Litauen
Der deutsche Imperialismus schafft sich einen Außenposten
Am 22. Mai ereignete sich ein militaristisches Spektakel der Bundeswehr in Vilnius, das man auf deutschem Boden so bislang nur selten sehen konnte. Das Bundesverteidigungsministerium fasste es wie folgt zusammen: „Bereits am 1. April war die Panzerbrigade 45 als Kern der Brigade Litauen in Dienst gestellt worden – nun folgte der offizielle Aufstellungsappell in Vilnius. Dafür reiste auch Bundeskanzler Friedrich Merz nach Litauen.“
Ein „Leuchtturmprojekte des sicherheitspolitischen Paradigmenwechsels“. Ursprünglich war wohl geplant, dass nur Kriegsminister Boris Pistorius teilnimmt, aber dieses Schauspiel des erstarkenden deutschen Imperialismus lässt sich Friedrich Merz nicht nehmen.
Fast hätte man unken können, dass der Kanzler in Anbetracht seiner Beliebtheit im eigenen Land jede Gelegenheit nutzt, um sich im Ausland aufzuhalten. Hierbei handelte es sich jedoch um eine eindeutige Machtdemonstration, an Freund und Feind gleichermaßen gerichtet: Deutschland „nimmt seine Verantwortung ernst“, wie es Pistorius nannte. Kanzler Merz wurde deutlicher: „Wir verteidigen hier die europäische Freiheit gegen jeden Aggressor.“ Gemeint war natürlich das neuimperialistische Russland. Neben den beiden nahmen der litauische Präsident Gitanas Nausėda und Verteidigungsministerin Dovilė Šakalienė an dem Bundeswehrauftritt teil und begrüßten „die lieben deutschen Soldatinnen und Soldaten“ (Nausėdas Worte, und zwar auf Deutsch).
Den Auftritt hatte sich der deutsche Staat einiges an Steuergeldern kosten lassen. Mit zwei Flugzeugen reiste der Tross an, das Stabsmusikkorps der Bundeswehr im Gepäck. Für den Appell waren Panzer am Rande des Kathedralenplatzes in Vilnius aufgestellt worden und Kampfhubschrauber dröhnten über die Stadt hinweg. Umsäumen ließ man das alles von litauischen Bürgerinnen und Bürgern mit vielen deutschen Fähnchen.
Deutschland ist zurück im Baltikum
Die Panzerbrigade 45 ist damit die erste Einheit der Bundeswehr, die dauerhaft im Ausland stationiert ist. Pistorius hatte ihren Aufbau im Juni 2023 verkündet. Bis Ende des Jahres sollen 500 Bundeswehrsoldaten eingezogen sein, bis Ende 2026 etwa 2000 und dann 2027 sollen es 5000 und damit die Sollstärke sein. Die gesamte Infrastruktur für die Bundeswehr in ihren neuen Standorten Rūdninkai (auf Deutsch Rudninkai) und Rukla stationierten Bundeswehrtruppen muss der „Gastgeber“ Litauen bezahlen – und das sollen wohl einige Milliarden sein.
Damit einher geht auch ein größerer Einfluss der deutschen Rüstungsindustrie: 44 Leopard-2-Kampfpanzer kauft Litauen nun
in Deutschland, während der größte deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall dort eine Fabrik zur Fertigung von Artilleriemunition, sozusagen günstig in Frontnähe.
Warum Litauen?
Das 500-Seelen-Dorf Rūdninkai liegt nahe bei der belarussischen Grenze, nordöstlich der sogenannten Suwałki-Lücke (auch Suwałki-Korridor). Mit diesem Namen wird die gemeinsame Grenze zwischen Polen und Litauen bezeichnet – diese Linie trennt die Russische Föderation von ihrer Exklave Kaliningrad. Dieses Gebiet ist aus verschiedenen Gründen eine Schlüsselposition für einen Krieg gegen Russland. Zum einen geht es darum, Russland von seiner Exklave, gleichzeitig damit Russlands einzige dauerhaft eisfreie Häfen in der Ostsee, abschneiden zu können. Die russische Führung könnte ihrerseits, sollte sie hier vorstoßen, die baltischen Staaten vom Rest des NATO- und EU-Gebietes abtrennen.
Dennoch ist keiner der Standorte direkt an der Suwałki-Lücke – bei einer rein defensiven Aufstellung würde das Sinn ergeben. Aber: Panzer sind offensive, „raumgreifende Waffen“, für schnelle Vorstöße gedacht. Mit ihrer Beweglichkeit könnte die Panzerbrigade 45 sowohl in Richtung der Suwałki-Lücke vorstoßende russische Militärverbände von Norden her abschneiden und ihnen in den Rücken fallen, als auch bei einem Angriff tief nach Belarus hinein vorstoßen. Ein derartiger, starker Verband an dieser Stelle ist eine wirkliche Bedrohung für die russische Militärführung. Damit ist er auch ein unmittelbarer Schritt hin zur Vorbereitung eines dritten Weltkriegs durch den deutschen Imperialismus, der dabei so ganz nebenbei seinen unmittelbaren Einfluss auf Litauen festigt.