Imperialismus und Kriegsgefahr
Wie Marxisten-Leninisten zu wissenschaftlichen Prognosen kommen
„An immer mehr Kriegsbrandherden zündeln alte und neue Imperialisten an der Lunte eines Dritten Weltkrieges“. Wie kommt die MLPD in ihrem Bundestagswahlprogramm zu dieser Qualifizierung?
1895 untersuchte Friedrich Engels die im „Kommunistischen Manifest“ 1848 formulierten Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Geschichte im Lichte der vergangenen 50 Jahre. (1). Auf dem Prüfstand war die Methode von Karl Marx „im Verlauf einer mehrjährigen für ganz Europa sowohl kritischen wie typischen Entwicklung den inneren Kausalzusammenhang nachzuweisen“. Das bedeutete „die politischen Begebenheiten zurückzuführen auf Wirkungen von in letzter Instanz ökonomischen Ursachen.“
Denn nichts Anderes besagt die Politische Ökonomie des Marxismus, als dass man historische Prozesse nicht aus dem subjektiven Empfinden eines größenwahnsinnigen Trump beurteilen kann, sondern man muss „das Bewusstsein aus den Widersprüchen des materiellen Lebens, aus dem vorhandenen Konflikt zwischen gesellschaftlichen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen erklären.“ (Marx/Engels Werke Band 13, S. 9)
Dieser Konflikt unterliegt Gesetzmäßigkeiten, die unabhängig vom Willen wirken. So ist die Ursache für die aktuelle Krisenentwicklung nicht in Managementfehlern eines Manuel Lopez, der Z(T)ollwut eines Trump oder in Covid-Katastrophen zu suchen, sondern in dem gesetzmäßigen Widerspruch zwischen dem Zwang zur schrankenlosen Ausdehnung der kapitalistischen Produktion und der beschränkten Ausdehnung der Märkte. Die chronische Überakkumulation des Kapitals muss sich in zyklisch auftretenden Überproduktionskrisen Luft verschaffen.
Allerdings sind die objektiven Gesetzmäßigkeiten nicht als einfacher kausaler Zusammenhang von Ursache und Wirkung direkt dingfest zu machen. Deshalb unterscheiden Marx und Engels zwischen dem gesetzmäßigen Verlauf und dem konkreten historischen Verlauf, der auch von unvorhersehbaren Zufällen abhängt. „Bei der Beurteilung von Ereignissen und Ereignisreihen aus der Tagesgeschichte wird man nie imstande sein, bis auf die letzten ökonomischen Ursachen zurückzugehen, (…) dass man für jeden beliebigen Zeitpunkt das allgemeine Fazit aus diesen mannigfach verwickelten und stets wechselnden Faktoren ziehen kann.“
Um wieviel mehr trifft dies heute zu angesichts der komplexen Zusammenhänge mit täglich sich überschlagenden Nachrichten aus aller Welt in Echtzeit. Gegenüber den kruden Hetzparolen der faschistischen Welterklärer erscheinen Friedrich Merz und Co. fast seriös, wenn sie es unfair finden, an ihren Wahlversprechen gemessen zu werden. Schon die Parteien der Ampel rechtfertigten die Methode des Auf-Sicht-Fahrens, weil sie die Existenz von Gesetzmäßigkeiten – an denen sie schnell selbst gescheitert sind - überhaupt leugnen. Damit wären aber jegliche Prognosen erwartbarer Folgen eines bestimmten Handelns bzw der Entwicklung von Kämpfen unwissenschaftlich.
Sie sind unverzichtbar, aber können nicht willkürlich getroffen werden: „Der klare Überblick über die ökonomische Geschichte einer gegebenen Periode ist nie gleichzeitig, ist nur nachträglich, nach erfolgter Sammlung und Sichtung des Stoffes zu gewinnen.“ Und daraus analysierte Karl Marx 1850, dass „aus den Tatsachen selbst vollständig klar (wurde), dass die Welthandelskrise von 1847 die eigentliche Mutter der Februar- und Märzrevolutionen gewesen“ war. Das erklärte, warum die Kämpfe aufgrund des folgenden breiten industriellen Aufschwungs unerwartet wieder zurückgegangen waren. Und Marx schlussfolgerte: „Eine neue Revolution ist nur möglich im Gefolge einer neuen Krisis. Sie ist aber auch ebenso sicher wie diese“.
Auch wenn der konkrete Verlauf von zahlreichen Unwägbarkeiten und Zufällen beeinflusst wird, bedeutet das nicht, dass keine zutreffenden Prognosen getroffen werden können. Den Beweis dafür lieferte Friedrich Engels selbst 1895 mit seiner nach der Pariser Kommune getroffenen Vorhersage eines Weltkrieges:
„Die totale Umwälzung des gesamten Kriegsgeschehens durch die Engagierung der gesamten waffenfähigen Bevölkerung in die nur noch nach Millionen zu berechnenden Armeen (…) jeden anderen Krieg unmöglich machte als einen Weltkrieg von unerhörter Greuelhaftigkeit und absolut unberechenbarem Ausgang“. Er hatte dabei an anderer Stelle auch die „absolute Unmöglichkeit“ betont, „vorherzusehen wie das alles enden und wer als Sieger aus dem Kampf hervorgehen wird; nur ein Resultat absolut sicher: die allgemeine Erschöpfung und die Herstellung der Bedingungen des schließlichen Sieges der Arbeiterklasse“. (2)
Auch wenn heute die Kriegsvorbereitungen bereits unübersehbar sind, ergibt sich die Prognose eines Dritten Weltkriegs nicht allein aus dem Tagesgeschehen. Aber der begonnene Kampf um die wirtschaftliche und politische Neuaufteilung der Welt führt gesetzmäßig an einen Punkt, wo er nur noch militärisch ausgetragen werden kann. Dass die Imperialisten bis zum Äußersten alle Kriegsmittel einsetzen ist historisch zigfach belegt und damit auch die wissenschaftliche Prognose, dass dieser Weltkrieg nuklear ausgetragen werden wird.
Es sei denn, der aktive Widerstand verhindert in Kenntnis dieser Gesetzmäßigkeit den Dritten Weltkrieg und entwickelt eine sozialistische Perspektive für eine friedliche Weltordnung!