen Facharzt weitervermittelt, nur dann wird eine ärztliche Überweisung ausgestellt. Eine Ausnahme gilt nur für Fachärzte der Augenheilkunde und der Gynäkologie. Für chronisch Kranke ist eine Jahresüberweisung vom Hausarzt an den entsprechenden Facharzt im Gespräch.
Was bedeutet das in der Umsetzung? Die Hausarztpraxen werden überlastet. Patientenrechte werden abgebaut. Den Facharzt wählt der Hausarzt bei Notwendigkeit aus und legt für diesen Termin einen Zeitkorridor fest. Innerhalb dieses Zeitkorridors sollte die Patientin oder der Patient einen Termin beim Facharzt bekommen. Funktioniert das nicht, bekommt die Patientin oder der Patient die Möglichkeit, einen Facharzt im Krankenhaus aufzusuchen. Abgesehen davon, dass die Wartezeiten für einen Facharzttermin durch das Primärarztsystem auch nicht wesentlich sinken würden (es sei denn, es wären Privatpatienten!), wäre der Patient an einen Facharzt gebunden. Es gibt jedoch häufig Fälle, in denen das Vertrauensverhältnis und/oder die Behandlungsmethode dieses Facharztes nicht den Erfordernissen des Patienten entspricht. Bisher kann ein Kranker dann den Facharzt wechseln bzw. durch einen Direkttermin einen anderen Facharzt aufsuchen. Das wäre nach dem Primärarztsystem nicht mehr möglich und der Kranke würde möglichweise falsch behandelt.
Wie in den WDR-Nachrichten berichtet wurde, soll das Ziel des neuen Systems sein, dass Patientinnen und Patienten die Fachärzte zielgerichteter aufsuchen. Überflüssige Untersuchungen sollen reduziert und die Fachärzte dadurch entlastet werden. Dazu ist zu entgegnen, dass für bestimmte Fachärzte bereits zur Zeit zwingend eine ärztliche Überweisung notwendig ist wie z.B. für den Radiologen oder für die Schmerztherapie (hier muss sogar ein Orthopäde die Überweisung ausstellen), ein Direkttermin ist bei diesen Ärzten ohnehin nicht möglich.
Die Bundesärztekammer sieht wahrscheinlich den Patienten ebenfalls nur als Kostenfaktor an. "Dass sich jeder auf Kosten der Allgemeinheit aussucht, was ihm am besten passt, das ist weltweit einzigartig, aber nicht fair und definitiv nicht mehr länger leistbar und bezahlbar", argumentierte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhard. Laut der Deutschen Stiftung Patientenschutz stoßen die Pläne zum Primärarztsystem schon jetzt auf Ablehnung in der Bevölkerung. Zwei Drittel glauben nicht daran, dass sich damit die Versorgung der Patienten verbessere, so Stiftungsvorstand Eugen Brysch "Zudem müsste jede Hausarztpraxis zusätzlich 2.000 Patientinnen und Patienten betreuen. Dabei gibt es bereits Praxen, die Neupatienten abweisen.", so Eugen Brysch.