Regierungsbildung
Union: Mannschaft für die reaktionäre Wende
Das Koalitionspapier deutete bereits an, dass von der neuen Regierung viel zu erwarten ist, wenn es zum einen zackigen Rückschritt in den Bereichen Arbeit und Soziales, aber auch einen ebenso zackigen Fortschritt beim Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten geht. Mit dem Personal, dass die Union jetzt aufgestellt hat, wird die reaktionäre Wende deutlich.
Strukturelle und personelle Ausrichtung auf die Militarisierung
Es lohnt sich, zu betrachten, wie die Ministerien aufgeteilt wurden. So wurde zum Beispiel das Ministerium „Forschung, Technologie und Raumfahrt“ neu geschaffen. Warum? Nun, der Bereich der Raumfahrt gewinnt insbesondere militärisch eine wachsende Bedeutung, wenn man die Differenzen zwischen der EU und den USA sieht, denn bei der militärischen Nutzung des Weltraums durch Spionagesatelliten sind die USA der EU weit voraus. Schon im Oktober letzten Jahres hatte Merz daher erklärt: „Der Schutz der eigenen Systeme und der freie Zugang zum Weltraum sind in unserem nationalen und europäischen Interesse.“ Das sind durchaus militärische Überlegungen, und es spricht Bände, dass die Forschung ebenfalls in dieses Ministerium verlegt wird. Geleitet wird es von einer der stellvertretenden Vorsitzenden der CSU, Dorothee Bär.
Beachtenswert ist auch, dass die CDU als führende Partei der Koalition nicht nur den Kanzler, sondern auch den Außenminister stellt. Traditionell wird diese Aufgabe einem Mitglied einer Koalitionspartei überlassen. Die CDU vereint damit alle außenpolitischen Entscheidungen sozusagen im eigenen Haus. Mit Johann David Wadephul besetzt sie die Stelle nicht nur mit einem Juristen, sondern auch einem Mann der Armee, einem Oberstleutnant der Reserve. Da kann es nicht überraschen, wenn er sich "auf die ganz großen Konfliktherde" wie die Ukraine, Nahost und etwa den Iran konzentrieren will, wie er RTL und ntv sagte. Das ist für sich genommen ein Zeichen, wie die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland künftig gestaltet wird. Wadephul ist klar gegen jede Zurückhaltung und offen für Eskalation: "Wir dürfen keine Sekunde mehr zögern. Alles Zaudern der vergangenen Jahre, jedes Zurückhalten von Material, hat am Ende Putin nur ermutigt.", so zitiert ihn die ARD. Wenn es um die Weltkriegsvorbereitung geht, ist er also fast schon überqualifiziert.
Monopolfrauen und -männer
Das Ministerium für Digitalisierung und "Staatsmodernisierung" geht an Karsten Wildberg. Er kommt direkt aus der Wirtschaft und gehört zu denjenigen, die über den Wirtschaftsrat der CDU deren arbeiterfeindliche Politik bislang schon wesentlich mit dirigierten. Er ist ohne Zweifel ein Monopol-Mann, und man weiß, was "Entbürokratisierung" dann heißt: Jede Hürde für das Kapital bei der Verschärfung der Ausbeutung und der Maximierung der Profite wird er versuchen, aus dem Weg zu räumen. Mit seiner Benennung kommt der Charakter der staatsmonopolistische Kapitalismus, in dem sich die Monopole den Staat vollständig untergeordnet haben und mit seinen Organen verschmolzen sind, offen zum Vorschein.
Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird Karin Prien. Sie war 2017 Ministerin des Landes Schleswig-Holstein und ließ per Erlass verkünden, dass Formen der gendergerechten Sprache beim Erlernen deutscher Rechtschreibung nicht zum Regelwerk gehörten. Sie ist aber vor allem auch eine Verfechterin der deutschen Staatsräson gegenüber dem zionistischen Israel. Zu Palästina-solidarischen Aussagen während der Preisverleihung der Berlinale 2024 erklärte sie damals: „Jeder, der den gesamten Staat Israel, der ein demokratischer Staat ist, als Apartheidsstaat diffamiert, tätigt eine antisemitische Aussage.“ Über den Völkermord an den Palästinensern hat sie sich derweil nicht kritisch geäußert, aber forderte die unbedingte Solidarität mit Israel ein. Den Kritikern des israelischen Staatsterrors warf sie 2024 noch eine „Täter-Opfer-Umkehr“ vor.
Weitere Rechtsausrichtung
Vertreter wie Wadephul und Spahn sprechen sich offen für die "Normalisierung" der AfD aus. Mit dem Redakteur und Publizisten Wolfram Weimer geht Merz mit seinem Team aber noch einen Schritt weiter. In seinem Buch „Das konservative Manifest“ von 2018 bekennt er sich neben jedem konservativem Stereotyp auch zu neurechten Ideologien. Weimer ist fanatischer Antikommunist und Brücke über die nur noch der Form halber aufrecht erhaltenen Merz’schen „Brandmauer“ gegen Rechts hinweg und schafft Anknüpfungspunkte zur AfD und weit darüber hinaus. Der Vereins "Ensemble-Netzwerk" hat bereits zehntausende von Unterschriften gegen seine Ernennung gesammelt.
Diese Personalien knüpfen an den reaktionären Positionen der Koalitionspapiere zwischen Union und SPD an - und führen sogar zu offener und trotz aller Illusionen weltanschaulich begründeter Kritik aus der CDU selbst. Der Vorsitzenden der Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA), Dennis Radtke, kritisierte gegenüber der „Süddeutschen Zeitung", dass die Arbeiterinteressen offenkundig keine Rolle spielen:
„Eine Bundesregierung ohne Beteiligung der CDA kannte ich bisher nur aus Zeiten, in denen die CDU in der Opposition war".