Zwischen notwendiger Abgrenzung und Diffamierung

Zwischen notwendiger Abgrenzung und Diffamierung

Ist die Friedensbewegung „rechtsoffen“?

Die bundesweite Friedensdemonstration in Wiesbaden am 29. März richtete sich gegen die dortige NATO-Kommandozentrale, gegen die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen und gegen die massive Aufrüstung und Militarisierung durch die Bundesregierung.

Von fh
Ist die Friedensbewegung „rechtsoffen“?
Friedenskampf gegen Faschismus und Krieg (rf-foto)

An dieser Demonstration entzündete sich eine Kontroverse, die ein Schlaglicht wirft einerseits auf Versuche der Diffamierung der Friedensbewegung und andererseits auf die notwendige Abgrenzung gegen Faschisten.

 

Etwa 4000 Menschen hatten in Wiesbaden demonstriert, darunter auch die MLPD. Die Demonstration war geprägt von linken, antifaschistischen und internationalistischen Kräften. Die Veranstalter hatten sich klar von faschistischen Kräften abgegrenzt. Bei der Demonstration liefen einzelne Leute aus dem Querfront-Spektrum mit, wovon sich die Veranstalter ausdrücklich distanzierten. Im Nachhinein begann eine Diffamierung der Demonstration als „rechtsoffen“ und „antisemitisch“, unter anderem durch die Grünen Wiesbaden. Die „Widerstandsgruppe gegen Krieg, Faschismus und Umweltzerstörung“ Wiesbaden kritisiert zu Recht „eine Hetzkampagne gegen angebliche antisemitische Vorfälle auf der Demo“. Und sie bekräftigen: „Free Palestine“ – gehört zum Friedenskampf!

Kampf für Frieden und gegen Faschismus gehört zusammen!

Innerhalb der Friedensbewegung gibt es großen Klärungsbedarf, wie mit Querfront-Bestrebungen umzugehen ist und wie man sich gegenüber Menschen verhält, die von solchen Bestrebungen beeinflusst sind. Seit Beginn des Kriegs um die Ukraine haben faschistische Kräfte versucht, auf die Friedensbewegung Einfluss zu bekommen. Ihre Taktik setzte vor allem auf die reaktionäre „Querdenker“-Bewegung aus der Zeit der Corona-Pandemie, die sich jetzt angeblich für den Frieden stark machte. Organisatorisch drückte sich das auch in der Partei „die Basis“ aus, die in verschiedenen Städten wie Düsseldorf bestimmenden Einfluss auf die Friedensbewegung nahm. Zu Recht distanzierten sich die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN-BdA) und die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG-VK) von dem „Friedensbündnis NRW“. Seitdem ist Düsseldorf auch mit Recht nicht mehr Teil des Ostermarschs Rhein Ruhr.

 

Diese klare Abgrenzung wird nicht von allen Vertretern der Friedensbewegung geteilt. So treten bei verschiedenen Gelegenheiten u.a. Diether Dehm (ehemals LINKE), Reiner Braun (ein zentraler Wortführer der traditionellen Friedensbewegung) und Christiane Reymann („Frieden Links“) als Rednerinnen und Redner bei Querfront-Veranstaltungen auf, teilweise gemeinsam mit AfD-Funktionären, mit Michael Ballweg (Querdenken) oder mit der sogenannten „Freien Linken“, einer faschistoiden Tarnorganisation.

 

Ingrid Pfanzelt, eine Sprecherin bei der Querfront-Bewegung „München steht auf“, lehnt ausdrücklich die Unterscheidung zwischen rechts und links als überholtes Schema und angebliche „Spaltung“ ab. Auch bei der DKP gibt es Kräfte, die eine klare Abgrenzung nach rechts ablehnen. So erklärte Herrmann Kopp von der DKP beim Friedensratschlag 2022 in Kassel, dass es falsch sei, eine Zusammenarbeit auch mit Mandatsträgern der AfD auszuschließen. Sowohl DKP als auch BSW lehnen ein Verbot der AfD ab und distanzieren sich von den antifaschistischen Massendemonstrationen der letzten zwei Jahre.

Das Kind mit dem Bade ausgeschüttet

VVN-BdA, DFG-VK und attac haben im August 2024 gemeinsam eine „Betrachtung“ des Publizisten Lucius Teidelbaum veröffentlicht: „Versuche rechter und verschwörungsideologischer Einflussnahme auf die Friedensbewegung“. Mit der berechtigten Warnung vor Querfront-Bestrebungen begründen diese Organisationen seitdem, sich nicht mehr an Friedensdemonstrationen wie am 3. Oktober 2024 in Berlin oder am Friedensratschlag in Kassel im November 2024 zu beteiligen. Damit schütten sie allerdings das Kind mit dem Bade aus. 

 

Teidelbaums Papier verwischt schon mit Begriffen wie „extreme Rechte“ die notwendige Aufklärung, was Faschismus ist und wie Faschisten auf die Querfront-Taktik setzen. Damit wird auch völlig berechtigte Kritik am Militarismus der Grünen oder am Imperialismus der NATO fälschlich als Beleg für rechte Einflussnahme abgetan. Die Friedensbewegung muss klar antifaschistisch sein, weil imperialistische Kriege und Faschismus zwei Seiten einer Medaille sind. Die AfD ist keine Friedenspartei, sondern eine Speerspitze des deutschen Militarismus. Es kann keine Zusammenarbeit mit Kräften geben, die den russischen Imperialismus in Schutz nehmen und für Deutschland Atomwaffen und Kriegsdienst fordern. 

 

Die gesellschaftliche Verwirrung über die Orientierung des Friedenskampfs erfordert aber, dass sich Marxisten-Leninisten gerade an Aktionen beteiligen, wo die Masse der Friedenskämpfer von pazifistischen Illusionen oder auch von Sympathie für Russland beeinflusst sind. Sich davon fern zu halten würde diese Menschen dem Einfluss von falschen Führern überlassen.


Die Friedensbewegung ist angesichts der akuten Weltkriegsgefahr noch viel zu schwach. Umso schädlicher sind Diffamierungen und Distanzierungen von Friedensdemonstrationen. Aber das Bewusstsein wächst eindeutig, dass sich der Friedenskampf gegen alle Imperialisten richten, dass er antifaschistisch und dass die Arbeiterklasse sich an die Spitze setzen muss. Die Richtung der „Neuen Friedensbewegung gegen Faschismus und Krieg“ gewinnt Einfluss. Gegen den immer offeneren Kriegskurs stehen vor allem Jugendliche zunehmend auf. Vielleicht werden deshalb Demonstrationen wie die in Wiesbaden so angefeindet.