Offener Brief
Deutschland trägt Verantwortung für die Palästinenser
Nazih Musharbash, Präsident der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft e.V., fordert in diesem Offenen Brief an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, diesen dazu auf, sich bei seinem Israel-Besuch für die Rechte der Palästinenserinnen und Palästinenser in Gaza, in der Westbank und in den besetzten Gebieten einzusetzen. Darin prangert er auch das völkerrechtswidrige Vorgehen der israelischen Armee gegen die Menschen in Gaza an:
Sehr geehrter Herr Bundespräsident, Sie werden bald den Präsidenten des Staates Israel in Berlin empfangen und beabsichtigen, nach Israel zu reisen. Unter normalen Umständen wäre eine solche Begegnung nicht zu beanstanden. Doch zu dieser Zeit, in der die israelische Regierung und ihr Militär die palästinensische Bevölkerung in Gaza aushungern lässt, sie ständig von Ort zu Ort vertreibt und bombardiert und sie mit Unterstützung der Trump-Regierung vertreiben will, halten wir den Besuch für ein falsches Zeichen. Außerdem möchten wir Sie dringend bitten, sich gegenüber Ihren israelischen Gesprächspartnern mit Nachdruck für einen sofortigen Waffenstillstand und die Öffnung der Grenzen zu Gaza für dringend benötigte Hilfslieferungen einzusetzen und auf einen sofortigen Siedlungsstopp und ein Ende der Überfälle von Siedlern und israelischem Militär auf palästinensische Dörfer und Flüchtlingslager in der Westbank zu drängen.
Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat mehrfach Sofortmaßnahmen zur Verhinderung eines Genozids in Gaza angeordnet. Israel hat sich an keinen einzigen Beschluss des IGH gehalten. Im Gegenteil – es benutzt Hunger als Kriegswaffe und verstößt gegen humanitäres Völkerrecht. Dies muss ein Ende haben. Darüber hinaus hat der IGH das absolute Recht (ius cogens) der Palästinenser auf nationale Selbstbestimmung betont, die Besatzung sowie den Siedlungsbau für völkerrechtswidrig erklärt und Israel aufgefordert, sich umgehend aus allen besetzten Gebieten, einschließlich Ostjerusalems zurückzuziehen. Daraus erwachsen Verpflichtungen für Drittstaaten, also auch für Deutschland, alles dazu beizutragen, den „illegalen Zustand“ (IGH) der Besatzung zu beenden.
Zudem erwarten wir, dass Sie in Israel die Behinderung der Arbeit von UN-Organisationen wie der UNRWA oder dem Word Food Programm in Gaza, der Westbank und in Ostjerusalem und die tödlichen Angriffe auf Institutionen und Personal der UN in Gaza bei Ihrem Israel-Besuch mit deutlichen Worten verurteilen. Deutschland hat sich stets für eine Zwei-Staaten-Lösung ausgesprochen. Die israelische Regierung will dies jedoch unter allen Umständen verhindern und weigert sich, einen palästinensischen Staat zu akzeptieren. Nach unserer Auffassung trägt Deutschland infolge des Holocaust nicht nur Verantwortung für Israel, sondern auch für die Palästinenser.