Ukrainekrieg

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Merz erklärt Reichweitenbeschränkung westlicher Waffen für aufgehoben

Eher unvermittelt hatte Bundeskanzler Friedrich Merz am 26. Mai im WDR verlauten lassen, die Reichweitenbeschränkung für westliche Waffen gäbe es nicht mehr, und da spreche er auch für Frankreich, Großbritannien und die USA. Reaktionen gab es so einige daraufhin - auch aus Russland, dessen Regierungssprecher Dmitri Sergejewitsch Peskow das als "ziemlich gefährlich" bezeichnete. Aus Finnland rudert Merz nun zurück. Das alles sei doch ein altes Thema gewesen und nichts was er sagte, neu.

Von fu
Merz erklärt Reichweitenbeschränkung westlicher Waffen für aufgehoben
Nach Merz gibt es so oder so keine Einschränkung mehr beim Einsatz weitreichender Waffen. (Im Bild: HIMARS aus US-Produktion | gemeinfrei)

Exakt hatte er folgendes gesagt: „Es gibt keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen, die an die Ukraine geliefert worden sind, weder von den Briten, noch von den Franzosen, noch von uns, von den Amerikanern auch nicht“. Und das beim „WDR Europaforum 2025“ auf der Digitalkonferenz re:publica in Berlin. Eine eigenwillige Gelegenheit für eine so weitreichende Erklärung. Dann deutete er "Verteidigung" zu "Angriff" um: „Ein Land, das sich nur im eigenen Territorium einem Angreifer entgegenstellen kann, verteidigt sich nicht ausreichend“. Interessanter als das, was er sagte, ist dann aber vielleicht, was er gerade in diesem Zusammenhang nicht sagte: Auch wenn er sich im Klaren sein musste und es offensichtlich auch seine Absicht war, dass seine Aussagen die Debatte um die Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine erneut anfachen würde, sagte er selbst dazu kein Wort.

 

Die Grünen lobten ihn dennoch sogleich, denn alles, was den Krieg in der Ukraine verschärft, ist ihnen schließlich gerade gut genug. Pikiert dagegen reagierten Politiker der SPD. Fast schon deutlich widersprach der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner, die Aussagen von Merz seien "nicht hilfreich". Alles, was den Krieg ausweite, halte er für falsch.

Alles gar nicht neu?

Bundesfinanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil war dagegen sichtlich bemüht, Merz zu widersprechen, ohne dass es so klang, und erklärte gegenüber der Presse zu den Ausführungen des Kanzlers: "Es gibt keinen neuen Stand. Wir haben gemeinsam verabredet, dass wir über Waffensysteme nicht öffentlich spekulieren, nicht öffentlich reden. Und was die Reichweite angeht, will ich ihnen noch sagen, hat diese Regierung keine neue Verabredung, die über das hinaus geht, was die bisherige Regierung gemacht hat."

 

Merz war derweil zum Nordischen Gipfel ins finnische Turku gereist, wo er die Kriegsvorbereitungen mit den skandinavischen NATO-Staaten besprach, und äußerte sich von dort aus: Die Frage von Reichweitenbeschränkungen habe "vor einigen Monaten und einigen Jahren mal eine Rolle gespielt". Die westlichen Länder hätten diese Selbstbeschränkung längst aufgegeben. "Insofern habe ich gestern in Berlin etwas beschrieben, was schon seit Monaten geschieht", so Merz.

 

Richtig ist: Die westlichen Imperialisten hatten im März vergangenen Jahres erst ihre Waffen für den Einsatz in der Grenzregion zum ukrainischen Oblast Charkiw und dann ab November im russischen Oblast Kursk freigegeben - eine völlige Freigabe weitreichender Waffen hat es also bislang offiziell nicht gegeben, auch wenn - Merz sozusagen gleich - auch schon andere westliche Politiker es so gesagt hatten.

 

Merz will die Waffenhilfe für die Ukraine von jeder Zurückhaltung befreien und, das hatte er schon vor seinem Amtsantritt im zweiten Anlauf immer gesagt: Er will Taurus an die Ukraine liefern, um dieser weitreichende und präzise Schläge auf russischem Gebiet zu ermöglichen. Er spielt mit einem Feuer, dass die ganze Welt verbrennen kann: Die Putin-Regierung hatte die Bundesrepublik immer gewarnt, dass die Lieferung der fliegenden Bomben vom Typ Taurus ein direkter Kriegseintritt wäre und entsprechend beantwortet werden würde.

Bundeswehr legt Wunschliste vor

Nebenbei will Merz damit wahrscheinlich auch die anstehende öffentliche Diskussion um die weitere Aufrüstung Deutschlands einleiten. Denn gleichzeitig zu dieser Diskussion hat der Generalinspekteur der Bundeswehr, General des Heeres Carsten Breuer, seine Wunschliste für neue Waffensysteme vorgelegt. Auf dieser Liste finden sich dann auch Langstreckenwaffen mit über 500 Kilometern Reichweite - dabei gehe es um den "Aufbau der Fähigkeit zum weitreichenden und präzisen kinetischen Wirken (Deep Precision Strike)".

 

Aus der mit Euphemismen und Relativierungen gespickten Sprache des deutschen Militärs übersetzt bedeutet das: Man will in der Lage sein, strategische Schläge gegen Ziele jenseits von 500 Kilometern führen zu können. Bezeichnend: Für Entfernungen bis 500 Kilometer hat die Bundeswehr aktuell den Taurus. Das kann man natürlich nicht unter "Verteidigungsbereitschaft" verbuchen; aber nicht ohne Grund fordert Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) schon seit letztem Jahr offen stattdessen die "Kriegstüchtigkeit". Die Bundesregierung rüstet das Land für einen uneingeschränkten Krieg, in dem sie offensichtlich anstrebt, offensive Operationen vorzunehmen. Die neue Friedensbewegung tut gut daran,  gegen diesen aggressiven Kurs den Widerstand der Bevölkerung voranzutreiben, wozu gehört, dass eine Mehrheit diesen Kurs nicht toleriert.