Köln
24-Stunden-Streik bei Ford hat begonnen
Seit heute früh um 4 Uhr wurden von den Kolleginnen und Kollegen die Tore geschlossen und mit Streikposten besetzt. In den Tagen vorher war nach dem hervorragenden Urabstimmungs-Ergebnis die Streikbereitschaft gewaltig gewachsen.
Dementsprechend war auch die Beteiligung an den Toren. Schon ab 8 Uhr sammelten sich vor dem Tor 3 immer mehr Kollegen aus dem ganzen Werk, weil dort kurz nach 9 Uhr der Vertrauenskörperleiter David Lüdtke die Auftakt-Kundgebung eröffnete. Er grüßte die Kolleginnen und Kollegen mit einem Glückwunsch zu dem hervorragenden Ergebnis der Urabstimmung. Dann begründete er, warum der Streik für einen Sozialtarifvertrag so wichtig sei: eine angemessene Abfindung für Kollegen, die ausscheiden, und für den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze. Dadurch sei der Kampf um Abfindungen und der Kampf um Arbeitsplätze auch kein Gegensatz.
Das sehen auch viele Kollegen noch so, gleichzeitig wollen die Kolleginnen und Kollegen den Kampf um jeden Arbeitsplatz führen. Im Gespräch mit einem Rote-Fahne-News-Redakteur sagt ein Kollege: "Dieser Streik betrifft uns alle. Nicht nur uns bei Ford. Davon sind viele Existenzen abhängig. Sehr viele Familien, die darauf hoffen, dass der Vater, die Mutter einen sicheren Arbeitsplatz hat, dass Geld nach Hause kommt, dass man die Familie versorgen kann. Dabei geht es nicht nur um Ford. Wenn man sich umschaut, wieviele Firmen da dranhängen. Da geht es um Zigtausend Arbeitsplätze. Das muss den Leuten klar werden. Das wollen wir damit erreichen, uns Gehör verschaffen, damit die Leute aktiv werden."
Und auf die Frage: "Deshalb kann es auch nicht nur um Abfindungen gehen, sondern darum, die Arbeitsplätze zu erhalten, oder?" "Es geht darum, generell in Deutschland die Arbeitsplätze zu erhalten. Das ist kein Ford-Problem. Wir haben ein globales Deutschland-Problem, dass hier immer mehr Arbeitsplätze vernichtet werden. Dagegen muss man angehen und die Stimme dagegen erheben. Ford ist nur ein kleines Schild. Was alles dahinter ist – darüber müssen wir uns klar werden. ... Jetzt geht es erst mal darum, uns mit diesem 24-Stunden-Streik Gehör zu verschaffen, dass die Leute aufmerksam werden. Und dass die Arbeitgeber wissen, dass wir nicht einfach klein beigeben, wenn es um unsere Existenzen geht, wenn es um unsere Familien geht, dann wird hier gekämpft. Das ist unsere Message. Und dass man mit der Belegschaft nicht alles machen kann, was man will."
Neben Kolleginnen und Kollegen aus allen Werksteilen waren aus Solidarität eine ganze Reihe von Delegationen aus anderen Betrieben und anderen IG-Metall-Verwaltungsstellen gekommen. Den Auftakt der Grußworte machte der VK-Leiter aus Saarlouis, Dennis Stoppel, der vom lang dauernden Kampf um den Sozialtarifvertrag in Saarlouis berichtete. Dadurch hätte es annehmbare Abfindungen gegeben und es wären noch 1000 Arbeitsplätze erhalten geblieben. Jochen Ott, SPD-Landtagsabgeordneter aus Köln, setzte auf den Sozialtarifvertrag. Er verbreitete die Illusion, dass wenn es "Ford wieder gut geht, es auch der Stadt und den Menschen gut gehe".
Zwischen den Redebeiträgen immer wieder Musik, von der Brassband eines Kollegen aus dem benachbarten Merkenich und von Stefan Brings, Mitglied der Kölschrock-Band Brings, die mit ihren Liedern ihre ganz persönliche Solidarität zum Ausdruck brachte.
Sehr kämpferisch sprach eine Kollegin von VW Baunatal, wo der Elektroantriebsbau auch für die bei Ford gebauten Elektroautos stattfindet. Sie betonte vor allem den gemeinsamen Kampf von Ford- und VW-Kollegen, "eure Arbeitsplätze sind unsere Arbeitsplätze. Ford und VW, wir stehen hinter euch." Die Verwaltungsstellenleiterin der IG-Metall-Verwaltungsstelle aus dem Sauerland: "Wir müssen dem Kapitalismus die Stirn bieten. Wir müssen gemeinsam dagegen angehen, wenn der Kapitalismus meint, Moral und Arbeiterrechte nicht beachten zu müssen." Der Leiter der IG-Metall-Verwaltungsstelle Mönchengladbach beglückwünschte die Kollegen zu ihrem Streikbeschluss: "Ihr seid klasse, Arbeiterklasse!"
Berivan Aymaz von den Grünen aus dem Landtag NRW erinnerte in ihren Solidaritätsgrüßen positiv an den selbständigen Streik von 1973. Im letzten Wortbeitrag kam dann der Streik von 1973 persönlich auf die Bühne. Drei heute über 80-jährige Kollegen von damals erklärten die Berechtigung des Streiks. Sie machten damit auch klar, dass der heutige Streik nicht der erste außerhalb einer Tarifrunde bei Ford seit 100 Jahren ist. So berechtigt wie der Streik 1973 war, so berechtigt ist auch heute der Streik um den Erhalt der Arbeits- und Ausbildungsplätze.
Nach dem Ende der Kundgebung vor Tor 3 gingen dann die Kollegen zum Teil an die Tore, durch die sie normalerweise auch zur Arbeit gehen. Am Tor 9 hat der Vertrauenskörper ein Programm selbst organisiert mit kurzen Rede- und Musikbeiträgen, u.a. mit der Band Gehörwäsche. Hier konnten auch Solidaritätsbeiträge vorgetragen werden, z.b von einem indischen Gewerkschaftsverband in der Autoindustrie, vom Frauenverband Courage, vom Solidaritätskreis zur Unterstützung der Ford-Kollegen oder von der MLPD.
In den zahlreichen Gesprächen mit den Kollegen waren die Brennpunkte, wie ein Kampf um jeden Arbeits- und Ausbildungsplatz erfolgreich geführt werden kann und muss. Illusionen in einen Sozialtarifvertrag müssen hier weiter gelöst werden. Auffallend war die sehr aufgeschlossene Stimmung und die Bereitschaft, sich auseinanderzusetzen. Dabei wechselnden auch einzelne Exemplare der Roten Fahne den Besitzer und es konnten einige neue Verbindungen geknüpft werden. Der Soli Kreis unterstützte die kämpferische Stimmung mit dem Angebot von Kaffee und Kuchen gegen Spende.
Rote Fahne News wird weiter berichten.