Argument
Sozialstaat frisst uns die letzten Haare vom Kopf?
Am 22. April versammelte Markus Lanz eine illustre Gesellschaft von Kommunalpolitikern in seiner Sendung. "Politik von der Basis", darum sollte es gehen. Das finanzielle Defizit der Kommunen hat sich seit 2023 vervierfacht auf über 24 Mrd. Euro.
Im Verlauf der Sendung kommt immer wieder die berechtigte Kritik auf, dass in Berlin Tausend Dinge beschlossen werden, deren Umsetzung dann die Städte finanzieren müssen. Der Moderator will penetrant, dass genau zwei Geschichten hängen bleiben. 1. Die deutsche Bürokratie treibt die wildesten Blüten, hält auf und kostet viel Geld. 2. Das "soziale Klimbim" und allen voran die Migration sind schuld an dem finanziellen Desaster.
Mit den Worten "es sind vor allem die sozialen Haushalte, die uns die letzten Haare vom Kopf fressen, Bürgergeld und Migration" stellt Lanz den Präsidenten des Deutschen Landkreistages, Achim Brötel, vor.
Der Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen, Jutta Steinruck, legt er immer wieder in den Mund, dass die Migration schuld an den Zuständen in ihren Schulen sei. Sie bleibt höflich, widerspricht aber jedes Mal. "Nein, es ist verfehlte Bildungspolitik." Und es ginge nicht um Flüchtlinge, sondern um Arbeitsmigranten und ihre Kinder. "Bei Wanderarbeitern denken wir an China. Aber die haben wir auch hier, weil das Lohngefälle in Europa so groß ist."
In Ludwigshafen waren sie gut damit gefahren, in Kitas und Schulen "Mama-Kurse" anzubieten, in denen Mütter Deutsch lernen - und dadurch auch die Kinder. Der eigentliche Skandal ist, dass solche integrierenden Maßnahmen freiwillige kommunale Leistungen sind, die wegen eines Nothaushalts gestrichen werden mussten. Allein Ludwigshafen hat 1 Mrd. Euro Schulden.
Der Bürgermeister von Heide, Oliver Schmidt-Gutzat, kritisiert passend dazu, warum eigentlich nicht die Kommunen an Steuern einbehalten, was sie brauchen und nur den Überschuss an Land und Bund abführen, sondern umgekehrt?
Aber das sind nicht die Punkte, die Lanz vertiefen will. Lieber lässt er Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, schimpfen, dass die Leute nicht weiterhin erwarten könnten, dass wir die höchsten sozialen Standards mit den niedrigsten Arbeitszeiten kombinieren könnten. Man müsste die Ärmel wieder hochkrempeln.
Eine sehr geschickte Sendung. Man bleibt mit dem Eindruck zurück, dass die sozialen Leistungen in Deutschland nicht mehr zu finanzieren seien. Man muss sich selbst wieder in die Realität holen, in der gerade eine unbegrenzte Staatsverschuldung für Aufrüstung und Kriegsvorbereitung läuft. Warum hat die neue Koalition bei "What ever it takes" eigentlich nicht die 24 Mrd. Euro kommunaler Schulden gestrichen? Man hätte in der Sendung ja auch diskutieren können, ob wir uns F35-Kampfflugzeuge für alleine 8,3 Mrd. Euro leisten können? Aber das wäre dann nicht die Sendung von Markus Lanz.