Palästina-Prozess in Köln

Palästina-Prozess in Köln

Die Kapitulation einer fortschrittlichen Richterin vor dem Eigentumsrecht

Am 12. Mai gab es einen hochinteressanten Prozess vor dem Amtsgericht Köln. Angeklagt war Aylin A., eine von elf Jugendlichen, die im Jahr zuvor drei Stunden lang den Haupteingang zur Uni symbolisch besetzt hatten: Sie wollten damit ihren Forderungen Nachdruck verleihen, dass die Uni u.a. palästinensische Studierende unterstützt.

Von gos
Die Kapitulation einer fortschrittlichen Richterin vor dem Eigentumsrecht
Vor Prozessbeginn führten Studierende eine Protesstkundgebung mit 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern vor dem Gericht durch; 30 hörten der Verhandlung zu (rf-foto).

Rote Fahne News berichtete am 6. Mai: Prozesse gegen elf Studierende wegen ihrer Palästinasolidarität

 

Die Anklage lautete auf Nötigung und Hausfriedensbruch. Aylin erklärte zu Beginn, dass ihre Aktion als Teil des weltweiten Protests gegen Krieg und Völkermord an den Palästinensern durch die israelische Regierung legitim sei.

 

Die Richterin machte schon bei der Zeugenvernehmung des Rektors der Uni klar, dass in ihren Augen keine Nötigung stattgefunden habe: Eine von fünf Türen sei frei geblieben, jeder, der wollte, konnte in das Gebäude hineingehen und es verlassen, keine Veranstaltung fiel aus, die Blockierer seien nicht aggressiv gewesen und hätten gegen niemanden Gewalt angewandt. Dem musste Rektor Joybrato Mukherjee zustimmen.

 

Blieb der Vorwurf des Hausfriedensbruchs übrig. Der blockierte Eingangsbereich – zwischen mehreren Säulen, überdacht, stufig höher gelegen - gehörte zwar eindeutig zum Gebäude, entschied die Richterin. Aber jetzt kam überraschend ihre politische Stunde: Sie sei „um die Entwicklung der Demokratie in unserem Land ernsthaft besorgt“; „das politische Engagement junger Leute ist sehr begrüßenswert“. Deshalb würde sie das Verfahren gern ohne Urteil einstellen. Voraussetzung sei allerdings, dass der Rektor als Hausherr seine Strafanzeige zurückziehe. Man könne die symbolische Blockade als Versammlung verstehen, - und er, der Rektor, habe doch selber erst vor zwei Tagen in der Presse erklärt, dass die Versammlungsfreiheit für ihn ein hohes Gut sei, und sich stark gemacht für „ein gemeinsames Miteinander in unserer Gesellschaft“.

 

Das passte dem Rektor gar nicht. Richtig patzig beharrte er darauf, dass seine Anzeige rechtens und nötig sei. Das unterstützte der Staatsanwalt. Dieser betonte in seinem Schlussplädoyer: Artikel 5 und 8 des Grundgesetzes (Meinungs- und Versammlungsfreiheit) seien zwar wichtige Artikel, aber die „Eigentumsfreiheit“ erlaube dem Hausherrn, Hausverbote auszusprechen und Verstöße dagegen ahnden und bestrafen zu lassen.

 

Damit war klar gestellt: Alle demokratischen Rechte des Grundgesetzes haben eine klare Schranke: Das Privateigentum ist das höchste übergeordnete Gut. Dem musste sich auch die Richterin anschließen: Sie verurteilte Aylin wegen eines „Rechtsbruchs am alleruntersten Rand“ zu einer Geldstrafe von 300 Euro, ersatzweise 30 Tage Haft, die sie zur Bewährung aussetzte. Das war ein gewisser Erfolg. Denn ein anderer Richter hatte gegen einen anderen Teilnehmer der Blockade eine Geldstrafe von 1075 Euro verhängt, 75 Tagessätze zu 15 Euro – ohne Bewährung.

 

Das ganze Verfahren bestätigt die Analyse: „Die bürgerliche Rechtswissenschaft und Rechtsprechung ist in eine Krise geraten, insbesondere weil sie an Glaubwürdigkeit unter den Massen eingebüßt hat.“¹

 

Zwei Tage nach dem Prozess organisierte das „Camp for Palestine Uni Köln“ eine Proteskundgebung mit mehreren hundert Studierenden vor dem Haupteingang der Uni. Angeklagt: Der Rektor. Sie erklärten mit großem Nachdruck: Wir lassen uns durch kein Urteil einschüchtern – wir werden den Protest gegen den Genozid in Palästina ausweiten. Und es wurden auch viele hundert Euro für Gerichtskosten gespendet.