Diskussionen im Betrieb
Ist die Jugend faul?
Wir kämpfen im Betrieb gerade gegen die Vernichtung tausender Arbeitsplätze. Die überwiegende Mehrheit macht das für die Jugend. Dass die nächste Generation Ausbildung und Arbeit hat, ist für fast jede und jeden eine Herzenssache.
An einem Pausentisch in meiner Abteilung und auch in einer anderen Abteilung, die ich besucht habe, haben die Kollegen aber auf "die Jugend" geschimpft. "Für die kämpfe ich nicht", "die wollen doch gar nicht arbeiten", "die beschweren sich nur", "die machen bei jedem Weh-Wehchen krank".
Wir hatten heiße Diskussion. Sie haben berechtigte Kritiken. Es gibt z.B. das Phänomen, dass Anfang Zwanzigjährige deutlich öfter krank sind als die älteren Kollegen. In der Diskussion mussten sie aber auch zugeben, dass das nicht alle sind. Das war schon mal wichtig gegen eine grobe Pauschalisierung. Und dann ist es doch unsere Aufgabe, sie zu erziehen, anstatt auf sie zu schimpfen. Die Arbeit bei uns ist hart. Jeder, der bei uns anfängt, muss sich selbst auch etwas abhärten, an der Arbeit wachsen, durchhalten lernen usw.
Ein Kollege erzählte, wie er einen jungen Kollegen kritisiert hat, weil er sich öfter nur Freitag oder Montag krank gemeldet hat. Da können wir ja nicht warten, bis die Chefs mit Abmahnungen kommen, da müssen wir was machen. Auf der Grundlage lernt man dann auch, wie wir uns gemeinsam gegen Arbeitsverdichtung, Arbeitshetze und Unterbesetzung wehren. Von der betrieblichen Diskussion landeten wir bei der Frage der Erziehung und Pädagogik in der Gesellschaft. Wer hat die Jugendlichen denn erzogen? Das waren sie ja nicht selbst. Die eigenen Kinder verwöhnen, ihnen viel durchgehen lassen, das kannten die Kollegen auch von sich selbst. Ein Kollege berichtet, dass er zwar viel Wert auf Disziplin legt, die Kinder aber in der Schule und über die Medien die ganze Zeit was anderes lernen. "Eigentlich denken die auch, das Leben ist ein Ponyhof".
In den Medien ist immer die Rede von Generationen. Die Generation Z sei faul, die Boomer würden ohne Rücksicht auf sich selbst arbeiten, bis sie umfallen. Die Debatte müssen wir vom Kopf auf die Füße stellen. Wir sind eine Arbeiterklasse und müssen je nach Alter mit etwas anderen Varianten der gesellschaftlichen Beeinflussung fertig werden. In einer Diskussion haben wir uns geeinigt, dass wir gemeinsam auf die Verwöhnerei und den Laissez faire-Stil in der Pädagogik schimpfen müssen, und nicht auf die Jugend. Und gerade deshalb müssen wir kritisch mit Jugendlichen diskutieren und erziehen, dass sie mit solchen kleinbürgerlichen Einflüssen fertig werden müssen.
Körperliche Arbeit wird als minderwertig schlecht gemacht. Und dann wundert man sich? Die bürgerliche Sozialpädagogik erkennt die Ungerechtigkeiten und sozialen Probleme an, trainiert aber den Jugendlichen an, den individuellen Ausweg zu suchen. In der Argumentation hat mir das Buch "Die Krise der bürgerlichen Gesellschaftswissenschaften, der Religion und der Kultur", vor allem ab Seite 73, geholfen. Bei dem anderen Tisch kam ich bisher noch nicht weiter. Auf jeden Fall kommt die Arbeiteroffensive nur mit der Kampfeinheit von Jung und Alt in Schwung und dafür müssen wir auch eine Reihe kontroverse Debatten austragen.