Work-Life-Balance

Work-Life-Balance

Merz’sche Belehrungen

Dieser Artikel wird im Rote-Fahne-Magazin, das am 23. Mai erscheint, als "Klartext" abgedruckt. Hier aus aktuellem Anlass vorab.

Von Paul Straif
Merz’sche Belehrungen
Screenshot aus einem MLPD-Flugblatt

Kaum im Amt, bläst der neue Bundeskanzler Friedrich Merz zur Attacke: „Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten.“ Und weiter: „Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können.“

 

Der Mann muss es ja wissen. Als Rechtsanwalt beim Verband der Chemischen Industrie und als Aufsichtsratsvorsitzender von BlackRock Deutschland, dem weltgrößten Investmentkonzern, hat er gelernt, was harte Arbeit ist. Besser gesagt, hat er gelernt, den „Wohlstand“ für sich und seinesgleichen abzuschöpfen, den wir erarbeitet haben.

 

Offensichtlich ist dem volksnahen Kanzler entgangen, dass es zu einer "Vier-Tage-Woche" noch weit hin ist. Denn die durchschnittliche Wochenarbeitszeit pro Beschäftigtem liegt derzeit bei 36,5 Stunden, also bei fünf Tagen rechnerisch 7,3 Stunden am Tag. Jeder dritte arbeitet mehr als 40 Stunden pro Woche, jeder zehnte mehr als 48. Noch ganz schön viel "Work" und wenig "Life" außerhalb der Arbeitszeit, wo es ja auch „noch“ das tägliche Leben zu organisieren gilt. Vor allem sind die Werktätigen heute im Schnitt um 25 Prozent produktiver als vor 30 Jahren. 57 Prozent geben an, dass ihre Arbeitsbelastung gestiegen ist. Erschöpfung und chronische Krankheiten wie Rückenleiden oder Depressionen sind an der Tagesordnung.

 

Aber, welch Wunder, das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) liefert jetzt den „Beleg“ für die Forderung des Kanzlers: Nach einer Studie arbeiten die Deutschen angeblich im internationalen Vergleich mit am wenigsten. Allerdings vergleicht das IW Äpfel mit Birnen, da es in Deutschland wesentlich mehr Teilzeitbeschäftigte gibt, die den Arbeitszeitschnitt nach unten drücken.

 

Die Belehrungen des neuen Kanzlers kommen nicht von ungefähr. Die Monopole wollen mit seiner tatkräftigen Hilfe ihren Generalangriff auf die Arbeiter und Arbeiterinnen  und die Masse der Bevölkerung durchsetzen. Dazu soll laut Koalitionsvertrag die bisherige gesetzliche Festschreibung des Acht-Stunden-Tags fallen. Die Kapitalistenverbände fordern bereits die Abschaffung von ein bis zwei Feiertagen. Das soll pro Tag bis zu 8,6 Milliarden Euro zusätzlich in ihre Kassen spülen. Völlig zu Recht haben Gewerkschaftsvertreter am 1. Mai dagegen Widerstand angekündigt.

 

Könnte gut sein, dass sich Rechenkünstler Merz mit seinem Plänen verrechnet. In den letzten Wochen beleben sich die Aktivitäten der Arbeiterinnen und Arbeiter. Insbesondere gegen Vorhaben zur Vernichtung von Arbeitsplätzen: Wie bei Bosch in Schwäbisch Gmünd und Leinfelden, bei den Hüttenwerken Krupp-Mannesmann in Duisburg oder dem 24-Stunden-Streik der Kölner Ford-Belegschaft.

 

Für den offensiven Kampf zur Erhaltung oder Schaffung von Arbeitsplätzen und für eine reale Verbesserung unserer "Work-Life-Balance" gehört der Kampf für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich auf die Tagesordnung!