Fake News des Tages

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Erster Streik in der Geschichte der Kölner Ford-Werke?

Die Schlagzeile "Erster Streik in der Geschichte der Kölner Ford-Werke" machte am 13. Mai die Runde in der deutschen Medienwelt. Ihr Ursprung ist schwer auszumachen - auf jeden Fall runzelten nicht nur in Köln viele Menschen verwundert die Stirn.

Von ms
Erster Streik in der Geschichte der Kölner Ford-Werke?
Peter Bach nach der Kundgebung am 13. Mai vor dem Tor 3 bei Ford in Köln (Foto: RF)

Auf der Tribüne der ersten Kundgebung während des 24-Stunden-Streiks (mehr dazu) am Tor 3 machten sich unter anderem diejenigen darüber lustig, die es bestimmt besser wissen: Die "Veteranen" des großen selbständigen Ford-Streiks von 1973. Sie waren zu dritt gekommen, um ihre Solidarität mit dem aktuellen Streik zu bekunden.

 

Peter Bach - einer von ihnen - berichtete, wie der sieben Tage dauernde Streik damals die Schlagzeilen in Deutschland beherrschte: "Uns hat gewundert, dass der WDR, die ARD und der SPIEGEL vom ersten Ford-Streik seit hundert Jahren sprechen. Waren wir der nullte Ford-Streik? ... Ok, wir waren nur 10.000. Wir sind jeden Morgen durch das Werk marschiert. Wir haben nur vier Tage lang das Werk besetzt. So richtig zählt das ja nicht?!" Im anschließenden Gespräch mit einem Rote Fahne-Reporter konnte es Peter Bach immer noch nicht fassen, wie man eine solche Ente in die Welt setzen kann:

 

"Wir wurden heute sehr freudig begrüßt. Nun, wir waren als lebendige Zeugen da, dass es schon mal einen großen Streik gab, der Schlagzeilen gemacht hat und Geschichte geworden ist. Doch haben wir uns gefragt, wie kommt die Presse darauf, diesen Streik zu ignorieren, der zu den runden Jahrestagen auch jeweils intensiv diskutiert worden ist. Als wir dann sagten, was in diesem Streik los war, haben die Leute über diese Schlagzeile von heute gelacht.

 

Es gibt viele Spekulationen, warum die das jetzt so unterschlagen. Die Antwort steht noch aus. Zählt der nicht, weil es ein 'wilder' Streik war und somit nicht von der Gewerkschaft akzeptiert? Zählt er nicht, weil es ein 'Türkenstreik' war? Das wollen wir jetzt mal nicht unterstellen. Es war ja nun mal ein Kampf, der vor allem von den am meisten ausgebeuteten 'Gastarbeitern' geführt wurde. Sie wollten nicht mehr für weniger Geld arbeiten und schlechter wohnen - und dann noch gehen müssen, wenn keine Arbeit mehr da war."

 

Darauf angesprochen, dass die plötzliche mediale Unterschlagung vor allem damit zu tun hat, dass der selbständige Streik von damals keine Schule machen soll, meinte Peter Bach: "Das stimmt. Ich habe auch noch einen entscheidenden Punkt aus unserer Rede nicht erwähnt. Die Zukunft der über 11.000 Kolleginnen und Kollegen ist nicht mit der Höhe der Abfindungen beantwortet, sondern es muss um die Zukunftsperspektive gerungen werden. Und die kann nicht darin bestehen: Du bekommst 10.000 mehr und du 10.000 weniger. Das ist nicht die Zukunft, die wir uns erkämpfen wollen. Das war es auch damals nicht."

 

Streiks wie bei Ford 1973, bei Krupp in Rheinhausen 1987/1988, im Steinkohlebergbau 1997 oder bei Opel in Bochum 2004 sind vollständig berechtigt und notwendig, weil die Gewerkschaften aufgrund des eingeschränkten Streikrechts in Deutschland nur zu Streiks in Tariffragen aufrufen dürfen. Deshalb fordert die MLPD ein vollständiges und allseitiges gesetzliches Streikrecht, das eben auch Streiks für den Erhalt der Arbeitsplätze sowie für politische Forderungen umfasst. Und deshalb müssen sich die Ford-Kolleginnen und -Kollegen auch heute schon das Recht zum selbständigen Streik um jeden Arbeitsplatz nehmen.

 

Die allermeisten von ihnen führen die begonnenen gewerkschaftlichen Streiks in diesem Bewusstsein. Die Forderung der IG Metall nach einem Sozialtarifvertrag beinhaltet aber die Zustimmung zur massenhaften Arbeitsplatzvernichtung oder gar Werksschließung und zielt nur auf höhere Abfindungen. Die Diskussion darüber, wie man zu einem selbständigen Streik kommt und dafür bei den jetzigen Aktionen trainiert, findet bereits intensiv in der Belegschaft statt. Die Fake News vom 13. Mai waren ein lächerlicher Versuch, dem den Wind aus den Segeln zu nehmen.

 

Unter den Medienschaffenden gibt es unterschiedliche Auffassungen und Sichtweisen. So dokumentierte der Deutschlandfunk einen wohlwollenden "Denkanstoß Geschichte" der Friedrich-Ebert-Stiftung zum 50. Jahrestag 2023. Auch auf spiegel.de oder tagesschau.de wurde der Streik von 1973 immerhin erwähnt.

 

Bericht im Kölner "Express" anlässlich des 50. Jahrestags des Streiks von 1973

 

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